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CONNY BECKER
 

POLITISCH AUF DEN ZWEITEN BLICK - POLITICAL/MINIMAL IN DEN KUNST-WERKEN

Derek Jarman: Blue, 1993
Blu-ray DVD, 74 min.
Courtesy Basilisk Communications
Photo: Liam Daniel
Francis Alÿs: Paradox of Praxis, 1997
DVD; 5 min., Loop, Dimensions variable with installation
Courtesy David Zwirner, New York
"Political/Minimal", KW Institute for Contemporary Art, Berlin, Installationsansicht
links: Alfredo Jaar: Unseen (100 days in 1994), 1997
Foto: Uwe Walter
Das ‚Monochrom’ im von Yves Klein patentierten International-Klein-Blue dauert 74 Minuten – und verlangt vom Besucher eine neue Art der Kunstbetrachtung. Denn Derek Jarman zeigt in seinem Film „Blue“ tatsächlich nichts als die Farbe Blau, abgesehen von den sich immer wieder einschleichenden weißen Staub-Blitzen im 35 mm-Film. Perfekt und glatt scheint die Arbeit schon deswegen höchstens beim flüchtigen Blick. Entgegen der visuellen Monotonie wechseln sich verschiedene Sprecher ab, die, wie auch Jarman selbst, Auszüge aus dem Tagebuch des an Aids erkrankten Künstlers vortragen; von seinem schlechten Gesundheitszustand und Ängsten erzählen, die potenziellen Nebenwirkungen seiner Medikation auflisten und über die Situation von Homosexuellen und HIV-Infizierten ebenso reflektieren wie über die Hybris bei Charity-Veranstaltungen.

Jarmans Arbeit steht exemplarisch für die meisten Werke in der von Klaus Biesenbach kuratierten Ausstellung in den Berliner Kunst-Werken, in der die minimalistische Form zumeist mit einem erklärenden Text verbunden ist, der den zunächst nicht erkennbaren politischen Inhalt oder Bezug offenbart. Damit sind die präsentierten Künstler deutlich von den Minimalisten der 1960er zu unterscheiden, die nichts Narratives, keine Außenwelt, nur das Werk und seine Wirkung auf den Betrachter akzeptierten.

Bei diesem neueren künstlerischen Vorgehen handelt es sich zum einen um eine Kritik an den reduzierten Formen des Minimalismus und deren postulierte Autonomie: Hans Haake unterstreicht bereits 1963-65 mit seinem „Condensation Cube“, dass ein Werk sehr wohl von seiner Umgebung bedingt ist. Einige Arbeiten können auch als ironische Anspielung gelesen werden: Francis Alÿs scheint in stundenlanger Sisyphosarbeit mit einem langsam schmelzenden minimalistischen Eisquader gleichsam die gesamte auf Form und Material reduzierte Kunstrichtung zu Grabe zu tragen.

Zum anderen greifen Künstler auf die minimale Form zurück, wenn sie wie Jarman ihre Themen als nicht gegenständlich darstellbar erachten. Alfredo Jaar hielt zum Beispiel seine Fotos vom Genozid in Ruanda angesichts des realen Dramas für zu schwach, so dass er stattdessen die für sie vorgesehenen Leuchtkästen zur Wand drehte. Nun erinnert nur noch der an den Rändern entweichende Lichtrahmen an die ursprüngliche, hier negierte Funktion und damit an das Nicht-Darstellbare. Vor den hellen Wänden in den Kunst-Werken verliert die Arbeit allerdings an Kraft, ihr mythischer Lichteffekt wird durch die Inszenierung leider geschluckt.

Generell ist in der Ausstellung zu fragen, ob das jeweilige Werk auch ohne eine Erklärung, für sich wirkt, wenn es ästhetisch wenig innovativ daherkommt. Der Gefahr der visuellen Belanglosigkeit müssen sich die konzeptuell aufgeladenen Arbeiten nach 40 Jahren Gewöhnung an den Minimalismus stellen.

Kunst-Werke Berlin – Institute for Contemporary Art
Auguststr. 69, 10117 Berlin, bis 25.01.09
www.kw-berlin.de

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