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CONNY BECKER
 

KOLLISION. IM LABYRINTH DER UNHEIMLICHEN ZUFÄLLE IM KUNSTRAUM KREUZBERG/BETHANIEN

Ausstellungsansicht mit Arbeiten von Roman Schramm
Foto: MJ Ourtilane
Ausstellungsansicht mit Arbeiten von Thomas Rentmeister und Jan-Holger Mauss
Foto: MJ Ourtilane
KOLLISION. Im Labyrinth der unheimlichen Zufälle
2. April - 26. Juni 2016
Eröffnung, Freitag den 1. April 2016, 19 Uhr

Mit Arbeiten von Astali/Peirce, Manon Bellet, Matti Isan Blind, DAS INSTITUT, Tatiana Echeverri Fernandez, Roland Flexner, Heike Gallmeier, April Gertler, Yunchul Kim, Birgit Krause, Alicja Kwade, Jan-Holger Mauss, Myriam Mechita, Jérôme Poret, Thomas Rentmeister, Roman Schramm, Michael Schultze, Ivan Seal, Heidi Sill, Henrik Strömberg, Claudia Wieser, Zoé T. Vizcaíno

Unsere Realität ist bestimmt von einem permanenten Fluss von Informationen und Bildern in einem undifferenzierten Raum. Unser Wissen hat sich demokratisiert, alles ist allzeit und überall für jeden verfügbar. Zeit, Chronologien und Raum sind nicht mehr durch geographische, kulturelle oder historische Diskontinuitäten getrennt; selbst die menschlichen Beziehungen lassen sich vor der Folie dieses Netzwerks sehen.

Der Hyperinformation und dem Überangebot von Bildern begegnen KünstlerInnen, indem sie ihnen ihre eigenen Bildwelten entgegensetzen. Charakteristisch für die Postmoderne war, die immense Vielzahl der Einflüsse – seien sie kunstgeschichtlichen, politischen oder sozialen Ursprungs – in einem unvereinbaren Nebeneinander in der Kunst zu spiegeln. Ein „Reload“ der Referenzen, die ständig neu kombiniert und verändert werden, um die Grenzen einer kreativen Neuinterpretation auszuweiten. Mittlerweile scheinen viele KünstlerInnen jedoch auf stärker sensible und konzentrierte Art mit der Materialfülle umzugehen, die weniger nach Außen als nach Innen weist.

Die Ausstellung 'KOLLISION. Im Labyrinth der unheimlichen Zufälle' zeigt mit Arbeiten von 22 internationalen KünstlerInnen die Wiederkehr einer surrealistischen Ästhetik auf. Sie geht auf die Beobachtung zurück, dass viele zeitgenössische KünstlerInnen sich Techniken bedienen, die von den Surrealisten implementiert wurden (Frottage, Rayographie, Décalcomanie etc), oder dass sie vergleichbare experimentelle Formen des künstlerischen Arbeitens erforschen. Zudem lässt sich eine visuelle Ähnlichkeit der präsentierten Arbeiten mit denen der Surrealisten erkennen, die eine vergleichbare Note des Unbehagens im Betrachter anschlägt. In einem Klima der Unsicherheit und Verwirrung unserer globalisierten Gesellschaft rückt der zerbrechliche Mensch wieder ins Zentrum der Debatten.

Diese Analogien werden anhand von Entstehungs- und Erscheinungskriterien in der Ausstellung 'KOLLISION' nachvollzogen. So finden sich einerseits die zwei nach Werner Spies „ausschlaggebenden Arbeitsstrategien“ der Surrealisten in zeitgenössischer Variante wieder*: der von der écriture automatique ausgehende Automatismus und die Kombinatorik, d.h. die Verbindung kontroverser Bilder oder Bedeutungen. Andererseits lassen auch Inhalte beziehungsweise Themen der für die Ausstellung ausgewählten Arbeiten eine Parallele zu surrealistischen Werken erkennen: das Traumhafte, Übernatürliche, Unheimliche, die fantastischen Objekte oder Landschaften, die sich neben einer inhaltlichen Kombinatorik auch aus darstellerischen Verschiebungen von Licht und/oder Perspektive ergeben können. Wenngleich der Schwerpunkt der Ausstellung eher auf Arbeiten liegt, die dem Veristischen Surrealismus – der naturalistischen Darstellung nicht zusammengehöriger Dinge oder Formen im perspektivischen Raum – verwandt sind, so finden sich auch solche, die Parallelen zum Absoluten Surrealismus – als Werke abstrakter, symbolhafter Formensprache – aufweisen.

