WYSIWYTYG #1 (WHAT YOU SEE IS WHAT YOU THINK YOU GET)
Heather Allen, Mira Bergmüller, Peter Büchler, Swen Daemen, Anke Eilergerhard, Folke Hanfeld, David Keating, Maximilian Klinge, Reinhard Kühl, Ulrich Kretschmann, Jörg Oetken, Marina Schreiber, Brent Wadden
Schauraum, Brunnenstraße 10, Haus 3
2. HH [hinter der Galerie Ben Kaufmann], 2. OG
powered by: Sternzeit Media Michael Keuntje
8. bis 23. Juni, Mi-Sa 14-19 Uhr
Gezeigt werden Werke unterschiedlicher Gattungen (Fotografie, Malerei, Skulptur, Installation), deren Sichtbarkeit nur das Vordergründige ist und die im Prozess der Wahrnehmung bzw. konzeptuellen Erfassung von Perspektivwechseln geprägt sind. Der Grundton der Ausstellung ist spielerisch und gleichzeitig subversiv. Der Zugang zu den Werken scheint leicht – das heißt sie "funktionieren" auch auf einer rein ästhetischen Ebene –, doch nach einer Weile führen sie den Betrachter zur Erkenntnis „Kunst ist Täuschung“ und „Kunst findet im Kopf statt“!
Die Engländerin Heather Allen präsentiert eine Gruppe ihrer kleinen ca. 18 cm hohen Figuren aus Modellierpaste, welche in Gesten und Aktionen verstrickt sind, die dem Betrachter selbst zu deuten auferlegt sind. Die Perspektive auf die sowohl weiblichen als auch männlichen Figuren im Spielzeugformat (alles Selbstporträts) ist die eines Riesen, doch behaupten sich die naturnah geformten Akte in ihrer eigentümlichen Ernsthaftigkeit als farbige Kleinskulpturen vor jeglichem utilitaristischen Zugriff. Mira Bergmüller ist vertreten mit der lebensgroßen Holzskulptur eines Nonnen-Gewandes. Zwei Schalen umschließen einen Leerraum, der zu vielfältigen Projektionen einlädt und Fragen nach der Gegenwärtigkeit religiöser Ikonografie innerhalb zeitgenössischer Kunstpraxis aufwirft. Von Peter Büchler, vielen bekannt durch die Bemalung einer Brandmauer gegenüber dem Kulturzentrum Tacheles (Diesel Wall 2005), sind zwei Container mit den Aufschriften „256 Live Birds“ und „12 New York Deers“ zu sehen, deren vermeintliche Inhalte im offensichtlichen Widerspruch zum Format der Behältnisse steht. Swen Daemen verwendet gebrauchte Schichtholzplatten, die er in minutiöser Weise mit szenischen Flachreliefs versieht. Die Darstellungen stammen größtenteils aus dem privaten Bereich oder aus der Pop-Kultur und beziehen ihren Reiz aus der Mühsal handwerklicher Bearbeitung, die in extremer Spannung zu ihrer flüchtigen oder digitalen Herkunft stehen. Anke Eilergerhard ist mit einem Schwarm ihrer ornamentierten „Pollen“ repräsentiert. Der unsichtbare Kern beherbergt jeweils einen Fußball als Hommage an den „Kultspieler“ Norbert Dickel von Borussia Dortmund; einem Verein, dem sich die gebürtige Wuppertalerin verbunden fühlt. Die männderdominierte Fußballwelt wird hier unterlaufen durch die weiblich konnotierten Verzierungen aus Silikon, die an Sahnekringel oder Baisers denken lassen. Folke Hanfeld experimentiert seit geraumer Zeit mit den illusionistischen Wirkungen der Stereofotografie. Seine Stadtaufnahmen aus der Vogelperspektive sind von extremer Genauigkeit und Plastizität gekennzeichnet. Letzteres erscheint dem Betrachter deshalb miniaturhaft und faszinierend zugleich, da das räumliche Sehen ausschließlich eine Erfahrung des optischen Nahbereiches ist. Von dem australische Konzeptkünstler David Keating sind außer einer Skulptur, die Erfahrungen des Reisens und der Fremdheit verarbeitet, Blätter aus einer Serie von handgezeichneten Kopien deutscher Zeitungsseiten zu sehen, die er teilweise auch ins Englische übersetzt. Maximilian Klinge zeigt aktuelle Objektbilder im Umriss von Puzzle-Teilen. Ihre spielerische Allusion wird mit persischen Teppichmustern kontrastiert, deren Ornamente auf das ganzheitliche Bild eines Paradiesgartens verweisen. Eine ältere Serie unterläuft den ludistischen Kontext des Puzzles mit Darstellungen aus Hardcore-Pornos. Der Maler und Fotograf Reinhard Kühl ist mit Kriegsbildern vertreten, die er mittels einer Lochkamera erzeugt, welche eine gleichmäßige Tiefenschärfe vom Vorder- bis zum Hintergrund zulässt. Die aus Plastiksoldaten nachgestellten Szenen wurden vor existierenden Berliner Gebäuden platziert. Jörg Oetken verbindet die grobgepixelte Digitalfotografie mit altmeisterlicher Komposition und Lichtführung. Er überzieht die großformatigen Abzüge mit einem Lack, der ein künstlich erzeugtes Craquellée aufweist und ihnen die Aura von Ölmalerei verleiht. Seine Werke spannen einen Bogen vom Goldenen Zeitalter der Malerei zum rasanten Bilderkonsum der Gegenwart. Ulrich Kretschmann ist ein Installationskünstler aus der Meisterklasse von Lothar Baumgarten, der seit einigen Jahren in Japan erfolgreich vertreten wird. Durch das persönliche Schicksal eines schweren Unfalls ist er zur Malerei gekommen und schafft seitdem kleinformatige hochgradig atmosphärische Landschaften, in denen sich das Schauen zum Fühlen und Denken verwandelt. Die Bildhauerin Marina Schreiber schafft seit mehreren Jahren biomorphe Drahtgebilden, die sie aus unzähligen Elektronikteilen biegt. Natur und Technik, künstlerisches Handwerk und kreatürliche Wachstumsprozesse verschmelzen in diesen Gebilden. Der junge Kanadier Brent Wadden ist mit „Schneeaquarellen“ vertreten, die mit dem Wasser gemalt sind, das sie selbst darstellen. Freunde aus aller Welt belieferten ihn mit Fotos verschneiter Orte und einem Beutel des dort vorgefundenen Schnees