LA FORCE DE L'ART: GEWÄCHSHAUS FÜR AKTUELLE KUNST
Michel Blazy: Le Passage, 2009, Installationsansicht, diverse Materialien, Courtesy: Art: Concept, Paris, alle Fotos: Didier Plowy/La force de l'art, 2009.
Damien Deroubaix: Ausstellungsansicht, diverse Materialien, Courtesy: In Situ - fabienne leclerc, Paris
Philippe Perrot: L'homme invisible, 2007, Öl und Antiseptikum auf Leinwand, 80 x 100 cm, Sammlung: Rosa & Carlos de la Cruz, Courtesy: Art: Concept, Paris
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Die Pariser Triennale „La force de l’art“, die sich als französische Antwort auf die Whitney Biennale verstanden haben will, hinterlässt ein sehr gemischtes Bild von aktueller französischer Kunst.
Dass die Übersichtsschau „La force de l’art“ im Pariser Grand Palais keine klassisch kuratierte Ausstellung geworden ist, in der sich Exponate aufeinander beziehen oder demselben Themenfeld entstammen, entspricht ihrem Programm. Schließlich soll die Triennale die Diversität der aktuellen französischen Kunst widerspiegeln und deren verloren gegangene „Kraft“ – die der typisch französisch-unbescheidene Titel beschwört – wiederbringen. Dass aber auch diese magische „Kraft“ in ihrer Ausprägung stark zwischen den einzelnen Werkgruppen schwankt, ist bedauerlich, reflektiert jedoch offenbar den aktuellen Pariser Geschmack.
So scheint bei vielen der 41 Künstler im Grand Palais das Konzept eine größere Rolle zu spielen als die visuelle künstlerische Präsentation – das aus Schaumstoff-Schneeflocken gebaute Iglu von Le Gentil Garçon etwa bleibt verspieltes Design für große Kinder, selbst wenn es auf naturwissenschaftlicher Reflektionen basiert. Wiederholt stehen gefällig-minimalistische Skulpturen oder Design-/Bauhauszitate, die in ihrer Größe die „Kraft“ zu finden suchen, verloren in der dem Glashaus eingeschriebenen White-cube-Ausstellungsarchitektur und wecken die Assoziation zum Messe-Ausstellungs-Zwitter „abc“, den Galeristen vergangenen Herbst in Berlin ins Leben gerufen haben. Wo bleibt der Neuwert, wo versteckt sich die Kraft?, muss sich fragen, wer bei Kenntnis Gordon Matta-Clarks Arbeiten auf ein in zwei Hälften geteilten, selbst konstruierten Yuppie-Bungalow stößt.
Dennoch gibt es auch Interessantes zu entdecken, etwa die alternde Installation von Michel Blazy, der in zwei unzugänglichen, selbst geschaffenen Räumen mit erdigem Boden und netzartigen Wänden aus grünem Klebstoff einen Riesenzahn aus Polyurethanschaum, Eiern, Paniermehl, Schokoladenpudding und gezuckerter Kondensmilch neben verspätete ‚Ostereier’ aus Agar-Agar setzt, die unter der starken Sonneneinstrahlung rapide ihre Form und Farbe verändern. Fragen zur Vergänglichkeit sowie dem Sinn und Bestand eines Kunstwerks wirft auch Wang Du’s Installation „International Kebab“ auf, bei der aufgestapelte Fotos auf einem immensen Spieß rotieren und auf drei Etagen vom Besucher beschnitten werden können. Kunst als Konsumgut wird hier ebenso reflektiert wie die Übermacht an Bildern.
Der amerikanisch geprägten Konsumgesellschaft, in der Werbung und politische Propaganda nahtlos ineinander übergehen, hält Damien Deroubaix mit seinen großformatigen Aquarellen einen Spiegel entgegen. Für den Grand Palais hat der Maler zudem drei 5,50 m hohe Skulpturentürme gebaut, die auf Wach- und Ölbohrtürme rekurrieren und politische Macht hinterfragen. Wie sein Raum dürfte auch der von Philippe Perrot, dessen expressiv-surrealistisch gemalte Gruselmärchenbilder sehr museal präsentiert werden, viele Besucher ganz besonders interessieren. Denn beide für Frankreich untypische (und daher im Ausland lebende) Maler zählen zu den vier diesjährigen Kandidaten des Prix Marcel Duchamp, der im Herbst auf der Kunstmesse Fiac verliehen wird.