Im Unterschied zur historischen Bewegung der Surrealisten handelt es sich bei den präsentierten KünstlerInnen um keine Gruppe, die einem Manifest folgt oder eine politische Ausrichtung hat. Dennoch unterscheiden sich ihre Arbeiten vom Nihilismus der Postmoderne, was sich beispielhaft an der Art der Collage zeigen lässt. Während in der Postmoderne ein Katalog von unzusammenhängenden Zitaten zu einer größtmöglichen Karambolage führen sollte, der „Sinndestruktion Dadas“ vergleichbar, so ist die Bilderkollision in den präsentierten Arbeiten produktiv. Analog zu Spies’ Analyse des Surrealismus ließe sich von einer „Sinnanarchie“ reden**, in der ursprünglich fremde Elemente in Abkehr vom Kausalitätsprinzip in eine Relation, in einen Dialog treten. In der Ausstellung gibt sich diese Art der Collage weniger kämpferisch ablehnend, sondern ist konstruktiv und kreiert ein – wenn auch häufig kryptisches – einheitliches Ganzes. Dieses lässt sich gleich Träumen nur intuitiv erfassen, dennoch scheinen Inhalte wieder mehr Bedeutung zu erhalten. Möglicherweise ein Hinweis auf eine Rückkehr zum Humanen, zu Emotionen und dem Eingeständnis von Verletzlichkeit.

*/** Werner Spies: Die surrealistische Revolution, Ostfi ldern-Ruit 2002, S. 30 u. 17.

Rahmenprogramm:
Eröffnung mit einer Performance von Jérôme Poret
Für die Ausstellung wurde gemeinsam mit Lucile Bouvard ein Archiv surrealistischer Filme zusammengestellt.
Kuratorische Führungen und weitere Veranstaltungen werden online angekündigt:
www.kunstraumkreuzberg.de.

Ein Projekt des Kunstraum Kreuzberg/Bethanien, kuratiert von Conny Becker und Marie-josé Ourtilane


Öffnungszeiten:
2. April - 26. Juni 2016
Täglich 11 - 20 Uhr
Am 1. Mai 2016 geschlossen

Kunstraum Kreuzberg/Bethanien
Mariannenplatz 2
10997 Berlin

Mit freundlicher Unterstützung der Senatskanzlei Kulturelle Angelegenheiten, Ausstellungsfonds Kommunale Galerien, Fonds Ausstellungsvergütungen für bildende Künstlerinnen und Künstler, Pro Helvetia, des Koreanischen Kulturzentrums und der SongEun Art and Cultural Foundation, Seoul, des Bureau des arts plastiques des Institut français und des französischen Ministeriums für Kultur und Kommunikation, Bespoke Framing und Boesner.

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The exhibition Kollision. Im Labyrinth der unheimlichen Zufälle postulates a renaissance of a surrealistic aesthetic. The curators, Conny Becker and Maria-José Ourtilane, recognized that more and more contemporary artists use techniques that were introduced by the Surrealists (frottage, collage, decalcomania, rayography, écriture automatique etc.), or are inventing similar experimental artistic forms. Furthermore, one can find a parallel regarding similar themes (the phantasmagoric, the uncanny, the supernatural). In a climate of uncertainty and confusion of our globalized societies, human fragility takes centre stage again. It seems, that many artists deal with the permanent hyper-information in a way that refers more to the inner than the outer life.

Kollision will be running from April 1st to June 26th 2016 in Kunstraum Kreuzberg/Bethanien, Berlin, Germany. The curators invited twenty two international emerging and mid career artists, most of them based in Berlin.

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