BLOSS KEINE EINDEUTIGKEITEN BERLINER ZEITUNG, 07. OKTOBER 2010; ESSAY BY INGEBORG RUTHE
Bloß keine Eindeutigkeiten ( in german)Berliner Zeitung, 07. Oktober 2010; Essay by Ingeborg Ruthe
Der in Berlin lebende junge Russe Lev Khesin zeigt in der Galerie Läkemäker seine geheimnisvollen Bilder namens Onomatopoeia Das oszilliert kühn und selbstbewusst zwischen den Impressionisten und den amerikanischen Farbfeldmalern und Lichtkünstlern der Nachkriegsmoderne. Das changiert zwischen Monet und Rothko, als gelte es, diese Hohepriester des Lichtspiels und der Farbfeldmalerei zu ehren und zugleich herauszufordern. "Mpusho" taufte der in Berlin lebende Maler Lev Khesin sein Diptychon von 2010 aus der Reihe "Onomatopoeia". Das Doppelbild mit dem rätselhaften Namen ist eine Zäsur in der bisherigen Arbeit des erst 29-jährigen Russen, der in Pensa geboren wurde und an der Universität der Künste bei Frank Badur studierte. Das Gemälde ist etwas Besonderes, weil in ihm alle vorherigen Bilder zu kulminieren scheinen. Außerdem benutzte Khesin für seine "Farbfeldforschungen" neue Materialien - etwas Silikon - und vor allem Licht. Es ist, also wolle auch er auf die Weise, mit diesen mystischen pulvrigen leuchtenden, vibrierenden Oberflächen nach den letzten Dingen der Existenz fragen. Und als wolle er auch mit der Alchemie aus Farbe, Licht und ungewöhnlichem Material von Lebensgier und Todesahnungen erzählen, ohne dass auch nur ein einziger Gegenstand oder Körper real zu sehen wäre. Khesin malt nicht im traditionellen Sinne. "Mein Ziel ist es, Sichtbares zu schaffen, dass sich nicht mit den Begriffen und Bezeichnungen von Gegenständen und Phänomenen kategorisieren lässt", erklärt er. "Eindeutigkeit soll vermieden werden zugunsten haptischer und farblicher Qualitäten." Bei Khesin "wachsen" die Bilder durch das sukzessive Aufschichten von Material. Das dauert mitunter bis zu einem Jahr und auch länger. "So, wie Rothko sich von Giotto und Fra Angelico inspirieren ließ, scheinen mir bei Khesin die Seele und Traditionen alter Ikonen einzufließen", meint Galerist Johannes Zielke, der in seinem Ausstellungsprogramm immer wieder sehr eigenständige, sehr ausgefallene Maler entdeckt und nun diesem jungen Künstler zum dritten Male ein Podium gibt. Und hier wirken wohl auch der Familiengeist, das ererbte Talent nach: Lev Khesins Eltern sind Ikonenmaler in Leipzig und sein Großvater war ein bekannter Ingenieur und Erfinder im russischen Pensa. Dieses Erbe mischt sich in Khesins Bildern; Experiment und spirituelle Aufladung der Tafelbilder, die er meist auf Holzträger malt. Konturen, erkennbare Dinge oder Gestalten gibt es nicht. Die Formen zerfließen diffus und melancholisch ineinander. Wie seinen großen Vorbildern in der Farbfeldmalerei geht es ihm offensichtlich um reine Farbe, Licht, Stille, Leere, um Andacht - und seelische Zustände. Um das Drama des Lebens eben.