"SCHRÄGLAGE", TEXTBEITRAG VON PROF. DR. MATTHIAS BLEYL ZU E. SONNECK, IN: "SELECTED ARTISTS"; AUSSTELLUNGSKATALOG NGBK, HG. KULTURVERWALTUNG DES BERLINER SENATS, 2009
"Elisabeth Sonnecks Wandarbeiten leiten sich grundsätzlich immer von einem vorgegebenen Raumgefüge ab. Der Zugang der Künstlerin zur vorgefundenen Räumlichkeit ist also stets dialogisch. (...) Jede Wandmalerei wird formal, d.h. den Rhythmus der Farbfolgen betreffend, nur aus den vorliegenden formalen Gegebenheiten des jeweiligen Raumes hergeleitet, also dem Aufmaß zufolge gebildet. Farblich bezieht sie sich sowohl auf die spezifische Raum-Licht-Situation vor Ort, als auch - soweit vorhanden - auf die darin integrierten Bilder. Allen Arbeiten ist die nicht konzeptionelle, sondern erst vor Ort entwickelte Erarbeitung der raumbezogenen Farbtöne durch polychrome, halbtransparente Schichtungen gemeinsam, deren Wahrnehmung sich auf Standort und Entfernung des Betrachters bezieht: Was von weitem eine scheinbar homogene Farbe ist, bricht bei zunehmender Nähe in eine vibrierende, uneindeutige Mehrtonigkeit auf. Der Farbaufbau jeder Fläche ist also stets polychrom, so dass die daraus resultierende Farbigkeit der so nicht materiell vorhandenen Farbtöne aus der Entfernung zwar relativ statisch, nahezu monochrom, aus der Nähe jedoch lebendig zusammengesetzt und pulsierend wirkt. (...) Dieser Aspekt wird durch die von links nach rechts und umgekehrt zu lesenden, abzuschreitenden Flächenrhythmen unterstützt, so dass der Rhythmus sich in die Bewegung des Betrachters einschreibt und körperlich erfahrbar wird, wobei sich die raumbildende Wirkung der Wandmalerei bei zwei einander gegenüber liegenden Wänden noch verstärkt. Durch die unumgängliche körperliche Involvierung des Betrachters geht die Farbwahrnehmung mit der Wahrnehmung des eigenen Standortes und der Selbstwahrnehmung inmitten der Farbe (...) einher. Der vorgegebene Raum wird also nicht als bloßer Hintergrund für Malerei genutzt. Vielmehr werden seine Eigenheiten, auch sein emotional wirksamer Charakter, befragt und berücksichtigt und in die Arbeit einbezogen. Die Künstlerin antwortet mit den Mitteln der Malerei auf seine gegenwärtige Gesamterscheinung, wobei die durch seine Nutzung in den Raum eingeschriebenen Eigenheiten, etwa die im Lauf seiner Geschichte hinzugekommene Abnutzung oder sonstige zufällige Mängel, ebenso mit aufgenommen werden.""Schräglage", Matthias Bleyl in: "Selected Artists", Ausstellungskatalog, Hg. Neue Gesellschaft für Bildende Kunst, 2009