Letztlich muss das Resümee zur zweiten Auflage der Triennale also gemischt ausfallen, sie ist aber als Fortschritt zum ersten Versuch zu sehen, in dem 15 (statt nun drei) Kuratoren mehr als 200 Künstler präsentierten. Die Messe-Assoziation konnte sie heuer aber trotz einiger gut konzipierter Einzelausstellungen nicht ganz abschütteln, was nicht zuletzt dem Ausstellungshaus selbst geschuldet ist, das neben weiteren Messen jeden Herbst die Fiac beherbergt. Erfreulich ist allerdings, dass versucht wurde, vor allem jungen Künstlern eine Plattform zu geben, und die älteren Bekannten wie Daniel Buren oder ORLAN nur als „Visitors“ eine Art Rahmenprogramm an prominenten Orten von Paris liefern. Der Boden ist der jungen zeitgenössischen Kunst bereitet, jetzt muss diese nur noch auf ein konstanteres Niveau heranwachsen.
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Grand Palais: La Force de l’Art
GREENHOUSE FOR CONTEMPORARY ART
The exhibition “La Force de l’Art” at the Grand Palais in Paris is deliberately not meant to be a classically curated exhibit, displaying works relating to one another or based on the same theme. The second edition of the triennial exhibition aims at reflecting the diversity of contemporary French art and returning its lost “power”; something evoked in the typically French immodest title. But it is regrettable that the peculiarities of this magical “power” fluctuate so heavily among the various work groups – obviously a reflection of the current Parisian taste.
For the majority of the 41 artists at the Grand Palais, the concept seems to play a greater role than the visual presentation. Repeatedly one will find appealing minimalistic sculptures or design- and Bauhaus citations lost in the White-Cube exhibition architecture, which incite associations to the fair/exhibition hermaphrodite “abc”, founded in 2009 by gallery owners in Berlin. Where is the value of novelty, where is the power hidden? – a question that arises when viewing Gordon Matta-Clark’s works of a self constructed yuppie bungalow divided into two halves.
But there are some interesting objects displayed – among them Michel Blazy’s installation, in which he positions a humungous tooth made of polyurethane, eggs, panning flour, chocolate pudding, and sweetened condensed milk next to late agar Easter eggs - all of which changes its form and colour through the strong sunlight and is placed inside two inaccessible rooms with earthy floors and net-like walls made of green glue. Questions on transience as well as the meaning and stability of art also arise through Wang Du’s installation “International Kebab”: stacked photos rotate on a huge spit, spanning over a height of three floors, which can be cropped by visitors. Art perceived as a consumer product is being reflected in the same way as the superiority of images.
With his large format aquarelles, Damien Deroubaix holds a mirror up to the obviously US-influenced consumer society, where advertising and political propaganda seamlessly flow into one another. The painter constructed three 5.50 m tall towers for the Grand Palais, which refer to watch towers and oilrigs and question the meaning of political power. Philippe Perrot presents creepy fairy tales painted in an expressive-surrealistic manner. Both of these rather untypical French painters, who prefer to live abroad, are among the four candidates for this years Prix Marcel Duchamp, which will be awarded at the art fair Fiac this fall.
Compared to the first edition of the triennial, in which 15 curators (instead of now three) presented 200 artists, this year’s exhibit clearly made progress. But it could not cast off its “trade fair” image, despite some well-arranged solo exhibits. This has a lot to do with the location, as the Grand Palais accommodates many trade fairs, including the Fiac. In any case it offered young artists a platform, while older artists such as Daniel Buren and ORLAND presented their work as “visitors” at well-known locations in Paris. The groundwork for young contemporary art has been laid – now it only has to steadily evolve.
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bis 01.06.09
Grand Palais,
Avenue Winston Churchill 75008 Paris
www.laforcedelart.fr/02
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Veröffentlicht im artmagazine.cc: http://www.artmagazine.cc/content41579.html
translated by: Liz Wollner-Grandville for artmagazine.cc
http://www.artmagazine.cc/content41676.html