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CONNY BECKER
 

GLAS IN DER KUNST VON STILLLEBEN UND ALCHEMISTEN

Salvador Dalí: Veston aphrodisiaque (Aphrodisische Jacke) von 1936-67, Seghers – Van de Velde, Antwerpen, ©VG Bild-Kunst, Bonn 2008, courtesy of MKP, Düsseldorf.
Fragil und doch hart, begehrenswert schön und doch gefährlich scharfkantig. Die vielen Facetten von Glas beschäftigen seit jeher Künstler aller Gattungen, die den amorphen Stoff als Material benutzen oder seine unwirkliche, bezaubernde Transparenz im Bild festzuhalten suchen.


Glas ist eine ambivalente Verbindung, hart wie Stahl scheint es doch immateriell und wird für das Auge nur durch Spiegelungen sichtbar. In Madonnenbildern symbolisiert es die Reinheit, als Zeichen von Reichtum ist es in Form von Gläsern, Karaffen oder Vasen zu lesen. Die malerische Mimesis dieser Luxusgüter findet in der Stillleben- und Genremalerei des 17. Jahrhunderts ihren Höhepunkt. Doch noch bis heute hat der transparente Stoff unablässig Maler, Bildhauer, Fotografen und Künstler der neuen Medien inspiriert, wie das Düsseldorfer Museum Kunstpalast (MKP) in der Ausstellung „Zerbrechliche Schönheit“ veranschaulicht.

In den zahlreichen Barock-Stillleben ist zu beobachten, wie die Künstler dem Reichtum ihrer Auftraggeber huldigten und gleichzeitig ihr malerisches Können in Szene setzten. Der Niederländer Pieter Claesz etwa verewigte 1641 im Gemälde „Tafel mit Hummer, Silberkanne, großem Berkemeyer, Früchteschale, Violine und Büchern“ neben einem prunkvollen Tischarrangement auch ein Selbstportrait in den spiegelnden Gefäßen. Solche Raffinessen, aber auch die gekonnte Darstellung des nahezu Unsichtbaren – sei es mithilfe von Lichtreflexen oder farbigen Füllungen – machen die Faszination der gezeigten Stillleben aus.

Reizvoll ist ferner ihre Inszenierung: Wie in der ständigen Sammlung hat Kurator Beat Wismer farbige Wände gewählt und die Ausstellung nicht chronologisch, sondern thematisch gegliedert. So holt der Gegenwartskünstler Kris Vleeschouwer mit der Installation „Nur ein weiteres Fragment“ scheinbar die benachbarten Stillleben Sebastian Stoskopffs aus dem barocktypischen Dunkel mitten in den Ausstellungssaal. Auf einem langen Holztisch mit verschiedenen Gläsern lassen motorbetriebene Metallwinkel dieselben erklingen, weisen aber wie die auf dem Boden liegenden Scherben auch auf die Vergänglichkeit hin.

Das typische Stilllebenthema des memento mori führt Damien Hirst noch drastischer vor Augen: Seine Arbeit „Unverbindlich Liebende“ von 1991 setzt sich aus einer Glasvitrine mit Einmachgläsern zusammen, die mit in Alkohol konservierten Präparaten gefüllt sind. Sie zählt zum Ausstellungsteil „Durchsichten und Einsichten“, den Wismer ganz dem Laboratorium gewidmet hat – schließlich ist Glas unabdingbar mit der chemischen Arbeit verbunden.

Hier sind daher in Tafelbildern des 17. Jahrhunderts Mediziner und Alchemisten mit Tinktur-gefüllten Glaskolben zu sehen – auf der Suche nach Goldformel oder Lebenselixier. Die geheimnisvollen Hexenküchen David Teniers d. J. und seiner Zeitgenossen treten im MKP mit Labor-Fotografien von Helmut Schweizer in einen gelungenen, epochenübergreifenden Dialog. Der in Düsseldorf lebenden Künstler erkundet die Schnittstelle zwischen Kunst und Wissenschaft zudem in einer kleinen Versuchsanordnung, „Lusine (LHOOQ)“, in der eine blau leuchtende Quecksilberdampflampe den Farbstoff Uranin in einem benachbarten Glaskolben zum Fluoreszieren bringt. Ästhetischer Reiz vermischt sich hier mit beängstigenden Assoziationen mit dem verwandten Uran und dessen potenziellen Missbrauch.

Weniger gefährlich denn amüsant erscheint dagegen die giftgrüne Flüssigkeit, die der spanische Surrealist Salvador Dalí in kleinen Likörgläsern erstarren lies, um diese an eine Smokingjacke zu heften. Das Getränk wird als Pippermint deklariert, ein vermeintlich aphrodisisch wirkender Pflanzenlikör aus der Pfefferminze, der sinnlichen Rausch verheißt. Belebend, da abwechslungsreich, das verspricht derzeit auch das MKP.

Zerbrechliche Schönheit. Glas im Blick der Kunst. Bis 31. August 2008, Di-So 11-18 Uhr. Museum Kunstpalast, Ehrenhof 4-5, 40479 Düsseldorf; info@museum-kunst-palast.de.