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CONNY BECKER
 

INKLUSIVITÄT GEFRAGT

Manuele Kopp fotografiert seit Jahren Paletten.
Portrait von Manuele Kopp von Peter Dammann.
Was macht einen Menschen zum Künstler – die Ausbildung, der Erfolg oder schlicht sein Werk? Diese und andere Fragen wirft eine Ausstellung in Berlin auf, die Arbeiten von Künstlern mit und ohne Behinderung zeigt.


„Ich glaube, sie ist mit allem, was sie macht, eine absolut zeitgenössische Künstlerin, aber es sind die Lebensumstände, die ein Leben als Künstlerin verhindern“, sagt der Berliner Galerist Helmut Schuster. Die Rede ist von Manuela Kopp, einer jungen Frau aus Schwäbisch Gmünd, die täglich fotografiert, darüber hinaus zeichnet, Installationen oder Audio-Arbeiten schafft. Besonders sind ihre Lebensumstände insofern, als dass sie geistig behindert ist, nicht alleinständig und völlig selbstbestimmt, sondern in einer betreuten WG der Stiftung Haus Lindenhof lebt.

Die Stiftung, die Mitglied im Caritas-Verband ist, fördert auch Kopps künstlerische Kreativität, welche die kleine zierliche Frau jedoch nicht nur in den angebotenen Kunstprojekten auslebt. Vielmehr scheint sie ihr Leben vollkommen zu durchdringen. So macht Manuela Kopp seit sechs Jahren in der geschützten Werkstatt von Weleda, in der sie einfache, routinemäßige Arbeit verrichtet, unzählige Fotos von auf Paletten gestapelten Kartons. Mit der Alltäglichkeit des Motivs, der Serialität und dem strengen Konzept steht ihr künstlerisches Schaffen in der Tradition der Konzeptkunst oder der renommierten Düsseldorfer Fotoschule und entspricht somit ohne dem Wissen der Künstlerin einem aktuellen Trend der Gegenwartskunst.

Kopps Arbeiten, darunter auch Serien eines US-amerikanischen Comic-Helden, die sie von Video-Standbildern abzeichnet, sind derzeit in der Ausstellung „Inklusiv“ in der Galerie Schuster zu sehen. Ebenso wie Fotos von Kopp selbst, die ihr Mentor, der Künstler Peter Dammann, von ihr gemacht hat. Beide sind Teil des Projekts b.kunst der Caritas, bei dem elf Künstlerpaare jeweils mit und ohne Behinderung ein Jahr lang gemeinsam kreativ waren. Wenngleich nicht alle Arbeiten qualitativ gleichermaßen überzeugen, gibt es nach Angaben des Galeristen für nahezu alle gezeigten Werke Interessenten. Erste Arbeiten sind bereits verkauft, andere hingegen sind eigentlich unverkäuflich. Schließlich entstanden sie häufig in Einrichtungen der Caritas, die keinen Gewinn machen dürfen, so Schuster gegenüber der PZ. Möglicherweise wird sich aber über Spenden ein Weg finden lassen, zumal der Galerist, der die Künstler eigens in ganz Deutschland aufsuchte, sich eine Verbesserung in deren Ateliersituation wünschen würde. Damit die Künstler ihr Potenzial noch weiter ausschöpfen könnten.

Bei Manuela Kopp könnte man sich sicher auf einiges gefasst machen. „Die würde ich sofort in mein Galerieprogramm aufnehmen“, sagt Schuster. Doch diese geschäftliche Beziehung verliefe nicht auf Augenhöhe, zudem hätte der Galerist Sorge um die vermeintliche Vermarktung einer Schwäche. Schließlich wolle er vorbehaltlos Kunst zeigen und keinesfalls „Outsider-Kunst“ für Sensationshungrige. Bis zur umfassenden Inklusion in den Kunstmarkt ist es wohl noch ein weiter Weg; unterdessen wandert die Ausstellung weiter in „geschützte“ Räume.

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Inklusiv, bis zum 22. Oktober in der Galerie Schuster, Heidestraße 46, Berlin.
Ab dem 14. November im Deutschen Caritasverband, Lorenz-Werthmann-Haus, Karlstraße 40 in Freiburg und ab dem 31. Januar 2012 im EU-Parlament in Brüssel.

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veröffentlicht in PZ 38/2011, http://www.pharmazeutische-zeitung.de/index.php?id=39423&no_cache=1&sword_list[0]=kopp

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