Daniel Buchholz

Mathias Poledna

21 Sep - 23 Oct 2007

Installation View
MATHIAS POLEDNA
“Crystal Palace”

Masken neben sich voraus, die man ebensogut an ihrer Statt hätte wählen können. Indem wir ein besonderes Problem erörtern, hoffen wir, gezeigt zu haben, daß eine Maske nicht in erster Linie das ist, was sie darstellt, sondern das, was sie transformiert, d.h. absichtlich nicht darstellt. So wie ein Mythos verneint auch eine Maske ebensoviel, wie sie bejaht. Sie besteht nicht nur aus dem, was sie sagt oder zu sagen meint, sondern auch aus dem, was sie ausschließt.”
—Claude Lévi-Strauss

In seiner zweiten Einzelausstellung in der Galerie Daniel Buchholz zeigt der in Los Angeles lebende Künstler Mathias Poledna die Filmarbeit “Crystal Palace” (2006), die in diesem Rahmen erstmals in Europa präsentiert wird.

“Crystal Palace” zeigt in einer Serie von drei unbewegten, lang anhaltenden filmischen Einstellungen Ansichten eines montanen Regenwaldes in der entlegenen Southern Highlands Province von Papua Neu Guinea. Die sorgfältig ausgewählten, eng kadrierten Einstellungen des in 35mm aufgenommenen Filmes werden gänzlich von den undurchdringlich erscheinenden, monochromatischen Mustern der Regenwaldflora eingenommen und legen — mit Ausnahme des offensichtlichen Vorhandenseins einer Kamera — keinerlei menschliche Präsenz nahe. Lediglich geringfügige Veränderungen in den Lichtverhältnissen und gelegentliche Bewegungen in den Blättern liefern visuelle Anhaltspunkte für das Verstreichen von Zeit. Die Tonspur des knapp halbstündigen Filmes besteht aus einer Montage von vor Ort Aufgenommenem und von archivarischen “Field Recordings”, die zwischen vereinzelten, markanten Insekten- und Vogelstimmen und intensivem Drone-haftem Lärm oszillieren. Sie scheinen die Szenen des Filmes gleichermaßen synchron zu begleiten als auch sich unabhängig von ihnen zu entfalten.

Der Titel der Arbeit erinnert zunächst an die gleichnamige von Joseph Paxton entworfene monumentale Stahlund Glasarchitektur, die 1851 im Londoner Hyde Park als Ausstellungsort für die “Great Exhibition” errichtet wurde und einen bedeutenden Vorläufer moderner Architektur und serieller, industrieller Bauweise darstellt. Die “Crystal Palace Exhibition” sollte die Gesamtheit der Produkte der Industrienationen darstellen und präsentierte diese, in “genuin kapitalistischer Präsentationsform” (Thomas Richards), eingebettet zwischen exotischen Displays, Fauna und Flora. Einen spezifischen Bezugspunkt des Projektes stellt auch “Sounds of a Tropical Rainforest” dar, ein 1951 vom US-Amerikanischen Label Folkways Records produziertes Album teilweise inszenierter Natur-Feldaufnahmen, das als akustische Begleitung einer Ausstellung im American Museum of Natural History in New York über im Amazonas-Raum lebende indigene Stämme gedacht war.

Mathias Polednas Arbeit erzeugt eine komplexe Spannung zwischen einem spezifischen Ort, dessen filmische Erscheinung und darum zirkulierenden Vorstellungen und historischen Konzepten. Im gleichen Maße wie “Crystal Palace” sich als fragmentarisches Dokument eines bestehenden Ortes und dessen Geschichte anbietet, zeigt der Film Bilder eines tropischen Regenwaldes, die sich scheinbar nicht von der allgemeinen Vorstellung dessen, wie Bilder eines tropischen Regenwaldes aussehen oder aussehen könnten, unterscheiden. Die weitgehende Bewegungslosigkeit der Bilder, die hohe Tiefenschärfe, mit der diese aufgenommen wurden, die sie paradoxerweise, flach erscheinen läßt, verleiht dem Film darüber hinaus eine ungegenständliche Dimension, die, in Verbindung mit der intensiven Tonspur, die physiologische Erfahrung abstrakter und struktureller Filme nahelegt.

Im zweiten Raum der Galerie ist ein Exemplar eines von Adolf Loos in Zusammenarbeit mit Max Schmidt von der Wiener Firma Friedrich Otto Schmidt entworfenen Tisches zu sehen. Der aufgrund seiner skulptural ausgeformten Beine als “Elefantenrüsseltisch” (Elephant trunk table) bekannte Tisch geht auf angelsächsische und chinesische Vorbilder zurück und wurde von Loos in zahlreichen seiner Wohnungseinrichtungen, zumeist als Cocktailtisch, verwendet. Loos’ Auffassung entsprechend, daß es nicht Aufgabe des Architekten ist, Möbel zu entwerfen, handelt es sich bei dem Objekt um die “modernisierte”, d.h. von dekorativen Elementen befreite, Aneignung eines historischen Vorbildes. Der Tisch wurde in einer Reihe verschiedener Versionen hergestellt. Das gezeigte achtbeinige Exemplar aus Mahagoni-Holz wurde um 1910 angefertigt und ist mit einer runden Tischplatte, mit einer Einfassung und Fußenden aus poliertem Messing, sowie einem in die Tischplatte eingelassenen Quadrat aus blauen Kacheln versehen.

“Crystal Palace” wurde in Kooperation mit dem Hammer Museum, Los Angeles, dem Museum of Contemporary Art in Chicago und dem New Museum of Contemporay Art, New York produziert. Die Arbeit wurde Anfang 2007 erstmals in Los Angeles präsentiert. Im Februar 2008 wird sie in Chicago und im Herbst 2008 in New York zu sehen sein. Anlässlich der Ausstellung im Hammer Museum, Los Angeles erschien ein Katalog mit Essays von Russel Ferguson, dem Kurator der Ausstellung, und Christian Kravagna. Bei dem “Elefantenrüsseltisch” handelt es sich um eine Leihgabe der Galerie Erik Bausmann, Mainz.
 

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