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PHILIP TOPOLOVAC
 

PARASITES AND MOUNTAINVIEWS VON PETER LANG 2008

Der 1979 geborene Künstler studierte von 2001 bis 2008 an der Universität der Künste Berlin bei Christiane Möbus. Er lebt und arbeitet in Berlin, wo er unter anderem 2007 als Mitbegründer der Kunstinitiative TÄT fungierte, ein Schauraum in der Schönhauser Allee 161a, der als Produzentengalerie von Absolventen der UdK betrieben wird. Einer der besseren und spannenden Projectspaces in dieser für Kunst immer unübersichtlicher werdenden Stadt.

Die erste große Personalausstellung Philip Topolovacs` zeigt unter anderem eine von einem Sandhaufen abgenommene großformatige, mehrteilige Polyesterform, die er in einer Sandgrube im Brandenburgischen hergestellt hat. Schon in dieser Arbeit blitzt die hintergründige, humorvolle Weltsicht auf, die sich bereits im Titel ankündigt.
Daneben findet sich die Vergrößerung eines alten Schaltschützes. Diese Geräte wurden und werden zum Schalten hoher Spannungen in industriellen Anlagen verwendet.
Die Verheißung von Funktionalität, von Kraftübertragung, - Freisetzung und Generation bildet dabei das Faszinosum des Technologischen, seinen ästhetischen Reiz. In den Galerieraum versetzt wird die funktionale Ästhetik sozusagen umgedreht, verwirbelt und zum eigenständigen skulpturalen Objekt gewendet. Als wäre das noch nicht genug, findet sich daneben das Schaltbild eines wagnerschen Hammers an der Wand. Eine der prinzipiellsten elektronischen Schaltungen, noch aus der Zeit der Anfänge der Elektromechanik. Diese Simplizität mit ungeheuerem Namen, man hört dabei geradezu die Schaltschütze der 30.000 Voltanlagen knallen, ist aufgebracht in fast altmeisterlicher Technik, als Wandzeichnung vergrößert. Denken wir an die gerade beginnenden Experimente im Kernforschungszentrum Cern, die uns Urknall und Schwarze Löcher vielleicht näher bringen, ist hier der Gegenpol gesetzt. Die elektromechanischen Grundelemente erheben, ähnlich den Objekten der Arte Povera, den Blick auf das funktionale Gerüst hinter dem schönen Schein, auch wenn das den Betrachter und das schöngeistiges Empfinden ärgern mag.
Topolovac beschäftigt sich in seinen Arbeiten mit der Frage nach Abbild und Realem, Formaten und Größen des Ästhetischen. Ist der Abdruck eines Sandhaufens mehr als dessen potentielles Modell? Wir glauben sagen zu dürfen schon. Wenn er als solch schrundiges Objekt daherkommt, sandelt man nicht mehr dahin sondern denkt an die Wunde Brandenburg, Friedrichs Traum, Lessings Schrei und ist fast gleich bei Kafkas Gregor Samsa. Das Feste meint man nicht fest genug, es könnte auch geronnener Schleim sein, die Formschalen sind mit Maschinenschrauben fest verschraubt und was liegt darin, darunter? Die Setzungen Philip Topolovacs sind dabei durchaus poetisch zu verstehen: materiell reizvoll und zugleich einfach aber weiter weisend bis ins schwarz-romantische. Geht man durch die Galerie, stößt man auf ein Brandloch in der Wand. Auf deren Rückseite ragen unheimliche technische Installationen weit in den Raum, die sich hinter dem glatten Putz der Einbauwand verbargen. Wer hat hier gezündelt und was war das für eine Anlage? Das technologische Myzel der Bedingungen alltäglicher Existenz, hängt mit Prozessen und Strukturen, Kraftwerken und Industrieanlagen zusammen, die im Supermarktregal oder vor dem Fernsehgerät allzu weit entfernt scheinen, bei Bewusstmachung und direkter Begegnung jedoch Entsetzen hervorrufen.

Die unheimlichen, riesenhaften Dimensionen der Raffinerien, Mastbetriebe und Containerhäfen führen zur Furcht vor den Auswirkungen der menschlichen Ein- und Ausflüsse und dem Wunsch sich vom System bzw. Aspekten des Systems zu distanzieren. Der Gedanke an Terroranschläge als Ursache für zerstörerische Eingriffe in Systeme technischer wie gesellschaftlicher Natur ist uns heute sehr nahe. Das Versinken der Twin Towers in der ungeheuerlich aufsteigenden, weißen Wolke, war auch ein ästhetisches Mahnmal der Gipskartonbauweise. Emblematische Bilder der Zerstörung begleiten seit Jahrzehnten die Bewegungen unserer technisierten Zivilisation. Der Atompilz, die Kondensstreifen des abstürzenden Space Shuttles Challenger, die Katastrophe von Ramstein. Denkt man an den Kultfilm Blade Runner könnten Topolovacs ́ Installationen als Zeichen unserer abgebrannten Zukunft gelesen werden. Wir sehen hier die künstlerische Bearbeitung einer Sollbruchstelle der technischen Zivilisation, die zur Wunde wird.
Es gibt keinen Fortschritt ohne Desaster, hinter der glatten Oberfläche lauert das hässliche Gerippe. Man könnte so fast von einer Vanitasskulptur auf Grundlage der Gaußschen Normalverteilung sprechen. Irgendein Funke wird immer fliegen, das sagt uns die Mathematik, und das Ergebnis ist ein Systemschaden.
Doch gibt es auch Trost in dieser Ausstellung und dieser findet sich wie bei jedem echten Romantiker in der Landschaftsdarstellung. Nur das die Landschaft bei Topolovac des Realen entbehrt und uns als miniaturisiertes Trugbild entgegen tritt. In zahlreichen Fotos hat der Künstler Sandhaufen und Aushub im städtischen Umfeld aufgenommen und dabei wie Gebirgslandschaften inszeniert. Das Bergtopos ist eines der künstlerischen Sehnsuchtsmotive des 19 Jahrhunderts. Keine deutsche Romantik wäre ohne den schweifenden Blick auf das Gebirge denkbar. Reichte es nicht bis in die Schweiz, so konnte es auch der Harz sein. In der Diaserie „Berge“, die als Projektion ein sich endlos fortsetzendes Sehnsuchtsmodell darstellt, wird die künstlerische Strategie verfolgt, das Triviale in der Abbildung zu sublimieren und zugleich dessen Verklärung zu persiflieren.
Hier findet sich im Gegensatz und Miteinander des Bedrohlichen die Katharsis dieser Ausstellung. Man sieht, was man denkt und man denkt, was man zu kennen glaubt. Das wäre aber nur die einfache Logik. Philip Topolovac hält es da mit der dialektischen Logik, glaube nicht, was du siehst und vor allem denke nicht, das Große könnte nicht auch im Kleinen zu finden sein.

Peter Lang, Berlin, 2008