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CONNY BECKER
 

LIVING ROOM - ZU DEN KÜNSTLERN

STEFAN ALBER
Untitled, 2017
MDF, gefräst, lackiert, 383 cm x 85 cm

Stefan Alber hat eigens für die Ausstellung eine raumgreifende Skulptur konzipiert, die sich auf die amerikanische Innenarchitektin Dorothy Draper, genauer: auf das Ausstellungsdesign der ihr gewidmeten Übersichtsschau The high style of Dorothy Draper im Museum of the City of New York bezieht. Draper war bekannt für ihre strengen Schwarz-Weiß-Kombinationen, die sie mit floral gemusterten Tapeten und neobarocken Polstermöbeln kontrastierte.
Stefan Alber korrigiert die besagte Ausstellungsarchitektur, kippt einen Torbogen auf den Boden und greift damit ebenfalls die Raumstruktur des tête auf. An der Grenze zwischen benutzbarem Möbel und künstlerischer Arbeit wird seine Skulptur im Laufe der Ausstellung als Präsentationsfläche, Sitzgelegenheit und Konzertbühne dienen.
JANE BERAN
Erna, 2017
Video, 19 min, Loop

Jane Beran baut Rauminstallationen, auf die sie Diapositive projiziert. Diese puzzleartigen Bild-Raum-Kompositionen können selbst die künstlerische Arbeit bilden oder sie werden von Beran fotografiert bzw. gefilmt, wodurch erneut eine weitere Ebene entsteht. Das Video Erna gehört zur Reihe der Farbfilm Notizen, bei der sich die Künstlerin eines privaten Archivs bedient. Die zahlreichen Schichten in der Entstehung der Arbeit scheinen den Prozess des Erinnerns zu spiegeln, den Beran mit dem Verwenden von altem Fotomaterial unweigerlich anspricht. Zudem schwingt in der Arbeit ein memeto mori mit. Der Film zeigt Momente in einem Wohnzimmer aus einer längst vergangenen Zeit.
MARTIN DAMMANN
Abgang, 2003
Video, 1 min, Loop

Für das Anfang der Nullerjahre entstandenen Video Abgang lässt Martin Dammann eine von oben gefilmte Modelllandschaft, auf die Autos, Häuser etc. lose gestellt waren, aus dem 4. Stock eines Wohnhauses fallen. Die Video-Kamera, die selber mitfällt, aber von einem Bungee-Seil abgefangen wird, filmt die sukzessive Auflösung des Modells während des freien Falls und seine vollständige Zerstörung beim Aufprall. Im Moment der Auflösung scheint die Kamera kurzzeitig durchs Weltall zu fliegen, dabei Bilder von taumelnden Felsbrocken und Häusern zu übertragen, und durch die daraufhin erscheinende reale Szenerie des Hinterhofes die Sehnsucht nach der Auflösung der eigenen Welt und Vorstellungsbilder zu unterstreichen.
INGO GERKEN
Alles in Allem, 2017
drei rechteckige Spiegel mit Rahmen, 30,7 x 25,7 cm

Untitled, 2007
Spiegel, Pantoffel

Ingo Gerken ist für seine subtilen Eingriffe in Alltägliches bekannt. Treffen kann es sowohl Gebrauchsgegenstände, Kunstkataloge, Fotografien als auch ganze Räume, alles wird leicht um- und überformt, so dass Zweck und Funktion infrage gestellt werden und sich neue Blickwinkel ergeben. Für Living Room hat Gerken die Arbeit Alles in Einem erdacht und Spiegel auf Spiegel auf Spiegel montiert, wodurch diese zwar nicht gänzlich ihre Funktion verlieren, eine Ganzkörperbetrachtung aber durch die einzelnen Rahmen erschwert wird. Diese hybride Wucherung von Dingen lässt an Bruno Latour denken, der Gegenständen eine formative Kraft, eine ‚agency’ zuschreibt. Dinge werden zu ‚Aktanten’ und lenken nicht selten unser Handeln.
MARIOLA GROENER
Welt, 2014
Plastik, Holz, Glas, 45 x 20 x 20 cm

