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RIA PATRICIA RÖDER
 

„UNCHAINED“ VON MONIKA LAHRKAMP

Ria Patricia Röder - Unchained
von Monika Lahrkamp


Patricia Röders Arbeiten kennzeichnet eine intensive Auseinandersetzung mit den Möglichkeiten und Bedingungen der Fotografie und Videokunst.
Der Künstlerin, die u.a. bei Ulay, Katharina Sieverding und Elger Esser studiert hat, geht es um eine klare Spur, die sie mit der Foto- oder Videokamera festzuhalten versucht.

So auch in ihrer Arbeit „Unchained“ (entfesselt, losgekettet) aus dem Jahre 2004, die in der Black Box der Ausstellung VIDEO KOOP gezeigt wird.

In dem einminütigen Video sehen wir die Dokumentation einer Performance, die 2004 anlässlich der Ausstellungseröffnung „13 AXS“ im Haus am Lützowplatz in Berlin gedreht wurde.

Der Betrachter blickt durch einen breiten Korridor, an dessen Ende sich die Zuschauer getrennt durch eine Öffnung, im nächsten Raum versammelt haben. Links und rechts an der Wand hängen Bilderrahmen, außerdem ist der Rand eines Flachbildschirms zu sehen.

Ganz unvermutet, wie aus dem Nichts, kommt die Künstlerin aus der Öffnung rechts auf Rollschuhen angerauscht.
Sie hat sich regelrecht „verkleidet“ mit einem schwarzen Kleid aus Teichfolie, neonfarbener Strumpfhose und neonfarbenem Oberteil. Um die Augen trägt sie eine neonfarbene Maske, die starke Assoziationen an Comicfiguren wie Batman, Zorro oder an die Panzerknacker aus Donald Duck weckt. Was dann kommt, ist verblüffend und komisch zugleich – statt den Bildern, auf die sie wie „entfesselt“ mit Tempo zufährt, auszuweichen, lässt sie sich mit vollem Körpereinsatz regelrecht hineinfallen.

Die Glasscheibe, die die Ausstellungswand hinter dem Rahmen eigentlich schützen soll, zerbirst durch den Aufprall und die herausgebrochenen Stücke verteilen sich mit einem lauten und martialisch klingenden Klirren auf dem Boden.
Die Künstlerin verschwindet durch den Durchgang in den nächsten Raum, um dann nach einer kurzen Runde wieder zurückzukommen und das zweite Bild zu zerstören. Dieser Vorgang wiederholt sich insgesamt vier Mal und lässt als Endresultat nur die bloßen Rahmen mit den zersplitterten Glasscheiben übrig.

Die Künstlerin wählt zur Fortbewegung Rollschuhe, die einerseits eine fließende Kreislaufbewegung und damit eine besonderere Dynamik als beim Laufen erregen, andererseits eine besondere Art der Aggression provozieren, die natürlich mit den Geräuschen, die sie verursachen – das Rollen, das Krachen der Scheiben und das Nachrieseln – noch verstärkt wird.

Die Aktion wurde vorher nicht geprobt und nur durch „Versuchsanordnungen“ theoretisch überprüft und so muss sie beispielsweise beim letzten Bild, das sie nicht durch den Aufprall allein zerstört, mit einem Stoß des Ellbogens noch einmal nachhelfen.

„Unchained“, aber auch andere Arbeiten, fordern den kompletten Körpereinsatz der Künstlerin. Gleichzeitig zeigen die Videos eine zweite, formale Ebene, die sich mit der Fixierung oder der „analogen Zersetzung“ von Bildern beschäftigt. Im Falle von „Unchained“ ist diese Zersetzung parallel auch Teil des Entstehungsprozesses einer neuen Bildschöpfung, in der auch die Umgebung, in diesem Falle nicht das Atelier als Produktionsstätte, sondern der Ausstellungsraum, sich neu bricht und reflektiert wird.


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Monika Lahrkamp in
Lido: VIDEO KOOP. Das Magazin von KIT – Kunst im Tunnel | Düsseldorf | 2008