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DOREEN MENDE
 

WIEDER-ERÖFFNUNG DER GALERIERÄUME SPIKE ISLAND, BRISTOL

Galerie 1: Hayley Tompkins & Sue Tompkins
Galerie 2: Hannu Karjaleinen
Project Space: John Lawrence & Sarah Tulloch

Die Feinheit liegt im ernst nehmen des Bestehendem: Fast mimetisch, jedoch ohne historisierend zu werden, haben die Kunst-erfahrenen Londoner Architekten Caruso St John die vorgefundene Architektur von Spike Island artspace während der einjährigen Bauphase neu konfiguriert. In Zusammenarbeit mit den Glasgower Künstlerinnen Sue Tompkins und Hayley Tompkins ist eine Aktualisierung des Ausstellungs- und Studiohaus in Bristol gelungen, das definierter, großzügiger und entschiedener wirkt. Die Künstlerische Direktorin Lucy Byatt betont, dass KünstlerInnen in professioneller Umgebung professioneller arbeiten und ausstellen. Die Bedingungen dafür sind jetzt bereit gestellt.

Galerie 1 ist das Herzstück der neuen Ausstellungsfläche und steht sichtbar wie ein Raum im Raum in der ehemaligen Produktionshalle der Teeverpackungsfabrik. Die raue Struktur der unverputzen, geweißten Backsteinwände wurde für den neuen Einbau außen aufgenommen – innen aktiviert die Verkleidung mit weißen Wänden einen White Cube, der über zwei miteinander verbundene Geschosse mit einem Sheddach abschließt. Dennoch steht dieser prominente Präsentationsraum nicht in Konkurrenz zur umgebenden Galerie 2, die nunmehr auf eine Geschosshöhe reduziert, aber ansonsten in ihrem Ist-Zustand erhalten wurde.

Die räumliche Differenzierung (White Cube – Lagerhallenästhetik) wie auch Ortsbezogenheit (Produktion – Präsentation von Kunst) führt zu einer wohltuenden Klarheit der Raumordnung. Abgehend von der Hauptausstellungsfläche befinden sich zwei Projekträume, in denen junge Positionen wie John Lawrence und Sarah Tulloch, Absolventen der University of the West of England in Bristol, ausgestellt werden. Galerie 2 beherbergt als Eröffnungspräsentation eine aus drei verschiedenen Arbeiten bestehende Videoarbeit des finnischen Künstlers Hannu Karjaleinen: zum Beispiel die Projektion Man in Blue Shirt (2006) zeigt das Close-Up eines älteren Manns, der in Slow-Motion mit weiß-grauer Farbe übergossen wird. Wie ein Sog wirkt das Fließen der Farbe auf den Betrachter, der einer Metamorphose des Mannes zu einer ent-individualisierten Form gegenüber steht. Es ist faszinierend, wie die solitäre Projektion mitten im Raum die suggestive wie auch ästhetische Schönheit verstärkt.

Hayley Tompkins und Sue Tompkins, die Anfang 2006 bereits zum zweiten Mal ein kollaboratives Ausstellungsprojekt in der Andrew Kreps Gallery umsetzten und nun zum ersten Mal mit Caruso St John zusammen arbeiten, verwenden den Raum der Galerie 1 als Material. An den beiden kürzeren Seitenwänden flattern 30 bzw. 36 in kompakter wie auch loser Ordnung oder als Dyptichon mit Schreibmaschine beschriebene A2-formatige Papierseiten. Einzeln gleichen sie in Größe und Materialität einer grauen Seite Zeitungspapier, versehen mit jeweils Lautsprache, Wortfetzen oder kurzen Versen, die gleichzeitig Script der Cut-up ähnlichen einstündigen Sprach- und Laut-Performances von Sue sind. Die grauen Papiere lassen zerbrechliche Flächen entstehen, durch die die weißen Galeriewände ihrer passiven Funktion als Hintergrund enthoben sind: das Weiß zwischen dem Grau wird elementarer Bestandteil der Bildhaftigkeit.

Nur an einer Stelle überlappen sich Sue's Sprachräume auf Papier mit der nicht weniger fragilen Malerei ihrer Schwester: in knapp vier Meter Höhe hängt ein nicht zu großes Objekt, eingepackt in transparente orange-farbige Folie unter der eine gesichtsähnliche runde Form hindurch schimmert. Der Charakter einer soliden Malerei auf Leinwand ist kaum noch zu erahnen, aber genau diese Entfernung von Zuschreibungen ziehen sich durch Hayley's ausgestellte Arbeiten. Obwohl an den beiden anderen weitaus längeren Seitenwänden mehr Platz zur Verfügung stünde, ist die Hängung viel reduzierter und punktueller. Das ist wesentlich, denn jeder Versuch einer Gruppierung von mehreren der monochromen Papierarbeiten könnte oberflächlich als Dekoration missverstanden werden. Sukzessive eignen sie sich den Raum an bis die Papierarbeiten von Sue und die Malereien von Hayley mit dem Raum eine Montage-ähnliche Installation entstehen lassen, ohne ihre Eigenständigkeit zu verlieren.

Hier treffen die Praxis der beiden KünstlerInnen mit der der Architekten auf kongeniale Weise zusammen: Beide verbindet ein ausgesprochen komplexes Verständnis von einer situativen Balance zwischen Form, Struktur, Oberfläche und Material, ohne das Vorgefundene zu verwerfen.

Doreen Mende, Februar 2007

03. Februar – 25. März 2007, Spike Island artspace, Bristol
http://www.spikeisland.org.uk