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ANTON QUIRING
 

"PRÄZISE EINSCHWINGUNGEN" ERICH FRANZ, MÜNSTER, 2017

Präzise Einschwingungen

Anton Quiring platziert sehr einfache Objekte in den Raum, und dennoch erfasst man sie nicht sofort mit dem Blick. Die dunklen Stäbe, gebogenen Schläuche, schwarzen Platten oder hellen Steine sind industrielle Materialien und entfalten doch eine erstaunliche und unerwartete Poesie. Sie verhindern eine schnelle Festlegung, sie behalten etwas Langsames, Scheues und sogar Zartes. Dunkle Rundstäbe, je drei an den gegenüberliegenden Wänden, grenzen sich nicht hart ab, sondern es sind Röhren aus weichem Schaumstoff, die trotz ihrer Präzision leicht und sogar beweglich wirken. Ein weißer Ring ist aus drei zusammengesteckten Kunststoffschläuchen gebogen, einem Kreis sich nähernd, langsam und sorgfältig wie eine in den Raum gezeichnete Linie, die vorsichtig den Boden berührt.
Die Werke von Anton Quiring bestehen eigentlich nicht aus einzelnen Objekten, sondern aus dem Raum, den diese zarten Gegenstände zum Klingen bringen. Man nimmt sie zugleich mit dem gesamten Raum wahr. Sie lehnen sich an seine Grenzen an, sie fügen und schwingen sich in ihn ein und füllen seine Leere von Wand zu Wand. Es ist schwer zu erklären, aber der Raum schwebt, er wird durchdrungen von den leichthin sich ausbreitenden Reflexen einer besonderen „Stimmung“, die von dem einen und dann wieder von dem anderen Objekt ausgeht.
Jede Arbeit erzeugt einen Widerhall, sie berührt die Wand oder den Boden auf ihre Weise, immer vorsichtig und tastend, aber immer auch sehr eigenwillig. Einmal ist es ein Herausgreifen von der Fläche aus ins Offene, dann ein stummes Verdecken durch ein Schwarz, das von einem leicht glitzernden Holzkohlestaub überzogen ist, oder auch ein gereihtes Entlanglaufen an der Wand von labil angelehnten Metallstäben, jeder mit einem winzigen Endpunkt. Auf dem Boden liegen weiße Platten, die zum Raum und zueinander Kontakt aufnehmen. Überhaupt gibt es nichts, was definiert, abgegrenzt und endgültig wirkt. Fünf große leere Rahmenfenster blicken hinaus auf ein ungreifbares Schwarz...
Man spürt diese Sensibilität von Formen, die zwischen ihrer leichten Gestalt und ihrer Umgebung vermitteln – mit einer sehr sinnlichen Materialität und Empfindlichkeit. Nicht nur die Wand, die Raumecke oder der Boden werden zum Fluidum, sondern auch das Licht, der Schatten, der Fluss der Räume, der an einer Stelle in drei kurze Röhren eintaucht. Am Ende steigt man zu einem kleinen, etwa quadratischen Zimmer herab, einem kostbaren Behältnis mit einer hellen linearen Einteilung aus Steinen auf dem Boden, mit einer kleinen dunklen Linie in Augenhöhe, die sich auf einen Punkt zusammenzieht, mit einer rhombischen Zeichnung, aus der ein imaginärer Raum erwächst, der nicht existiert... Was habe ich gesehen? Man weiß es eigentlich nicht, aber man hat vermutlich etwas gespürt.

Prof. Dr. Erich Franz, Münster, 2017