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LEIF MAGNE TANGEN
 

ESSAY: MEIN LEIPZIG

This text where written for an the exhibition Mein Leipzig Bild at the Royal Consulate of Norway in Leipzig and Saxony for the occasion of Norway's first 100 years of independence in 2005.
Translated by Daniela Stilzebach

Participating artist:
Sveinn Fannar Johannssen, Lage Opedal, Verena Winkelmann and Henriette Pedersen.



Warum Leipzig
Historich ist und bleibt Leipzig eine wichtige kulturelle Stadt für Norwegen. Edvard Grieg zum beispiel war nur 15 Jahre alt, als er nach Leipzig reiste, um am Musikkonservatorium zu studieren und es war die Hilfe des Musikverlegers Peters in Leipzig, durch die er weltbekannt wurde.
Leipzig hat ein sehr abwechslungsreiches subkulturelles leben. Oslo – das ist jetzt ein beispiel- hat nur ein extrem-links-agierendes haus, das berüchtigte „Blitz“ Haus. Und was hat man in Leipzig?
Einen ganzen Stadtteil mit „linker Gesinnung“ und sogar einer eigenen Fußballmannschaft!
Überdies schmeckt der Döner besser als in Oslo. Das sind nun nicht gerade die allerbesten beispiele, ich Weiß, aber es sind welche – immerhin.
Der Grund für die meisten Norweger hier zu sein ist ein pragmatischer, ergebnisorientierter, im kurzem, ein guter. Sie studieren. In Regel Medizin. Wenn es keine Kolonie norwegischer Ich-Will-so-gern-Arzt-werden-Menschen gegeben hätte, wäre es relativ wenige Norweger in Leipzig und das ist ein Tatsache. Es gibt aber auch etliche Norweger in Leipzig, die sich aus private Gründen hier eingerichtet haben: Freund oder Freundin; Frau, Mann – Kinder.
Zumindest kommt die wenigsten nach Leipzig mit der Illusion im Rucksack, dass Leipzig Möglichkeiten bietet, die keine andere Stadt in Deutschland für eine Norweger Bietet. Dafür ist Leipzig zu begrenzt. Und die Welt, Norwegen mit eingeschlossen, Weis das. Freunde fragen mich in dem Zusammenhang auch immer wieder, warum ich nicht nach Berlin ziehe oder nach Köln. Ganz Einfach: Es Gefällt mir hier.



Bürokratie
Mein Wörterbuch sagt mir, dass das Wort Bürokratie aus dem französischen Wort „bureau“ (Schreibtisch) und den griechischen Wort „kratein“ (herrschen) zusammengesetzt ist. Meine Lexikon sagt mir weiter, dass es sich entweder um eine Verwaltungsform oder eine Personalstab in einer administrativen Organisation handelt. Pedanterie und Formalismus denke ich dann. In Angewandter Form bedeutet das, dass man Bürokratie in allen Teilen der Gesellschaft findet, wo man auf unmotivierten Wiederstand oder Unwillen trifft.
Das fordert Großmut. Leipzig ist voller Überraschungen. Wo es in anderen Länder oder in anderen Teilen Deutschland zwei Tage braucht, um einen Telefonanschluss zu installieren, ist man in Leipzig einer überwältigenden Anzahl von Papieren und Verträgen ausgesetzt, welche man, mehr als dreimal bevor es genehmigt ist, ein- und zurücksetzenden muss – dann, und nur dann, kann man erwarten einen „Fachmann“ zu Besuch zu bekommen – zwischen 6 und 9 Uhr irgendwann im verlauf der nächsten drei Monate oder vielleicht eine Woche später oder vielleicht überhaupt nicht. Und das bei einem halb-öffentlichen, serviceorientierten Betrieb. Schlimmer ist das im öffentlichen System.
Eine typische Situation: Um das Formular C zu bekommen, muss man das Formular B haben. Formular B bekommt man erst, wenn man Formular A hat – und das kann man erst bekommen, wenn man Formular ... C hat.f

Stammtisch:
Norwegen haben eigentlich eine lange Tradition sich zu versammeln, um Landsleute zu treffen. Erst recht seit der Zeit unter den Dänen, als sich Die Norwegische Gesellschaft – die lustige Boheme in Dänemark, am Ende des 18. Jahrhunderts regelmäßig im Vintapper Juel in Kopenhagen traf. Meine Erster und großer Kulturschock – wenn man von der Bürokratie absieht – war meiner erster und einziger norwegischer Stammtisch in „Das Fass“. Es ist eigenartig, wenn man seit längerem nicht an seine eigene Kultur gewöhnt ist. Als ob man einen umgekehrten Kulturschock bekommt. Einzig, dass alle norwegischer anstatt deutsch sprachen, war ein unglaubliche Erlebnis – dieser gewaltige Enthusiasmus darüber, Norweger zu sein, dass man andere Landesleute trifft und mit Ihnen redet. Dies ist eine wichtige Säule für den norwegischen Zusammenhalt im Ausland; sich dann und wann unformell treffen zu können.



Ess- und Trinkkultur

Das sind die Unterschiede: Lachs schmeckt in Leipzig besser. Bier und Wein sind billiger. Das eine ist merkwürdig, das andere ist wahr. Es gibt auch grundlegende Unterschiede – man findet hier keine frischen Seelachs. Jeglicher Seelachs kommt aus... Alaska und nicht aus Norwegen. Wenn man Seelachs essen möchte, der in norwegischen Gewässer gefangen wurde, muss man i Leipzig gut und lange suchen und man wird dabei. Weil man ihm nämlich nicht finden. Kaviar ist hier auch nur so eine Wort (vom Kabeljau wohlgemerkt; das, was man hier Kaviar nennt ist kein Kaviar, lediglich eine grobe Masse von Fischeiern, welchen man kauen muss). Brunost findet man auch nicht. Aber Würstchen gibt es, überall – dank wandernden Würstchenverkäufern. Man könnte sich durch deren Existenz nur noch von Wurst ernähren und sogar Überleben, wenn man es dann noch will. Ich Jedenfalls würde es nicht wollen. Als Kind habe ich mir lediglich am 17. Mai jeden Jahres ein paar Würstchen runterwürgt und das auch nur, weil ich mein Land Liebe. Wenn es um Alkohol geht ist der größte Unterschied, dass man in Leipzig jederzeit und in Norwegen so gut wie nie leisten kann Alkohol zu trinken – in Leipzig übrigens nicht nur, wenn man in lustiger Gesellschaft ist. Und probiert das mit den Döner – es ist nicht falsch am Döner in Oslo – aber er schmeckt besser in Leipzig.