artmap.com
 
STEFAN ROIGK
 

STUDIO. GALERIE HUNCHENTOOT. 2007.

Die Galerie Hunchentoot zeigt erstmals eine Ausstellung des Berliner Künstlers Stefan Roigk.
In seinen Inszenierungen kombiniert er Skulpturen, die deutliche Referenzen an die Soft Sculptures von Claes Oldenburg aufweisen, mit subtiler Akustik, wie Alltagsgeräuschen sowie digital generierten Klängen. Die Objekte aus Materialien wie Latex, PVC-Folie, Kunstleder, Schaumgummi oder Polster-Vlies besitzen eine haptische Qualität, die zum Berühren einlädt und gleichzeitig abweisend, oftmals fast aseptisch, wirkt und so den Betrachter auf Distanz hält.

Bei Stefan Roigks neuer Arbeit Studio wird diese Distanz auf eine andere Art und Weise ausgelotet. Den objekthaften und geschlossenen Charakter früherer Werke löst Roigk durch eine raumgreifende Installation weitestgehend auf. Über zwei Etagen bewegt sich der Besucher zwischen unterschiedlichen skulpturalen Elementen und auf dem Boden liegenden Kabeln. Bereits im oberen Galeriegeschoss wird man durch zwei solide Paravents aus MDF-Platten und Noppenschaummatten in die Mitte des Raums gelenkt. Sie sind sowohl Trennflächen, als auch Schalldämpfer für die Klänge, die ringsherum aus Lautsprechern und Kunstledersäcken strömen.

Das Arrangement der Objekte, die verwendeten Materialien sowie der Titel Studio beziehen sich einerseits auf Tonstudios. Man erkennt die Noppenschaumverkleidungen zur Schalldämpfung, Kabel von Mikrophonen oder Verstärkern, und Wände, die den Raum in Kabinen aufteilen. Die schlaffen Kunstlederobjekte, die sich von den Wänden bis auf die Böden ausbreiten, erinnern an herumliegende Schützhüllen von Musikinstrumenten.
Studio ist andererseits aber auch die englische Übersetzung für Atelier. In beiden Fällen handelt es sich um von der Außenwelt abgegrenzte Räume, in denen kreative Prozesse stattfinden.
Zu diesen Orten hat ein Außenstehender normalerweise keinen Zutritt. In Roigks Installation sitzt der Künstler im übertragenen Sinne am Mischpult und komponiert ein dreidimensionales Bild, in dem die Anwesenheit des Besuchers erwünscht ist. Dieser erlangt sozusagen einen Einblick „hinter die Kulissen“ sobald er die Galerie betritt. Um Roigks „Bild“ im Ganzen erfassen zu können, muss man allerdings draußen bleiben, denn nur vom Eingang aus sind beide Ebenen vollständig sichtbar.

In Studio thematisiert Stefan Roigk Sound auf inhaltlicher und formaler Ebene, wobei der Klang selbst nicht musikalisch anmutet, sondern nur assoziativ Bekanntem zuzuordnen ist. Er erinnert an Rollgeräusche, bei denen man jeden Moment eine abrupte Kollision oder ein Fallen befürchtet. Es ist ein aufwühlendes Geräusch, das eher körperlichen Stress auslöst als angenehmer Untermalung gleichkommt. Unbehagen und eine düstere Stimmung erzeugen auch die Skulpturen im Raum. Denn im Gegensatz zu seinen über Jahre hinweg in Weiß und kräftigen Farben gehaltenen Arbeiten, sind die Materialien hier überwiegend schwarz. Dazu gehören beispielsweise die soften Kunstlederobjekte, mit denen der Künstler sowohl auf das Rockerklischee anspielt, als auch auf Morbidität, denn sie erinnern in ihrer Haptik an Leichensäcke. Dabei werden sie zu Objekten der Abwesenheit und Abschirmung wie die Paravents, die mit ihrer massiven Größe von zwei Metern Höhe und drei Metern Länge wie bedrohliche Monolithen wirken.

Roigks Faszination für das Bedrohliche und Abweisende resultiert aus seiner Auseinandersetzung mit dem Grotesken und Schmerzlichen von Räumen, wie man sie beispielsweise in Francis Bacons Gemälden findet. Die distanzierende Wirkung der Arbeit steht allerdings auch im direkten Zusammenhang mit einer Haltung der Negation der Gesellschaft gegenüber, wie sie beispielsweise von Adorno thematisiert wurde. Roigks Werk soll ihr zur Folge nicht die Möglichkeit der Identifikation bieten. Es erinnert in seiner Unzugänglichkeit vielmehr an die Scheinidentitäten, welche die Gesellschaft für uns bereithält, und ihr Regelwerk, dem wir ausgesetzt sind.

Susanne Koehler. 2007.