Barbara Gross

Schauplatz Natur

20 Oct - 25 Nov 2006

SCHAUPLATZ NATUR

Janice Kerbel (GB), Justine Kurland (USA)
Simone Nieweg (D), Jutta Strohmaier (A)

Janice Kerbel, Justine Kurland, Simone Nieweg und Jutta Strohmaier finden mit ihren Arbeiten zum Thema Landschaft, Garten, Natur in den letzten Jahren international Beachtung. Die vier jungen Künstlerinnen entwerfen fantastische Gärten, paradiesische Landschaften oder abstrakte Naturräume, die trotz ihrer augenscheinlichen Fiktionalität auf das gebrochene Verhältnis und den veränderten Umgang des modernen Menschen mit Natur reagieren. Sie nähern sich diesem traditionsreichen Thema unter neuen, zeitgenössischen Aspekten und setzen ihre Vorstellungen mithilfe von Computergrafik, Animationsfilm und Fotografie um.
JANICE KERBEL (geb. 1969) plant Home Climate Gardens, Gärten für Innenräume, in denen der moderne Großstädter seinen Alltag verbringt. Mit wissenschaftlicher Akribie recherchiert sie Lebensbedingungen der Pflanzen und arrangiert diese, abgestimmt auf das spezielle Klima, die Nutzung der Räume und die Bedürfnisse der Bewohner. Den Garten eines Fitnesscenters ordnet sie entlang der Wände, die einzelnen Pflanzen jeweils auf Kopfhöhe der Sporttreibenden, deren Körperwärme das Wachstum der Pflanzen unterstützt, die wiederum ausreichend Sauerstoff für die Menschen liefern. Auf diese Weise entwickelt Janice Kerbel ausgeklügelte, kleine Ökosysteme, die jedoch nie ihre Verwirklichung erfahren. Die Gärten existieren nur als Zeichnungen von abstrakter Schönheit. In Home Climate Gardens spielt Janice Kerbel mit der Vorstellung eines drohenden Klimawechsels, sie reagiert auf unseren Konflikt zwischen Natursehnsucht und den Annehmlichkeiten eines modernen, städtischen Lebenswandels in einer sauberen, zentralgeheizten, klimatisierten, mobilen und kommunikativen Gesellschaft.
Die Düsseldorfer Fotografin SIMONE NIEWEG (geb. 1962) beschäftigt sich ebenfalls mit Gärten. Im Gegensatz zu Janice Kerbels Zukunftsvisionen betreibt Simone Nieweg jedoch eine aufwendige Spurensuche nach heutzutage immer seltener werdenden Nutzgärten, die sie zumeist in Frankreich und im Ruhrgebiet findet. Diesen Gärten wohnt eine durch Tradition und Erfahrung geprägte natürliche Ordnung der Bepflanzung inne, die Simone Nieweg als Grundlage für die Komposition ihrer Fotografien nutzt. In ihrer formalen Ausgewogenheit, der Nuancierung zahlreicher Grüntöne wirken die Gärten wie Relikte einer scheinbar vergangenen Zeit, als der Mensch abseits kapitalistischen Kosten-Nutzen-Denkens in harmonischem Einklang mit der Natur lebte.
In den Fotografien von JUSTINE KURLAND (geb. 1969) erscheint Landschaft hingegen als weltfremdes Paradies, als entlegener Schauplatz rätselhafter Ereignisse und Handlungen. In der halbtropischen, üppigen Natur Neuseelands inszeniert sie lebende Tableaus mit jungen Mädchen, die sie in traditionellen Schuluniformen auftreten lässt. Justine Kurland zeigt die Mädchen als Ausreisser aus einer restriktiven Gesellschaft, die an großartigen Naturschauplätzen ihre Lebensfreude, Fantasie und Wildheit ausleben. Eingebettet in die Weite der Landschaft erleben sie das Abenteuer von Freiheit und Ausbruch, bevor sie durch gesellschaftliche Rollenanpassung domestiziert werden. Vor der Folie der Malerei, Photographie und Abenteuerliteratur des 19. und frühen 20. Jahrhunderts entwirft Justine Kurland eine Landschaft von allegorischem Charakter, aufgeladen mit Vorstellungen von Freiheit und Ursprünglichkeit.
In ihrem Animationsfilm Im Dickicht reflektiert JUTTA STROHMAIER (geb. 1966) die Natur als eine Konstruktion des Menschen, wie sie sich in seiner Wahrnehmung und Vorstellung konstituiert. Aus einzelnen Fotos, die während des realen Durchwanderns eines Walddickichts entstanden, entwickelt Jutta Strohmaier mittels digitaler Technik eine neue, von der Realität losgelöste Darstellung eines Waldes. Rekonstruiert sie im ersten Teil des Filmes aus den Fotos in Ansätzen noch die Bewegung durch das Dickicht, atmosphärisch aufgeladen durch die Geräuschkulisse eines klirrenden Knackens und Rauschens, wird der Raum in weiterer Folge immer abstrakter, mischt sich mit Assoziationen von Wegplänen, Ganglien, Graffitispuren. Der Gestaltungsprozess führt schließlich dazu, dass das Dickicht in der planen Fläche des blauen Himmels aufgeht und verschwindet.
JANICE KERBEL studierte am Emily Carr College of Art and Design in Vancouver und 1995/96 am Goldsmith College in London. Bis November 2006 widmet ihr das Moderna Museet in Stockholm eine Einzelausstellung. 2006 war sie in Ausstellungen am ICA, London und dem Musée des Beaux Arts in Montreal vertreten.
SIMONE NIEWEG studierte 1984 - 1990 an der Kunstakademie Düsseldorf bei Bernd Becher. Im Sommer 2006 war ihre Arbeit in einer Sammlungsausstellung im MOMA, New York zu sehen. Eine große Einzelausstellung tourte bereits 2001/02. Stationen waren u.a. das Huis Marseille, Amsterdam und das Siegerlandmuseum, Siegen.
JUSTINE KURLAND studierte an der School of Visual Arts, New York und der Yale University bei Gregory Crewdson und Philip Lorca diCorcia. Ihre Arbeiten sind in wichtigen Sammlungen, dem Guggenheim
Museum und dem Whitney Museum, New York vertreten. Ihre erste monografische Museumsausstellung fand 2002 im Museum of Contemporary Photography, Chicago statt. In Deutschland wurde sie mit ihrer Teilnahme an Wunschwelten in der Schirn Kunsthalle, Frankfurt bekannt.
JUTTA STROHMAIER studierte an der Akademie der Bildenden Künste in Wien bei Eva Schlegel. 2005 organisierte die Neuen Galerie Graz eine Einzelausstellung, 2006 sind Arbeiten u.a. im MediaLab Madrid, dem Rupertinum Salzburg und dem Künstlerhaus in Wien zu sehen.
 

Tags: Emily Carr, Gregory Crewdson, Philip-Lorca diCorcia, Janice Kerbel, Justine Kurland, Simone Nieweg, Eva Schlegel, Jutta Strohmaier