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FRANZISKA FURTER
 

EVA SCHARRER, DIE ANDERE REALITÄT, REGIOARTLINE.COM

Eine andere Realität
17. 06. 2008
Eva Scharrer

Poetische Neuronen-
gewitter. Die Arbeiten von Franziska Furter führen in eine andere Wirklichkeit.
Bekannt wurde Franziska Furter (*1972) durch ihre extrem großformatigen Tuschezeichnungen von Landschaften oder Himmelskörper, die der visuellen Welt von Comics, insbesondere Mangas, entliehen waren. Diese fantastischen Kulissen wurden von Furter der Protagonisten und ihrer Sprechblasen – und somit ihrer ursprünglichen Narration – beraubt, mit anderen Elementen kombiniert, und mittels Fotokopierer ins Monumentale vergrößert. Es sind künstlich geschaffene Welten, in denen Explosionen, Feuersbrünste und grafische Verfremdungen apokalyptische Momente der Irritation und der Bewegung erzeugen. „Diese Bilder sehen zwar aus wie Schwarz-Weiß-Fotografie, doch existieren sie nicht in der Realität. Es sind Abbildungen einer erfundenen Welt – also einfach eine andere Realität“, sagt Franziska Furter über ihre Arbeit.

Eine neuere Serie von Tuschzeichnungen konzentriert sich auf Sonnenaufgänge und -untergänge. Die Reihe ist überbetitelt mit „FIN“, was an das Schlussbild eines Films denken lässt, die einzelnen Zeichnungen haben poetische Titel wie „FIN / you’ll have to wait till yesterday is here“ (2008). Die evokativen Titel sind immer ein wichtiger Bestandteil von Furters Werken, weisen sie doch über das Dargestellte hinaus, in eine andere, von Mystik, Science-Fiction und Fantasy inspirierte Dimension.

Im Juni findet man Franziska Furters Arbeiten gleich an drei Orten am Rheinknie: am Stand der Galerie Friedrich innerhalb der renommierten Art Basel, auf der Liste bei der jungen Malmöer Galerie elastic und zudem stellt Furter als diesjährige Preisträgerin der Alexander Clavel Stiftung im Wenkenhof in Riehen aus. In ihren neuesten Zeichnungen, die auf der Art Basel und der Liste zu sehen sein werden, hat sich Franziska Furter seit langer Zeit einmal wieder dem Bleistift als Zeichenmittel zugewendet sowie kleineren, intimeren Formaten. Entstanden sind diese Arbeiten in Berlin, wo die Basler Künstlerin seit ihrem London-Aufenthalt lebt. Die Serie trägt den Übertitel „vision“ und auch hier fand Furter die Vorlagen in Comics, Mangas und Filmen. Sie konzentrierte sich dabei auf eben jene Momente, die eine Vision, eine Halluzination, oder das Eintreten in andere Welten oder Geisteszustände beschreiben. Ohne Protagonisten bleiben von den Zuständen nur abstrahierte kosmische Sphären mit weißen Leerstellen übrig. Die individuellen Titel der einzelnen Zeichnungen sind Markennamen von Sedativen, also Beruhigungsmitteln und Antidepressiva, die etwa bei Schlaflosigkeit eingesetzt werden. So ist „vision / remeron“ – es zeigt einen blitzartigen Lichtstreifen oder eine Milchstraße in einem tunnelförmigen All – nach dem Antidepressiva Remeron benannt, „vision / versed“ hingegen nach einem gleichnamigen Beruhigungsmittel. Als mehrfache mediale Übersetzung von bildlichen Visionen und Jenseitserfahrungen bleibt auch die Rolle der Zeichnungen mehrdeutig – sollen sie als beruhigendes Mittel gegen Halluzinationen dienen oder lösen sie als Drogen jene halluzinogenen Momente erst aus?

Ambivalenz charakterisiert auch die skulpturale Arbeit „Soda Ash“, die in Riehen gezeigt wird. Aus schwarz glänzender Plastikfolie hat Furter ein dicht wucherndes, stacheliges Gewächs erschaffen, welches entfernt an Dornenhecken, Stacheldraht oder SM-Spielzeug erinnert, in Wirklichkeit aber harmlos und weich ist. Auch hier eröffnet der Titel eine weitere Rezeptionsebene: Soda Ash ist eine aus der Asche der Wildpflanze Salsola Soda gewonnene Substanz, welche zur Herstellung von Seife oder Glas benötigt wird, und unter anderem im 16. Jahrhundert essenziell für die Herstellung des berühmten Murano Kristallglas war.

In dem Barockschloss nimmt das eigentümliche Gewächs einen Seitenraum ein – wo es als gefährlich anmutender Fremdkörper an das Dornengestrüpp erinnert, welches das schlafende Dornröschen gefangen hielt. Doch gleichzeitig verweist es in seinem Titel auf das kreative Potential seiner Verwandlung in einen anderen Aggregatzustand.