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ANDREAS ZYBACH
 

PORÖSE FORMFRAGEN ANDREAS ZYB...

Poröse Formfragen
Andreas Zybach in der Galerie Johann König

Am Rosa-Luxemburg-Platz zeigt sich die Moderne: In der Galerie Johann König ragen stilisierte Hochhaustürme von Andreas Zybach in die Höhe. „Repetition of things to come“, die Installation des 1975 im schweizerischen Olten geborenen Künstlers, stellt mit ihren Skulpturen aus Styropor, MDF und handelsüblichen Plastikformen poröse Formfragen. Ist etwa ein Hochhausmodell, das auf einem Fundament aus Plastikschalen steht, am Boden quadratisch, so wird es am Dach rund. Dazwischen liegen die Quadratur des Kreises und einige Probleme der architektonischen Moderne. Als Ausgangspunkt für seine erste Einzelausstellung hat Zybach dabei William Cameron Menzies’ Film Things to Come von 1936 gewählt.

Der Film beschreibt eine Zeitspanne von hundert Jahren, in der sich die Menschheit einen
Weltkrieg liefert und in ein „dunkles Zeitalter“ zurückbombt. Aus diesem erwacht sie erst, als schneidige Technologen eine neue Weltordnung einführen. Die Städte jener athenisch-kybernetischen Gesellschaft werden nunmehr unter der Erde gebaut; es regieren Effizienz, Common Sense und Kommunikation. Zybach, der zuletzt bei Thomas Bayrle studierte, orientiert sich mit seiner Installation an der tatsächlich grandiosen Filmarchitektur. Für sie konnte damals Lazlo Moholy-Nagy gewonnen werden, der im Lauf der Produktion jedoch geschasst wurde. Sein Lichtdesign und manche seiner Ideen fanden teils Eingang in den Film, teils wurden sie ihr Gegenteil verkehrt: Statt transparenter Architektur baute man Häuser ohne Fenster.

Moholy-Nagys Vorstellungen werden auch von Zybachs „begehbarem Modell“ in form, dichte und Gliederung konterkariert, was als späte Kritik an Menzies’ Filmarchitektur zu lesen ist. Wenn die Ausstellung verschweigt, dass im Film ausgerechnet ein maschinenstürmender Bildhauer die Massen der neuen Zivilisation (erfolglos) gegen das herrschende System mobilisiert, dass ist das Absicht. Eine Kaffeemaschine im hinteren Teil der Ausstellung soll als Metapher auf einen Automatismus dienen, der ins Unberechenbare kippen kann. Die Maschine wurde jedoch nur am Eröffnungsabend gestürmt. Da produzierte sie eine größere Pfütze auf dem Boden und Flecken auf dem Styropor. Seitdem steht sie still und sorgt nicht, wie versprochen, für „ein kontinuierlich größer werdendes Bild auf dem Boden, analog zu dem Expansionsprozess“ der neuen Zivilisation. Die technikfeindliche Revolution muss in der Galerie, anders als bei Wells, bereits stattgefunden haben.

Von Martin Conrads
Zitty, Nr. 22, 26. Jahrgang, 16.10-29.10.2003