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DOREEN MENDE
 

THE IDEA OF NORTH ALISON HRABULIK, ZIN TAYLOR, RON TERADA KURATIERT VON DIETER ROELSTRAETE ISABELLA BORTOLOZZI GALERIE

Zin Taylor: Put your Eye in your Mouth, 2006, Videostill
The Idea of North
23. Januar bis 3. März 2007

KünstlerInnen: Alison Hrabulik, Zin Taylor, Ron Terada
Kurator: Dieter Roelstraete
Isabella Bortolozzi Galerie

Seit ihrer ersten Ausstellung im September 2004 (mit einer Einzelschau des slowenischen Konzept-Künstlers Julius Koller) präsentiert die Galeristin Isabella Bortolozzi vor allem konzeptuelle oder ortsspezifische und oft sehr junge wie auch unbekannte Positionen. Bortollozi artikuliert mit einem kuratorisch angelegten Ausstellungsprogramm ein kritisches Statement gegenüber einer auf Verkauf ausgerichteten Präsentation von Kunst in Berlin – der Stadt mit den meisten Galerieneugründungen.

Für die Gruppenausstellung The Idea of North mit drei kanadischen KünstlerInnen lud Isabella Bortolozzi den belgischen Kurator Dieter Roelstraete ein, der Ausstellungsleiter am MuHKA in Antwerpen ist. The Idea of North zeigte zwei junge, in Deutschland bisher unbekannte KünstlerInnen: Allison Hrabluik und Zin Taylor, beide 1977 geboren. Mit Ron Terada aus Vancouver, geboren 1969, ist ein dritter Künstler vertreten, der vor allem mit seinen den Ausstellungskontext befragenden, oft auch ortsspezifischen Arbeiten auffällt. Seine aus Fotografie und installativer Skulptur bestehende Arbeit, die für die Ausstellung entstanden ist, lieferte auch den Ausstellungstitel.

Man denkt bei The Idea of North aus eurozentristischer Sicht zunächst an Skandinavien. Aber es geht hier um einen anderen Ort im Zentrum der Peripherie. Glenn Gould, epochaler Pianist des 20. Jahrhunderts aus Toronto, arbeitete in seinen einzigartigen Radio-Dokumentationen mit den sprachlichen sowie natürlichen Klängen des Nordens, die die kanadische Ostküstenlandschaft hörbar konstituieren: 1967 produzierte er das kontrapunktische Radiostück The Idea of North, das auch Grundlage für eine Filmdokumentation über ihn wurde. Ron Terada, der das Poster-Projekt Soundtrack for an Exhibition (2000) realisierte und sich in Arbeiten wie Entering the City of Vancouver (2002) mit seinem Heimatort beschäftigt, wird Goulds auditive Idee des Nordens sicher nicht unbekannt sein. Teradas gerahmte, fotografische Aufnahme im Eingangs- / Bürobereich der Galerie zeigt ein in einen Metallkübel eingepflanztes Schild aus Holz, das aus einem Baumstamm im Stück geschnitten wurde. In Auftrag des Künstlers wurde mit professioneller Hand der Schriftzug The Idea of North eingekerbt. Diese Aufnahme thematisiert nicht nur Benjaminisch die dargestellte Skulptur, die zur Arbeit gehört – jedoch nicht ausgestellt war, sondern transportiert zudem eine Perspektive auf die Idee von Lokalität, die sich in allen drei Arbeiten auf unterschiedliche Weise wieder findet. Terada verwendet ähnlich wie Gould ein natürliches, ortsverbundenes, hier buchstäblich verwurzeltes Material, um es aus seinem ursprünglichen Zusammenhang herauszulösen. Das Holz wird zum Textträger und zum Display einer kulturellen und geografischen Deklaration. Zugleich wird es durch die Gestalt einer Informationstafel, ein von Terada häufig benutztes Format, auch zum Zeichen für Repräsentationsstrategien im öffentlichen Raum wie auch im Ausstellen von Kunst. Von welcher Perspektive aus wird auf den Norden geschaut? Wer formuliert diese Vorstellung? Was für eine Idee/Konzeption wird hier angeschlagen?

