Daadgalerie

Ana Torfs

23 Sep - 04 Nov 2006

Ana Torfs
Anatomy
23. September - 4. November 2006

Die daadgalerie präsentiert ab 23. September ANATOMY, eine neue Installation der belgischen Künstlerin Ana Torfs (1963).

Torfs setzt sich in ihren Arbeiten oftmals mit Gegebenheiten unseres westlichen kulturellen Gedächtnisses auseinander. Dabei spielt die Verbindung zwischen Text und Abbildung, zwischen Lesen und Visualisieren eine zentrale Rolle. Ana Torfs eröffnet mit ihrem Werk neue Perspektiven auf vermeintlich bekannte Geschehnisse und lässt diese überraschend aktuell erscheinen.

Während ihres DAAD-Stipendienaufenthalts 2005 beschäftigte sich Ana Torfs im Freiburger Militärarchiv mit der "Strafsache wegen Ermordung von Dr. Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg vor dem Feldkriegsgericht des Garde-Kavallerie-(Schützen)-Korps im Großen Schwurgerichtssaal des Kriminalgerichts in Berlin", die im Mai 1919 geführt wurde. Die mit Präzision ausgewählten Aussagen, "Eine Tragödie in zwei Akten", bilden die literarische Vorlage ihres Projekts, das den doppelsinnigen Titel ANATOMY trägt.

Ana Torfs wählte 25 junge Berliner Schauspieler, um ausgewählte Zeugnisse aus dem Wortprotokoll darzustellen und zeichnete diese auf Video auf. Weitere 17 Schauspieler verschiedenen Alters, wie Therese Affolter, Judith Engel, Stefan Lisewski und Matthias Matschke, standen der Künstlerin für schwarz-weiß Dia-Aufnahmen Modell. Als setting wählte Ana Torfs den Hörsaal des sogenannten "Anatomischen Theaters" in Berlin, einem Langhans-Gebäude von 1789-1790.

Das Ergebnis ist eine Installation, die großflächige Diaprojektionen mit Videobildern auf zwei Monitoren verschränkt. Die von den Schauspielern in Deutsch vorgetragenen Texte wurden von einer Dolmetscherin ins Englische übertragen. Über drahtlose Kopfhörer empfängt der Besucher diese im doppelten Sinne andere Sprache. ANATOMY seziert Sprache und Inhalt.

Der absurde Schauprozess gegen die Mörder Luxemburgs und Liebknechts enthält viele quälende Details zum konkreten Mordgeschehen. Daher enthalten die Videoaufnahmen eine Art langsames Sterben, erzählt aus der Perspektive der 25 Zeugen und Angeklagten. Der dargestellte Text ist in kurze Szenen eingeteilt, in der alle Details von verschiedenen Blickwinkeln aus erzählt werden, damit die Relativität des Erzählten deutlich wird. Im Mittelpunkt steht die Sprache und die Frage, wie viel verrät sie über das Land, die Beteiligten und den Kontext. Sprache ist eben niemals objektiv.

Die Dia-Projektionen in Torfs‘ ANATOMY bilden einen abstrakten visuellen Kontrapunkt zu den Videobildern. Die Aura des Anatomischen Theaters unterstützt mit ihrer Architektur, die u.a. zwischen Bühne, griechischem Theater und Gerichtssaal oszilliert, eine suggestive Wirkung. Das Anatomische Theater eignet sich für ihr Projekt ANATOMY besonders gut, weil dieser Ort, an dem seziert und analysiert wurde, auf mehrfache Weise ihr künstlerisches Vorgehen spiegelt, in dem sie manchmal wie mit einem Skalpell in die historischen Texte schneidet, um bei der anschließenden Analyse u.a. die Aussichtslosigkeit der Wahrheitssuche deutlich zu machen.

In Zusammenhang mit der Ausstellung erscheint eine Publikation mit dem gleichnamigen Titel ANATOMY. Die Publikation enthält den Text der "Tragödie in zwei Akten" von Ana Torfs. (64 Seiten, deutsch und englisch).

Biografische Hinweise
Ana Torfs wurde 1963 in Belgien geboren und lebt und arbeitet in Brüssel. Zu den jüngsten Arbeiten von Ana Torfs gehören, neben verschiedenen Installationen mit Diaprojektionen, Fotoserien, ein Webprojekt und ein 35mm-Spielfilm, auch unterschiedliche Publikationen. Ihr Œuvre, das sich nicht auf ein bestimmtes Medium festlegen lässt, bietet vor allem eine starke filmische Erfahrung, der aber oft ein Text zugrunde liegt: Die Konversationshefte eines ertaubten Komponisten (Zyklus von Kleinigkeiten, 1998, Spielfilm), ein Prozesstext aus dem fünfzehnten Jahrhundert (Du mentir-faux, 2000, Diaprojektionen und Künstlerbuch), ein Theatertext aus dem Jahre 1890 (The Intruder, 2004, Diaprojektionen und Tonspur). Dies alles wird zu Ausgangspunkten ihrer Arbeit.
Torfs zählt nicht nur zu den wichtigsten Vertreterinnen der belgischen Kunstszene, sondern ihr Werk ist international bekannt durch ihre Teilnahme an folgenden Projekten: Biennale Lyon (1995), Biennale Montreal (2000), ForwArt Biennale Brüssel (2002), Approximations/Contradictions — ein Webprojekt für die Dia Art Foundation New York (2004). Im Jahre 2005 wurde sie mit dem Preis für Visuelle Kunst der flämischen Gemeinschaft Belgiens ausgezeichnet. Die Gesellschaft für Aktuelle Kunst in Bremen widmete der Künstlerin vom 26. Januar bis 23. April 2006 eine Einzelausstellung mit dem Titel Figuren/Projektionen (Publikation) und im Rahmen des Sonambiente Festivals in Berlin zeigte sie diesen Sommer Ihren Film Zyklus von Kleinigkeiten und das oben genannte Webprojekt Approximations/Contradictions (www.diaart.org/torfs oder www.sonambiente.org) Das Projekt ANATOMY wird vom 3. Februar bis 10. März 2007 bei argos - Zentrum für visuelle Kunst - in Brüssel zu sehen sein. (www.argosarts.org)

Das Projekt ANATOMY wurde ermöglicht mit der Unterstützung der flämischen Behörden.

Dauer der Ausstellung: 23 September - 4. November 2006
Öffnungszeiten: täglich außer So, 11 - 18 Uhr

Eröffnung: 22. September 2006, 19 - 21 Uhr

Für Bildmaterial, Interviewwünsche und weitere Informationen wenden Sie sich bitte an:
Ute Weingarten - artpress
Tel. 030-21 96 18-43 /-46
Funk 0175-2221561
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