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CONNY BECKER
 

KOMMENTAR: ICH SEHE (BLAU-WEISS-)ROT!

Kartenhäuschen vor Neuer Nationalgalerie, Berlin, Foto: Conny Becker
Einen ganzen Sommer lang wird eine Stadt in blau-weiß-rot getaucht, egal ob unzählige Werbeplakate, Papiertüten oder auch Fahrradtaxis – alle erhalten einen Luftpostrahmen. Auf was verweist dies? Auf Übersee? Die USA vielleicht? Oder die Trikolore?

Alles richtig. Aber auf Berlin ganz gewiss nicht, und das scheint programmatisch. Denn eine besser denn je funktionierende PR-Maschinerie bewarb 2007 im Auftrag der Neuen Nationalgalerie wie schon drei Jahre zuvor weder die permanente Sammlung oder eine eigens zusammengetragene Ausstellung, sondern ein hübsches Findelkind, das im viel beschworenen Kunstsommer als Berliner Magnet fungierte. Genauer: Die „schönsten Franzosen“ aus dem New Yorker Metropolitan Museum of Art, sprich rund 150 französische Gemälde und Skulpturen des 19. Jahrhunderts.

‚Schön’? Sicher – schließlich beherbergt das Met nach dem Musée d’Orsay in Paris die weltweit größte Sammlung französischer Kunst dieser Epoche. Aber was soll sie in Berlin?

Geld bringen, Touristen begeistern. Hier gelang ein strategisch guter Schachzug, da der Kunstsommer in den Medien omnipräsent war und sich Berlin mit seiner Ausstellung einfach nur hinter Venedig/Kassel/Münster einreihen musste. Dass hier Birnen mit Äpfeln verglichen wurden, ist dem attraktionshungrigen Durchschnittstouristen, dem die drei Großveranstaltungen der Gegenwartskunst sicher ein bisschen zu gewagt erschienen, vermutlich nicht aufgefallen.

Ebenso wenig, dass der Bauhaus-Kunsttempel von Mies van der Rohe keineswegs seiner eigentlichen Aufgabe nachkam, nämlich europäische Malerei und Plastik des 20. Jahrhunderts von der Klassischen Moderne bis zur Kunst der 60er Jahre zu beherbergen. Die war in den vier Monaten noch mehr untergetaucht, als sie es sonst schon ist. Für sie schien sich der Werbeetat bereits seit langem auf einem Nullniveau eingependelt zu haben.

Die Propaganda für das Kuckucksei funktionierte jedoch – hier kam der Bundespräsident als Redner zum ‚Preopening’, hier wurde selbst die Fête de la Musique, bereits seit zwölf Jahren in Berlin beheimatet, als ‚Begleitprogramm’ inszeniert. Und so wurden, auch mithilfe verlängerter Öffnungszeiten, der 100.000ste, der 250.000ste und schließlich der ersehnte 500.000ste Besucher gefeiert. Der war übrigens nötig, galt als Zielmarke, um das 7,5-Millionen-Projekt auch finanziell zum Erfolg zu bringen.

Doch wollen wir das? Weitere Blockbuster à la MoMA 2004, die sämtliche Reiseveranstalter in ihr Programm aufnehmen? Eine Riesenwerbemaschine, die nur fremde Lorbeeren anpreist? Wäre es nicht besser, am Glanz des eigenen Namens zu arbeiten? Es sollte doch für die jetzt erfahrene Marketingabteilung der Freunde der Nationalgalerie – die nach der Met auch die weitere Werbung übernehmen soll – sicher ein leichtes sein, der Neuen Nationalgalerie ein besseres Image zu verleihen. Angefangen mit einem Namen, der sie zumindest psychologisch auf eine Ebene mit MoMA, Tate und Met hebt. Als NeNa etwa wäre sie, zumal im deutschen Kontext, bestimmt viel leichter zu vermarkten.

Einen Funken Hoffnung gibt es, zumal der nächste Blockbuster laut Katharina von Chlebowski (Verein der Freunde der Nationalgalerie) noch drei bis vier Jahre auf sich warten lassen wird – hoffentlich nicht nur, weil die Tate Modern wegen Umbauarbeiten auslagern muss...