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CONNY BECKER
 

ZARTER SCHLEIER ÜBER HARTEN FAKTEN

Ausstellungsansicht von „The Glass Veil", Foto: Suzanne Anker
Die amerikanische Künstlerin Suzanne Anker liefert mit ihren Fotos einen neuen Blick auf die historischen Präparate von Rudolf Virchow und reflektiert mit ortsspezifischen Arbeiten die Geschichte des Berliner Medizinhistorischen Museums der Charité.

Diesen Sommer zeigt die Charité einmal mehr, wie ein gelungener Dialog zwischen Kunst und Wissenschaft aussehen kann, und verwandelt dafür die Hörsaalruine des Klinikums Mitte in einen Showroom für zeitgenössische Kunst. Die Eröffnung der Ausstellung „The Glass Veil – Der gläserne Schleier“ war zudem gekoppelt an das internationale Symposium „Emotion and Motion“ vom Zentrum für Literatur- und Kulturforschung Berlin, in dem Neurophysiologen, Psychologen, Philosophen und Kunsthistoriker zum Grenzbereich zwischen Neuroästhetik und Emotionsforschung referierten. Eben diese Schnittstelle zwischen den Disziplinen erkundet die amerikanische Künstlerin Suzanne Anker mit den präsentierten Arbeiten, für die sie ihr künstlerisches Auge unter anderem auf die medizinische Forschung Rudolf Virchows richtete.

Mit ihrer Kamera bewaffnet, besuchte sie nicht nur die Dauerausstellung mit seiner circa 750 konservierte Organe umfassenden Präparatesammlung, sondern auch die für Museumsbesucher nicht einsehbare Kapelle. Was sie von dort mitbrachte, sind keine wissenschaftlich nüchternen Bilder, sondern sehr ästhetische Aufnahmen, die die harten wissenschaftlichen Tatsachen in einem sanften Schleier zeigen. „Wenn die Bilder nur Horror oder Ekel hervorrufen, schaut keiner sorgfältig hin. Ich möchte die Möglichkeit geben, sich die natürliche Form wirklich anzusehen“, sagt Anker im Gespräch mit der PZ. Und so wird das Bild eines präparierten Gehirns durch die Distanzierung via Fotografie und starker Vergrößerung zur Ikone der Neurowissenschaften.

Gelungener Bezug zur Ruine

In der Ausstellung wirken die Fotos wie ein Teil des Raumes, üben sich mit ihren dezenten Farben, unterschiedlichen Größen sowie den sehr variierten Aufhängungshöhen in Mimikry und fallen erst auf den zweiten Blick ins Auge. Gelegentlich gleichen sie Fenstern in der Hörsaalruine, durch die man meint, auf die Schätze der Sammlung blicken zu können. Wohl selten passte eine Ausstellung besser in die sehr dominante Architektur, die fast ungeschminkt ihre Wunden präsentiert: Nur notdürftig wiederhergestellt, ist die Hörsaalruine ein Denkmal für sich, ein Mahnmal für den Zweiten Weltkrieg, an dessen Ende eine Fliegerbombe sie größtenteils zerstörte; und damit eine Herausforderung für Künstler, deren Werke sich gegen die Aura der rauen Materie und der wechselnden Hintergrundstruktur durchsetzen müssen. Ankers Fotos gelingt dies; mehr durch Eingliedern als durch Übertrumpfen.

Vor allem scheint die Ruine jedoch nach Skulptur zu verlangen, was auch Anker so empfunden hat. Da der Raum parallel für Veranstaltungen wie das inderdisziplinäre Symposium nutzbar bleiben musste, entschied sie sich für eine „skulpturale Intervention von oben.“ Durch die Geschichte inspiriert, schuf die Künstlerin die zwei Installationen „Das Gravitationszentrum“ und „Aufsteigende Quallen“, für die sie kleine weiße Fallschirme umgekehrt von den losen Eisenstreben der Decke hängen ließ. Zum Teil an ihrer Spitze mit Pendeln beschwert, scheinen sie sich dennoch der Schwerkraft entgegenzustellen; ihrer ursprünglichen Funktion beraubt, erinnern sie dennoch an die Berlin-Blockade durch die Sowjets 1948/9 und die sie beendenden US-amerikanischen Rosinenbomber.

Nicht zuletzt wirken die scheinbar schwerelosen Skulpturen wie Geister und referieren damit nicht weniger auf den historischen Ort. Auch wenn Anker diese geschichtsbeladenen Assoziationen als Basis für die ortsspezifischen Arbeiten dienten, wirken diese leicht und beschwingend – zumal sie an flexiblen Bändern befestigt sind und somit bei Berührung sanft auf und ab schweben, gleich den namensgebenden Quallen im Wasser. „Ich wollte dem Gewesenen ein positives Gefühl entgegensetzen“, sagt Anker, die gern mit Gegensätzen zu spielen scheint und auch in negativ Konnotiertem Positives entdeckt.

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The Glass Veil. Bis 6. September 2009. Di-So 10-17 Uhr, Mi+Sa bis 19 Uhr. Medizinhistorischen Museum der Charité, Charitéplatz 1, 10117 Berlin; www.bmm.charite.de.