DAS GRÜNE LEUCHTEN
Daniel Kannenberg: „Quit Quitting“, 2012, Öl, Acryl und Tusche auf Leinwand, 160 X 240 cm. Courtesy AJL Art
Ganz schön cool. Das sind sie, die Insignien des gehobenen Möbelgeschmacks, die in den Werken des Berliner Künstlers Daniel Kannenberg (*1971) eine zentrale Rolle spielen. Allerdings in leicht verfremdeter Form, wenn er wie jüngst die Sitzfläche des von Charles Mackintosh entworfenen Stuhls "Hill House 1" in einem extraterrestrisch anmutenden Leuchtgrün malt und damit automatisch Assoziationen an die möglichen Ursachen einer Bio- oder Chemoluminiszenz weckt. Oder wie Jan Delay immer sagt: „Alles ist vergiftet.“
Beispielsweise das Bauhaus und seine selbsternannten Erben. Die mag Daniel Kannenberg rein gar nicht, denn auch sie sind vergiftet: "In seiner entwickelten Form wie in Gestalt eines Freischwingers von Marcel Breuer ist das Bauhaus faszinierend, aber als Projekt wurde es gestört. Und nach dem Krieg wurde dann der kostengünstige Aspekt betont, aus "weniger ist mehr" wurde "weniger ist weniger". Das wurde mit der Mietskaserne zusammen geworfen und daraus hat man dann eine Art Grab des Lebens für die Massen entwickelt."
Doch in seinen aktuellen Werken trauert er weder großbürgerlichen Wohnverhältnissen hinterher, noch beklagt er im Sinne eines zeitgenössischen „Kitchen Sink Realism" die Lebensumstände des Prekariats. Statt dessen schlendert er leichtfüßig zurück ins Jahr 1956 und fragt noch einmal bissig mit Richard Hamilton: "Just what is it that makes today's homes so different, so appealing?" Schon damals war deutlich, dass ein muskulär gut definierter Oberkörper, ein zeitgemäßes Tonbandgerät und eine schicke Einrichtung alleine gegen das Unbehagen an der Moderne nicht viel auszurichten vermögen, es vielleicht sogar in ihrer narzisstischen Fokussierung auf Statussymbole und Selbstdarstellung noch befördern.
Stammgäste in seinen Gemälden, die als wilde Mischtechniken auf Leinwand auch Collage beinhalten, sind daher die Vitra-Designklassiker, deren Besitz ein Zeichen für Arriviertheit ist: Der Side-Chair, die Wolke, der Diamond Chair, der Coconut-Chair, der Zigzag. Doch kein unterkühltes Wohlgefallen stellt sich bei ihrer Betrachtung ein. Nicht nur sind seine eigentlich Wohn- und Designmagazin-kompatiblen Interieurs bisweilen von geradezu unterirdisch heimwehkrank anmutenden Aliens bevölkert. Auch sind all die schönen Stühle grausam mit Voodoo-Nadeln gespickt und bedrohlich schauen afrikanische Masken oder ihre gerahmten Abbilder von teuer tapezierten Wänden.
Dabei ist der Künstler keineswegs von haitianischer Hexerei besessen. Er verfolgt nach eigener Aussage nicht einmal sonderlich böse Absichten, wenn er die von ihm selbst in liebevoller Bastelarbeit nachgebauten Design-Klassiker, die er vor Beginn des eigentlichen Malvorganges zur Einrichtung eines kleinen Foto-Sets als Vorlage nutzt, mit kleinen schwarzen Nägeln malträtiert: "Mich interessiert die Umdeutung des Selberbauens. Gerade in einer reduzierten Ästhetik kann man bereits durch kleine Eingriffe die ganze Sache ins Wanken bringen. Jeden Architekten kann man halb ins Grab bringen, indem man in einem Design-Haus Blümchen-Jalousien anbringt. Dadurch, dass man die Perfektion bricht, macht man die Sache menschlicher."
Denn jenseits der Freude an schneller Subversion geht es dem mit Vorliebe in der ambivalenten Zone zwischen Aggression und Humor operierenden Daniel Kannenberg auch um grundsätzlichere Themen: "Wo ist der Mensch? Wo ist der Trieb? Wie verhält sich die Kultur zur Natur? Das sind die Fragen, die in meinen Bildern immer wieder auftauchen." Bleibt da noch die Sache mit den ebenfalls immer wieder auftauchenden Grüntönen, die, mal grell erstrahlend, mal dunkel lockend, sein Werk durchziehen: Sie seien, erläutert der Künstler, einfach schön kühl.
Daniel Kannenberg: Shabby Chic, AJL Art @ Invalidenstraße 90, Berlin. Fr. und Sa. 14-18h und n.V., bis 30.10.
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