Charim

Urban Diary

24 Apr - 06 Jun 2015

Heinz Frank
DER OHNMÄCHTIGE VERSUCH MEIN DENKEN IN DIE LEERE ZU BEGLEITEN, 1980
ca. 46 x 15 x 20 cm
URBAN DIARY
Vienna Extended
Tracey Emin, FXXXism Toshain / Ceeh, Heinz Frank, Moussa Kone, Markus Krottendorfer, Roberta Lima, Elisabeth Penker, Tamuna Sirbiladze
24 April - 6 June 2015

„Urban Diary“, war zunächst ein Arbeitstitel, der eine größtmögliche Freiheit der künstlerischen Themenwahl im Rahmenprogramm von „Destination Wien 2015“, einer Ausstellung und Veranstaltungsreihe der Kunsthalle Wien, ermöglichen sollte. Zudem wollten wir einen Einblick in aktuelle Produktionen von KünstlerInnen unserer Galerie geben. In den vorbereiteten Diskussionen bildeten sich dann einige thematische Schwerpunkte heraus, die wir in der Abfolge und Einrichtung der Ausstellung verdeutlichen.

So bilden Tamuna Sirbiladzes farbintensive Malereien („Andy's hair" series) den Auftakt der Ausstellung und beschließen sie als inszeniertes Blumenarrangement, in dem Moussa Kone als Faun ("nap (pan)" 2015) träumend schläft. Neueste Fotos, die in den letzten zwei Wochen während eines Aufenthaltes in London entstanden sind, zeigt Markus Krottendorfer. Formal an seiner letzten Ausstellung in der Schleifmühlgasse anknüpfend, gestaltet er auch in der Dorotheergasse den Galerieraum um und fixiert auf einer Styroporwand silbrig glänzende Fotografien. Auch diesmal setzt er sich mit Portraitfotografie auseinander, wobei die neuen Arbeiten Personen zeigen, deren gebannte Aufmerksamkeit den Blick fesselt, sodass ihre Körper für die Blicke des Galeriepublikums wie bloßgestellt sind. Elisabeth Penker, deren Werke aus der Serie „Split Representation“ derzeit umfänglich in einer Ausstellung in Eindhoven gezeigt werden, verwendet ebenfalls installative Elemente für ihre Präsentation. Portraits sind auch für sie themengebend, wobei sie Darstellungskonventionen aufgreift, die für native Kulturen, wie beispielsweise der Maori in Neuseeland und jener der Caduveo in Brasilien, typisch sind. Elisabeth Penkers Fotocollagen, angeordnet auf einer Wand, die mit einem für native Tattoos typischen Muster überzogen ist, zeigen eine aus zwei Seitenansichten des Gesichtes komponierte Frontalansicht. Indem sie eine „westliche“ und „nichtwestliche“ Darstellungsweise ineinanderblendet befragt sie kulturell verfertigte Konventionen, die uns als natürliches Sehen gelten.

Ein Doppelportrait zeigt auch Roberta Lima. Es ist ein aus zwei Ansichten bestehendes Selbstportrait, das die als spiegelbildlich gedachten Identitätskonzepte von männlich und weiblich thematisiert und Fragen von körperzentrierten Identitätspraktiken verhandelt. In diesem Kontext sind auch die Werke von Tracey Emin, Günter Brus und Otto Mühl zu sehen, die unterschiedlich verfasste Blicke auf Körper inszenieren, Lust und Nacktheit zur Schau stellen, und mit der voyeuristischen Lust des Betrachtens spielen. Die Lust, selbst betrachtet zu werden und sich selbst zu betrachten, variiert Moussa Kone in seinen neu entstandenen Zeichnungen. Der schlafende Faun erwacht, um sich im Spiegel zu betrachten. Mit geschlossenen Augen genießt er die Blicke, die er als lustvolles Interesse an seinem Körper imaginiert. Er bietet sich dar, ungeschützt, und ahnt vielleicht etwas von der Ironie und der luziden Gewitztheit, die den Werken von Heinz Frank eigen ist. Der „Tragbare Kopf“ und ein Selbstportrait mit Loch, der „Hirnschatten, Portrait eines Selbstportraits mit leerem Schatten“ (1980) lässt sich als kontrapunktische Intervention in die thematisch verflochtene Werkpräsentation dieser Ausstellung verstehen. Heinz Frank möchte sein Denken in die Leere begleiten und zwei diesbezügliche Objekte führen geradewegs auf die Installation von FXXXism Anna Ceeh und Iv Toshain zu, deren zentrales Element ein Portrait des derzeitigen Kunsthallendirektors Nicolaus Schafhausen ist.

Eine Kniebank lädt zu einem Kniefall vor dem maßgeblichen Kurator von Destination Wien 2015 ein, doch diese Geste inszenieren die beiden Künstlerinnen nicht als devote Huldigung, sondern konterkarieren das Branding der Kunsthalle, das ihr Wappentierlogo nun in sämtliche Bereiche der Wiener Kunstwelt trägt, mit einem Gegen – Branding: Nicolaus Schafhausen wird abgestempelt, zumindest sein Plakat, das in einer Auflage von 750 Stück den Stempel von FXXXism tragen wird. Diese Geste ist nur ein Teil, der mit dieser performativen Installation inszenierten Hinterfragung von kuratorischer Selbstdarstellung und Macht. Sie verweist auf einen Wandel im Kunstfeld, welcher in den letzten 15 Jahren zu einer eigenen Produktionssparte des Kuratorischen, mit eigenen Ausbildungslehrgängen, Institutionalisierungsformen, Medien und Diskussionsforen, geführt hat. Nicht zuletzt war dies auch der Anlass zu einer Kuratorenkonferenz im Vorfeld von Destination Wien 2015, mit dem Titel: Kuratorische Ethik. Wie sehr ethische Handlungsweisen eingefordert werden müssen zeigt die gegenwärtige Konkurrenz um Themenführerschaft und Sichtbarkeit im Kunstfeld. Das komplexe Verhältnis von künstlerischer und kuratorischer Autonomie, Fragen der Macht und des Zugangs zu Ressourcen, wie eben auch die Praktiken der Vermarktung und des Brandings, die nun beide Seiten, KünstlerInnen wie KuratorInnen, betreffen, müssen neu verhandelt werden.
 

Tags: Günter Brus, Anna Ceeh, Tracey Emin, Heinz Frank, Moussa Kone, Markus Krottendorfer, Roberta Lima, Otto Mühl, Elisabeth Penker, Nicolaus Schafhausen, Nicolaus Schafhausen, Tamuna Sirbiladze, Iv Toshain