Die Perspektive auf konkrete Orte spielt eine vielmehr gleichnishafte Rolle bei Storyboard for Burley, Idaho (2006) von Allison Hrabluik. Anders als Terada wendet Hrabluik einen explizit persönlichen Blick auf konkrete landschaftliche Orte an, stellvertretend für die Idee von Lokalität und Verortung. Die Künstlerin, die als Kind zeitweilig auf einer Farm im nördlichen Kanada aufwuchs, ging zum Kunststudium nach Antwerpen. Jeder, der sich für längere Zeit im Ausland mit fremder Sprache und Kultur aufhält, kennt das Gefühl, wenn die Idee von Zuhause aus einem ausgewählten und jederzeit abrufbaren Depot aus Bildern besteht. Wie alle Heimatfremden kennt auch Hrabluik diese visuelle Methode des Sammelns, um zu erinnern und zu berichten. Mit dieser Methode eignet sie sich auch fremde Orte an: Storyboard for Burley, Idaho ist ein Tableau aus zwölf fotografierten, gezeichneten, gemalten oder collagierten Blättern, die etwas mit ihrem Besuch einer Hochzeit in Burley zu tun haben müssen. Die Motive wirken wie Erinnerungsstücke und fügen sich zu einem Mosaik zusammen, in dem Fiktion und Realität nicht mehr zu unterscheiden ist. Zwischen Blumenstrauß, TV-Gerät oder Teebeutel, die ähnlich wie der Mond in einem luftleeren schwarzen Raum zu schweben scheinen, zeigt eine fotografische Aufnahme eine in einen Wintermantel eingehüllte Person – es ist die Künstlerin selbst, die sich zum Erinnerungsfoto aufgestellt hat. Diese Aufnahme kann jedoch nicht in Burley aufgenommen worden sein, da Hrabluik den Ort im Sommer besuchte. Burley im US-Bundesstaat Idaho ist also als wirklicher Ort unwesentlich. Er ist Projektionsfläche: er ist „einer der geheimnisvollsten Orte der Gegenwart, und deshalb der ideale Schauplatz und Ausgangspunkt für eine metaphorische, legasthenische Erzählung“ (Hrabluik in der Pressemitteilung). Auch diese Arbeit wurde zum ersten Mal bei Bortolozzi gezeigt, steht aber im direkten Bezug zu ihrem stop-motion Animationsfilm Rossendale (2006), der offensichtlich aus Platzgründen zugunsten des Beitrags ihres Künstlerfreundes Zin Taylor in der Ausstellung leider nicht zu sehen war.

Zin Taylor outet sich in seiner mehrteiligen Arbeit Put Your Eye in Your Mouth in vielen liebevollen Details als Kippenberger-Fan und trifft damit einen aktuellen, verführerischen Nerv der Kippenberger-Begeisterung in Kunstzentren wie New York, London oder Düsseldorf. In seinem Textbeitrag für einen Kippenberger Katalog geht Roberto Ohrt 2004 auf diese nicht nur generationale Affinität treffend ein: „Admireres has been steadily increasing in numbers, especially among young people. In some art colleges his example is researched almost as though it formed part of basic studies ... with their background humor and a sharpness of representation that often deploys extreme malice without beating around the bush.“(1) Die conversational documentary recording Martin Kippenberger's Metro-Net Station in Dawson City, Yukon, so der Untertitel der aus Videoprojektion, Publikation und Plakaten bestehenden Arbeit, erzeugt ein Spannungsverhältnis zwischen dokumentarischer Hommage und findiger Persiflage über den deutschen Künstler, der 1995 die zweite Station des interglobalen Metro-Net in Dawson City in den Weiten des kanadischen Westens in der Nähe zu Alaska eröffnete. Im Besonderen mischen sich Fiktion und Dokumentation in der 22-minütigen Videoarbeit – ähnlich wieder einer Erinnerungstechnik, die hier nicht wie bei Hrabluik persönliches Erleben in ein Storyboard verwandelt. Vielmehr umgekehrt: die überlieferten Dokumente über das Metro-Net in Dawson City wie ein Interview mit dem Kippenberger-Freund und Metro-Net-Architekt Reinald Nohal, Mit-Gründer der legendären Paris-Bar in Berlin, sowie bisher noch nicht veröffentlichte Bunkhouse-Hotelzeichnungen sind Storyboard für Taylor. Durch die Pseudo-Dokumentation, teilweise auch in der Technik eines re-enactement, eignet er sich einen fremden Blick auf die Lokalität einer kanadischen Identität an. Zugleich wird die kanadische Heimat von dem jungen Künstler als Standort für Kunstproduktion befragt. Dawson inYkon, jenseits von Kunstspektakeln, scheint für ihn genau der richtige Ort zu sein, um sowohl unausweichliche Mythen der kanadischen Landschaft (Goldgräberrausch) als auch romantische Vorstellungen über ein Künstlerdasein zu überprüfen. Wesentlich ist, dass Taylor dabei nicht die Modellhaftigkeit der Vorlage aus den Augen verliert: Die Handbücher How to built a hotel, Klempnerarbeit‚ 1993 Landclaim Guide oder die North Umbria Archeological Society, est. 2105 sind exzellente Slapsticks, mit denen Taylor sich immer wieder vom Original unabhängig macht.

Mit The Idea of North unter der kuratorischen Konzeption von Dieter Roelstraete bestätigt Bortolozzi wieder einmal kontinuierlich ihre Ausstellungspraxis: hier wie an weiteren Kunstorten mit junger Kunst (Ausstellungsraum JET, croy nielsen, Joanna Kamm oder Giti Nourbakhsch), die sich zwischen laborhaftem Projektraum, Produktionsstätte und kommerzieller Galerie bewegen, finden in Berlin momentan die interessantesten Ausstellungsprojekte statt.

1) Roberto Ohrt, First the Feet, in: Thomas Groetz (Ed.), Kippenberger, Ausstellungskatalog, 2004

Text: Doreen Mende, April 2007

Veröffentlicht in Englisch: http://www.cmagazine.com