KUNSTMARKT: MESSEN LOCKEN KUNSTFREUNDE AN
Wawrzyniec Tokarski: Einfach und wertlos, 2007, courtesy of Galerie Karlheinz Meyer.
Cary Leibowitz's Shop am Stand von Alexander Gray Associates. Foto: CB.
Kunst und Kommerz, so sollte man meinen, passen nicht zusammen – und doch bedingen sie einander. Klassischerweise in Galerien verkauft, findet die Kunst derzeit zum großen Teil auf Messen ihre Abnehmer. Dieser Trend lies vergangenes Jahr sogar manchen Galeristen daran zweifeln, ob eine „Präsenz-Galerie“ sich überhaupt noch rentiert.
Jetzt zeichnet sich ab, dass für beides Bedarf besteht; die Nachfrage nach zeitgenössischer Kunst ist so hoch wie selten zuvor. So machen etwa in Berlin, der neuen Wahlheimat zahlreicher internationaler Gegenwartskünstler, jährlich zehn bis 20 neue Galerien auf, ebenso wie Jahr um Jahr eine neue Kunstmesse in Deutschland ihre Tore öffnet: dieses Jahr beispielsweise die „Düsseldorf Contemporary“, die der „Art Cologne“ im Frühjahr neue Konkurrenz bescherte.
Parallelmessen sind in
Der Trend zur Parallelmesse ist jedoch schon älter und scheint in der zeitgenössischen Kunst geradezu obligat geworden zu sein. Die wichtigsten Messen – die Art Basel, die Londoner Frieze oder die New Yorker Armory Show – haben alle mindestens zwei dieser Anhängsel. In Berlin, wo Anfang des Monats das Art Forum zum zwölften Mal die Messehallen füllte, gab es sogar drei: Die Preview Berlin, die Berliner Liste und der Berliner Kunstsalon gaben erneut weniger etablierten Galerien eine Plattform und warteten jeweils mit rund 60 Ausstellern auf.
Für die Akzeptanz dieser vier Messen und damit auch für den Kunstmessestandort Berlin spricht, dass die Zahl der sich bewerbenden Galerien in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen hat. So musste die jährlich wechselnde Jury beim Art Forum in vier Runden aus fast 500 Bewerbungen 136 Galerien aus 23 Ländern selektieren. Wer zur diesjährigen Auswahl gehörte, entschied in erster Linie der Vorschlag zur Standpräsentation. „Bei der Auswahl wird sehr visuell gedacht und gefragt: Wie schaut die Messe dann aus?,“ erklärte Sabrina van der Ley, Künstlerische Leiterin der Messe. Sicherlich hat aber auch Name und Herkunftsland der Galerien eine Rolle gespielt, sodass letztlich über die Hälfte der Aussteller ausländische Galerien waren.
Ort für Entdeckungen
„Wir sind jetzt international,“ betonte auch Gerd Harry Lübke zur Eröffnung der Messe und das Sprachenwirrwarr in den Gängen gab ihm Recht. Der Inhaber von Eigen + Art, einer der erfolgreichsten Berliner Galerien, ist bereits seit zehn Jahren dabei. Zum Art Forum meint er: „Hier kann man genau die Künstler sehen, die jetzt die nächste Generation sind; bei denen es noch möglich ist, etwas zu kaufen.“ Mit dieser Ansicht liegt er ganz auf der Linie van der Leys, die von einer „Entdeckermesse“ spricht, „die sich seit 2000 ganz konkret auf aktuelle Produktionen konzentriert.“
Diese Positionierung war sicher ein kluger Schachzug, da keine andere Messe so nah an den Produzenten sitzt wie diejenige Berlins. Parallel wurde daher auch wieder 22 jungen Galerien Platz eingeräumt, welche mit stärker kuratierten Ausstellungen den Vorbeigehenden in stetig neue Bilderwelten entführten. So sah dieser sich mal einer 8 x 2,5 x 4 m großen filigranen Rauminstallation aus Zeichnungen gegenüber, deren gegenständliche Motive, ausgeschnitten und an Fäden hängend, dreidimensional collagiert waren (Endemische Zeichnung 2007 von Philip Loersch). Mal tauchte er in die Struktur von Bacteriorhodopsin, genauer in eine danach benannte Wandarbeit von Gerhard Mayer ein, der den Prozess der Energiegewinnung über dieses bei Halobakterien vorkommende Membranprotein eindrucksvoll sichtbar macht. Vielleicht fand er sich aber auch im fingierten Shop des amerikanischen Künstlers Cary Leibowitz wieder und wurde daran erinnert, dass es auf Messen letztlich nicht nur ums Betrachten, sondern auch um den Verkauf geht. Dementsprechend waren auch in der angegliederten Sonderausstellung, die stets ein unabhängiger Kurator zusammenstellt, alle Werke käuflich.
Berlin hat sich behauptet
Das Art Forum hat jahrelang um Akzeptanz und für seine Existenz kämpfen müssen – schließlich galt Berlin immer als arm und internationale Sammler bevorzugten die englischsprachige Frieze. Das scheint sich nun geändert zu haben. „Das Tal der Nichtsammler ist durchschritten und ein kleiner Berg Berliner Sammler ist zu erkennen,“ kommentierte Christian Nagel, Galerist aus Köln und Berlin sowie Mitbegründer der Messe.
In der geschichtsgezeichneten Hauptstadt interessiert sich nämlich eine neu gewachsene bürgerliche Generation von etwa 40-Jährigen immer mehr für die Gegenwartskunst, die in der Stadt mit ihrer hohen Galeriendichte sehr präsent ist und zudem von Gleichaltrigen geschaffen wird. Und auch das Lamento, Berlin sei für internationale Sammler nicht attraktiv, wird langsam verstummen: Den Messeorganisatoren gingen heuer die VIP-Pakete aus.