MAYA BRINGOLF, "SHAKEN AND STIRRED"
Basel – Ob geschüttelt oder gerührt, die gekonnte Zubereitung von Wodka-Martinis hat zahlreiche Filmdialoge bereichert. Der Hauch von Glamour und Verführung, der dem Kult-Drink der Sechzigerjahre anhängt, schwingt auch in den Arbeiten von Maya Bringolf mit, durchmischt von Momenten des Abgründigen und Absurden.Dabei ist das Ausgangsmaterial der jüngsten Skulpturen und Objekte der Künstlerin (*1969) durchwegs harmlos, teilweise sogar spiessig: Couchtische mit zierlichen Beinen, Lehnstühle mit bezogener Lehne und Sitzfläche, Nippesfiguren aus Porzellan, Keramik mit plastischem Dekor. Bringolf greift auf Versatzstücke des bürgerlichen Interrieurs zurück, bedient sich lustvoll und ohne Berührungsängste am Fundus der opulenten, oft manieriert anmutenden Accessoires der Wohnkultur der frühen Nachkriegszeit. In der Tradition einer ars combinatoria unterzieht sie diese Gegenstände vielschichtigen Transformationen, fügt sie zu assemblageähnlichen Skulpturen zusammen, ergänzt diese Kompositionen mit Werkstoffen, die in der Kombination als ungewohnt oder skurril wahrgenommen werden. Sie schichtet Vasen, Kerzenständer und Schalen aufeinander, verschachtelt die Porzellanerzeugnisse zu einem monumentalen Tafelaufsatz, dessen materialer und formaler Präsenz der fragile, niedrige Tisch schier nicht gewachsen zu sein scheint. Eine weissliche Masse quillt aus den Öffnungen der teils reich dekorierten Artefakte, ergiesst sich über ihre glänzende Haut. ‹Cascade› operiert mit dem Prinzip der Ambivalenz: dem statischen Unterbau steht die Dynamik der aufgetürmten Gefässe entgegen, den fest gefügten Einzelformen die im Fliessen erstarrte Bewegung des weissen PU-Leims. Die Keramikobjekte erheben sich als markante Formung, die deren Zerbrechlichkeit und Funktionalität bewusst negiert und – in Einheit mit dem leichtfüssigen Tisch-Sockel – in einem momentanen Gleichgewicht verharrt.
Beinahe beiläufig, doch mit dezidierten Gesten aktiviert Maya Bringolf das assoziative Potenzial der von ihr verwendeten Gegenstände. Sie bestätigt ihr Ausgangsmaterial in seiner stofflichen, haptischen Körperlichkeit, befragt aber zugleich seine sozialen, kulturellen Gebrauchsweisen und unterzieht diese einer Umwertung. Mit dem Rekurs auf die Innenausstattung der Fünfzigerjahre legt die Künstlerin die diesen Objekten innewohnenden Ansprüche auf Lebensgestaltung und Repräsentation des gesellschaftlichen Status frei. In skulpturale Zusammenhänge überführt, zeugen sie von der Verführungskraft des üppigen, mitunter forciert und hilflos wirkenden Dekors, aber auch von dessen formelhafter Banalität und ästhetischer Brüchigkeit; zugleich nähren diese Elemente die hybride Körperlichkeit der Arbeiten, die aus dem präzisen Wechselspiel von Deformation und Überhöhung, Dekonstruktion und Aneignung resultiert.
Besprechung von Irene Müller zur Ausstellung in der John Schmid Galerie, Basel, Kunstbulletin 12/ 2009