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MORITZ HIRSCH
 

(DT.) GIZMO <EM>HARALD STAUN</EM>

Als der Erfinder Randall Peltzer in Chinatown ein kleines, pelziges Tier kauft, bekommt er vom Händler ein paar wichtige Regeln mit auf den Weg: Nie dem Sonnenlicht aussetzen, nicht nass werden lassen, nicht nach Mitternacht fressen lassen. Wozu Gizmo, der Mogwai aus dem Film Gremlins, gut ist, spielt keine Rolle: sein Wesen liegt gewissermaßen in der Abwesenheit einer sinnvollen Funktion, beziehungsweise, wie sich später zeigen wird, in seinen verborgenen, zunächst inaktiven Fähigkeiten. Wie bei seinem mechanischen Namensvetter, dem Gizmo als harmloses High-Tech-Gadget, steht die präzise Gebrauchswanweisung des Gremlins im krassen Widerspruch zu seinem Nutzen: Er kann nicht viel und er geht leicht kaputt.

Ein modernes Gizmo, jenes bezeichnenderweise auch durch seine Definition nicht in den Griff zu bekommenden Ding, Dingens, Dingsbums, Gadget, verfolgt dabei die gleiche Strategie wie der Mogwai, der dunkle Geist aus dem Film: Hinter einer niedlichen Hülle verbirgt sich, so fürchtet zumindest eine gesellschaftlich integrierte Paranoia, ein heimliches Programm, oder besser: ein unheimliches transformatorisches Potential. Längst gilt dieser Verdacht nicht nur für die Objekte moderner Technik, die notorisch soziale Codes in ihren Subroutinen verstecken, und zwar solche, die sich weder deaktivieren noch konfigurieren lassen. Er gilt auch für Medien im allgemeinen: Es gehört zu ihrem Wesen, dass sie ihre Funktionen verheimlichen, sei dies als bewusste Täuschung oder als Folge ihrer unkalkulierbaren Zweckentfremdung. Nie sind sie objektiv, und zwar, als Hybrid aus Apparat und Programm (oder aus Form und Information) am wenigsten dort, wo sie ihre Objekthaftigkeit betonen: Ihr Design ist immer ein ästhetisches Ablenkungsmanöver.

Moritz Hirschs Gizmos simulieren diese Strategie und deren komplexe Systematik. Gerade weil sie sich zunächst als reine Objekte präsentieren, ist man versucht, ihnen eine verborgene Wirkungsabsicht, einen Zweck, eine Funktion zu unterstellen. Verstärkt wird dieser Effekt im wahrsten Sinne automatisch durch die Kontextualisierung als Kunstwerk, weil er sich auf die Dispositionen der Rezeption verlassen kann, denen es unmöglich ist, ein Werk als reines Dingsbums zu akzeptieren. Gleichzeitig verharmlost die demonstrative Körperlichkeit der Objekte, ihr im Zeitalter der Mikroelektronik vergleichsweise anachronistisches Volumen, ihre technische Potenz: es sind gewissermaßen Apparate, die sich als Apparate tarnen. Im Gegensatz zu den meisten Gizmos aber bleibt ihre Programmatik nicht unzugänglich.

Auf welche Weise sich dabei der mediale Charakter der Objekte erschließt, ist naturgemäß eine Frage der Perspektive: In «90 60 90» verhandelt Hirsch Fragen der optischen Wahrnehmung auf elementarer Ebene. In «Television» schließt er Betrachter und Objekt und damit Input und Output visueller Formatierungen kurz. In «Monolight» demonstriert er die eigendynamische Kraft, die allein von der Struktur medialer Konzepte ausgehen kann oder sich ihrer strategisch bemächtigt. Formatierung konzeptualisiert Formen künstlicher oder technisch bedingter Obsoleszenz. In «Standby» schließlich transformiert er die Erinnerungsspuren, die sich in sein Material eingeschrieben haben, komplett durch die formelle Restrukturierung und Umschichtung einer Arbeit in eine neue.

Auf jeweils unterschiedliche Weise irritieren die ausgestellten Arbeiten. Ganz bewusst verführen sie den Betrachter zur Reflexion über ihr hybrides Wesen. Die Konfrontation mit der fragwürdigen Wirkungsweise seiner Objekte gelingt Hirsch auch durch eine strategische Kalkulation mit der paradoxen Natur der Wahrnehmung von Kategorien wie Oberfläche und Tiefe, Tarnung und plakativer Setzung. Der Verdacht, dass sich hinter der demonstrativen Körperlichkeit der Objekte eine verborgene Wirkungsabsicht, eine jederzeit aktivierbarer Code oder auch nur ein strukturierendes Wissen verbirgt, ist zugleich Gegenstand der Arbeiten als auch Motor ihrer Rezeption.

Durch diese doppelte Operation lenkt Hirsch nicht einfach nur den Blick auf die blinden Stellen all jener Dinge, die gewissermaßen aus medialen, technischen und sozialen Komponenten zusammengebaut werden, sondern verdeutlicht gleichzeitig, wie unzuverlässig immer auch jener Blick selbst ist. In jedem Versuch der Durchdringung ist ein paranoider Charakter angelegt. Gizmos, das macht sie so unwiderstehlich, sind eben nicht ausschließlich Instrumente der Täuschung – sondern auch Artefakte der Schönheit.