Study, In Elevation III, 2014
Kunststoff, Aluminiumfolie, Lack, 25 x 17 x 13,5 cm

Palmea, 2009
Plastik, Holz, ca.140 x 50 x 50 cm

Mariola Groener ‚produziert’ keine Kunst, sie lässt sie vielmehr passieren oder ebnet den zufälligen Begegnungen von Plastikblumen und Vasen mit Korkenziehern und Lampenständern ihren Weg. So entstehen aus Alltagsgegenständen mal dadaistisch-absurde, mal poetisch-surreale Arbeiten. Ihrer Funktion und ihres originären Kontextes enthoben scheinen Groeners Objekte einen Eigensinn zu haben, mit dem sie uns, ihre Schaffer und Besitzer, herausfordern und hinterfragen oder leicht belächeln.
SIBYLLE JAZRA
Untitled, 2014
Eiche, Schallplatte, Glas, Holzstäbchen, 40 x 50 x 16 cm

X, 2017
Eiche, Schallplatte, Glas, 40 x 50 x 16 cm

Spy, 2017
Eiche, Schallplatte, Tuch, 40 x 50 x 16 cm

Sibylle Jazra arbeitet mit kulturellen Überresten, wobei sie die verschiedensten Elemente zu ‚konstruktiven Dissonanzen’ verbindet. Unter brauchbarem, künstlerischem Material versteht sie gleichermaßen erfahrbare wie haptische Dinge, deren genuiner gesellschaftlicher Zweck stets als Referenz in die von ihr geschaffenen neuen Bedeutungszusammenhänge einfließt. Über emotionale Bezüge zu ihrer Biografie, die bei ihrer Auswahl eine wichtige Rolle spielen, erschafft Jazra künstlerische Kommentare, die als poetische, fragile Balanceakte oder raumfüllende Materialkonglomerate im Raum stehen.
MYRIAM MECHITA
Malerei der Renaissance, 2015
Buch, herausgeschnittene Bilder, Siebdruck

Myriam Mechita mag es, sich in Sprache zu verlieren. Sie eignet sich die Wörter (oder ganze Bücher) der Autoren an und findet so ein eigenes Ausdrucksmittel. In einigen Buchobjekten folgt sie einem formalen Ansatz und überklebt Sätze oder ganze Paragraphen mit Klebeband, so dass die belassenen Wörter und Sätze neue Bedeutungszusammenhänge formen und visuelle Poesie entsteht. In anderen gibt sie ihrer barocken Ader nach und überzieht die oft per Siebdruck farbig veränderten und mit Motiven überlagerten Seiten mit Strasssteinen, Glas- oder Bronzeobjekten. Hier verliert sich die Sprache mehr und mehr bzw. wird von einer anderen Ausdrucksform ersetzt.
EVGENIJA WASSILEW
(Dis)Sonata, 2017
Holz, MDF, Grillen, Steine, Äste, Pappe, Insektennahrung, Wärmelampe, Mikrofon, Harmonizer, Verstärker, Lautsprecher

Was wie heimische Lautsprecherboxen anmutet, sind vielmehr Miniatur-Soundstudios und gleichzeitig Biotope für Mittelmeergrillen. Entworfen hat sie Evgenija Wassilew, die den Insekten im halbstündigen Intervall den zweiten Satz der ‚Solosonate für Violine Sz. 117 - Fuga, Risoluto, non troppo vivo’ von Béla Bartók vorspielen lässt. Ein Mikrofon registriert das Zirpen, verstärkt es und leitet es in einen Harmonizer, der Tonhöhe und Frequenz analysiert, die Zirplaute mit dem Geigenspiel harmonisiert, das heißt ihre Tonhöhe verändert, und durch benachbarte Lautsprecher wiedergibt. So ergeben sich drei Klangebenen – die der Grillen, die der Violine und die der Übersetzung –, welche sich mal melodisch, mal kakophonisch überlagern.