artmap.com
 
ELLEN BLUMENSTEIN
 

KUNST IST EIN MÖGLICHKEITSRAUM, DER GESCHÜTZT WERDEN MUSS

In der aktuellen Debatte darüber, „was die Kunst“ braucht , wird je nach Interessenlage danach gefragt, was die Politik braucht/will, was der kommerzielle Sektor braucht, was die Institutionen brauchen, und auch (wenn auch meistens als Letztes), was die Künstler brauchen. Diese Auslegungen gehen aber am Kern der Frage vorbei, denn die fragt explizit nach der Kunst – und nicht nach ihren Akteuren. Dieses (un?)bewusste Missverstehen halte ich für symptomatisch insofern, als dass uns offenbar das grundsätzliche Einvernehmen darüber verloren gegangen ist, was Kunst ist und was sie braucht. Ich möchte folgende Definition vorschlagen: Kunst ist ein Möglichkeitsraum, der unsere Wahrnehmung und Erfahrung auf ein Jenseits von Tagespolitik oder gerade angesagten Thementrends hin öffnen kann. Wir benötigen solche Orte, die grundsätzlicher nach unserem Weltbezug fragen können und sich gerade dem nicht rational Erklär- und Verstehbaren öffnen.
Damit Kunst existieren kann, braucht sie einen geschützten Raum, der von den gegebenen politischen, ökonomischen oder anderen Zwängen frei ist. Solche Zwänge sollten, wenn überhaupt, von den Kunstwerken selbst verhandelt und nicht von den sie umgebenden Rahmenbedingungen diktiert werden.
Die Aufgabe aller Akteure im Kunstfeld ist es, die Bedingungen hierfür zu schaffen bzw. einen solchen Raum herzustellen und ihn zu sichern. Die Verantwortung von Politik, Kunstinstitutionen, Akademie, Kritik, Kuratoren, Betrachtern und auch Künstlern hierfür nimmt eine je spezifische Form an. In jedem Fall aber zeichnet sie sich dadurch aus, die eigenen (Sach- und anderen) Zwänge so zu strukturieren, dass diese Öffnung, die die Kunst verkörpert, davon frei bleibt.
Dieser Verantwortung muss sich jeder von uns stellen und die notwendigen Maßnahmen hierfür ergreifen.
Den Rest macht die Kunst allein.