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DENNIS RUDOLPH
 

DIE ORDNUNG DER DINGE: ZU DENNIS RUDOLPHS „DIE FREUDEN DER FRANZÖSISCHEN REVOLUTION.“


Eine schwarze Sonne, gehalten von zwei Engeln, nicht ganz verdeckend die Sonne der alten Zeit, die Sonne, die mit dem Herrscher eins war und dem Volk das Licht. Die Metropole nimmt das Schwarze auf, ragt heraus wie eine Insel aus dem Unbekannten. Nein, nicht aus dem Unbekannten, sondern aus dem, was gar nicht mehr gewusst werden kann, was kein Gegenstand der Erkenntnis, noch nicht mal ein Gegenstand der Wahrnehmung sein kann. Karnal muten sie vielleicht auf den ersten Blick an, die Freuden der Französischen Revolution. Sie sind es nicht. Partialobjekte, wie abgeschnittene Köpfe, regieren die Szenen. Wie bei Sade, eine Auflistung, Aufteilung, lange kein Narrativ mehr. Foucault hat mit Sade die Grenze der Repräsentation erreicht gesehen. Danach kommt der Mensch, der Humanismus, und sein Widerspruch: zugleich vollständig Gegenstand des Wissens zu sein, eingeordnet in die Evolution, in die Geschichte der Sprachen, der Lautverschiebungen, psychologischer Träger der Mechanismen des Marktes. Die Hand des Künstlers, graphische Maschine, zeichnet diese Entwicklung nach, gleichgültig vielleicht, dass es den Namen Dennis Rudolph gibt, um die Hand zu bezeichnen. Sie weiß mehr, scheint es, denn sie geht über all diese Schemata hinaus, lacht über die Scham, die nicht die Scham vor dem Obszönen ist, sondern vor der Ernsthaftigkeit in diesem Willen zur Kunst, der keinen Autor hat. Sie lacht, aber das Lachen hallt nicht wieder in dem Wiedererkennen des Humors. Es ist kalt, bitter, drängend. Leicht wäre es zu sagen, das ist doch vorbei. Wir sagen es alle Tage. Und jedes Mal sagen wir es auch, um zu verdrängen, dass doch alles noch gar nicht vorbei ist: Repräsentation, der Mensch. Nicht nur der Bruch zwischen beiden, sie selbst, also die Tableaux der Verweise und diese sinngebende Einheit, dieser einheitsstiftende Sinn: Mensch. Sie sind unter uns, sind uns unterlegt, sind Subjekt. Der Mythos des 21. Jahrhunderts? Dass das alles schon vorbei wäre.

Aber mehr noch: Eins nach dem anderen, dass ist nicht nur die Vervielfältigung, zu welcher die Graphik, der Buchdruck das erste Beispiel zu liefern schien, bis wir merkten, dass die Schrift immer schon jedes Sprechen, jede Linie, jede Form figuriert als Wiederholung. Eins nach dem anderen, dass ist auch die Manie, nach der Depression. Die Ironie hat uns die Performativität gegeben, auch gerade die des Künstler-Seins. Noch eins, noch mehr, noch eine Linie, noch ein Strich, den Pinsel neben den Griffel und diesen neben den Bleistift gelegt, eine Gleichheit unter den Formen, Genre, Materialien: Egalite - Freude der französischen Revolution! Vielleicht sollte Dennis Rudolph nie wieder ein Gemälde ohne Graphik, nie wieder eine Graphik ohne Gemälde ausstellen: Egalite. Die Namen, die wie eine Matrix über den Augen liegen: Sade, Koslowski, Bellmer. Bataille. Unwichtig, wenn man sie so gelesen hat, als wäre Wahrheit in der Überschreitung, in der Transgression oder Lust. Das ist der Affekt dieser Wiederholung: Trauer, welche den manischen Schwung der Graphik steuert. Lächerlichkeit, welche der Sehnsucht nach Tiefe begegnet. Hoffnung, im Jenseits der Transgressionen nur etwas zu schaffen, was schon da war. Und wieder verschwinden kann.

F.Ensslin Venedig 26. April