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ELKE MARHÖFER
 

CAROTTES DISPLAY IN (EIGEN...

Carottes

Display in (Eigen-)Produktion
Das sonst nur von grossen Konzernen im Stadtraum plazierte glatte (Werbe-)Display wird seiner ökonomischen Funktionalität enthoben und an weitere Momente herangeführt: an das Motiv des Universalen, die monumentale Skulptur, die Kontemplativität und die spirituelle Praxis im Stadtraum - einer äußerst windigen Umgebung. Desweitern sollen Fragen nach Grössen- und Ideologieverhältnissen gestellt werden: Ist das Mosaik am Haus des Lehrers in Berlin monumental oder groß? Wann wird Größe monumental und wie steht Größe in Relation zum umgebenden Stadtraum? Wie kann man über Größe entscheiden ohne der Diktatur der richtigen Proportion und der Angemessenheit zu erliegen? Zur gebauten Ideologie der ehemaligen DDR Architektur wird eine weitere Ideologie hinzugefügt: go further east/south, eine gebastelte Drittweltisierung der sogenannten ersten Welt. Es sind die dem asiatischen Kulturraum entnommen großformatigen Gesichter, die wie aus Comics entstiegen, auf die Erde gefallene Riesenwesen wirken, die uns betrachten und neben uns ihr eigenes Leben im Stadtraum führen.
Wir, die Betrachter, die Bilder-Voyeure, werden von Bildern gesehen, die größer sind als wir selbst. Nicht die Größe produziert notwendigerweise Monumentalität, sie ist von ihrer Motivation und dem Gebrauch der Zeichen abhängig.



fuckem if they dont wanna see o'listen o'read 2001

Kontextspezifisch auf den Ort Mariannenplatz in Berlin-Kreuzberg und auf das Ereignis der linken Mai-Demonstration im Jahr 2001 bezugnehmend, versuche ich in der Installation fuck them if they dont wanna see o'listen o'read die Ebene des "lokalen" mit der Ebene des "globalen" zu verbinden: die Subjekte der Revolten und ihre Zeichen bilden den Ausgangspunkt dieser dreiteiligen Arbeit, zu der ich Sina Choi und Frank Motz um Beiträge gebeten habe.



2002 theorie design

Mit der Idee der Kontextverschiebung durch eine Plakatierungsaktion in Harlem (New York) nahm ich Bezug auf die veränderten Formen der Plakatierung im Berliner öffentlichen Raum der 1990er: Neben dem politischen Plakat (z.B. Aufforderung zur Teilnahme an einer Demonstration) tauchten in inflationärem Maße Poster und Flyer für Club-Events oder Partys auf, denen eine neue Ästhetik eigen war. Plötzlich, durch das Erscheinen erschwinglicher Computer mit Zeichen- und Layoutprogrammen auf dem Markt, begannen viele, mit eigenhändig erstellten Plakaten die bisher geltenden Regeln des Design und seiner Bearbeiter außer Kraft zu setzen, ähnlich der Entstehung von Videokunst Ende der 1960er, als der Erwerb eines Aufnahmegeräts als Massenprodukt möglich bzw. (für KünstlerInnen) ökonomisch vertretbar wurde. Dadurch ergab sich
eine Demokratisierung der gestalterischen Möglichkeiten im Sinne von: Jede/r-ein/e-DesignerIn. Umgekehrt veränderte sich auch das althergebrachte politische Plakatdesign: politische Grafiken begannen wie Partyangebote auszusehen. Eine ungekannte Plakatgestaltungswelle entstand.
Diese Aspekte stellte ich anhand meiner eigenen Plakatierung des öffentlichen Raums in New York zur Disposition. Die Sichtbarkeit des technischen Angebots ohne Verheimlichung der Methode vereinte die acht Offsetdrucke (Titel: Theorie designt). Zwei von ihnen lagen Fotos aus Südostasien zugrunde: eine Gruppe "arbeitsloser" Arbeitselefanten, die einer Gruppe von (im Sinne der Ökonomie produktiver) TouristInnen gegenüber steht. Im Vordergrund bauen zwei Personen eine Hütte (im herkömmlichen Sinne von Arbeit). Auf fünf Plakaten sind ovale und rechteckige Strukturen zu sehen, mittels Computer gezeichnet, die jeglichen informativen Gehalts entbehren und einen Bezug zu All-Over-Traditionen einer Malerei á la Jackson Pollock herstellen. Ein Plakat zeigt Kinder vor einem grafischen Sonnenuntergang.
Es ging mir um ein aktives Sympathisieren mit, ein Partizipieren an, und ein Importieren jener Plakatierkultur und der daraus resultierenden Kontextverschiebung. Eines dieser Plakate trägt ein Zitat Jacques Derridas zur Digitalisierung der Stadt.



time, space and drugs

- air condition transfer - from 225 Central Park West to 543 East 12th Street Zur Ökonomie von Zeit, Immobilien und Drogen (in Manhatten):
Erster Tag, Central Park West. Fotografieren einer herkömmlilchen Klimaanlage in einem Ein-Personen-Appartment. Der Mietzins beträgt hier im Jahr 2002 bei Neuvermietung 1500 US$ - und liegt damit relativ weit unter den Preisen der Vorjahre.
Soho. Anfertigung eines Digitalprints in der Größe 43x68cm zum Preis von 60 US$. Hier befinden sich trotz der hohen Immobilienpreise neben Designerläden und Galerien viele Produktionsstätten. Zweiter Tag, East Village. Installieren des Digitalprints, mit dem Motiv der Klimaanlage in einem Ein-Personen-Appartment, in dem drei Personen halb-illegal leben und eine Wohngalerie betreiben. Der Mietzins beträgt hier im Jahr 2002 720 US$.
Brooklyn. Kauf von Kokain 1Gramm 20 US$ und Installation zur freien Verfügung in der Wohngalerie im East Village. Das Projekt air condition 225 Central Park West transfered in one day to 543 East 12th Street versucht Analogien zwischen der Politk der Kunst und der Marktpolitik zu finden. Einer Marktpolitik, die sowohl extrem frei wie auch extrem restriktiv agiert.
Kunst in einer schnellen, kurzen Manier produziert, versucht eine Annäherung an die Geschwindigkeit, in der die globale Ökonomie funktioniert, hier die Ökonomie des Immobilien- und Rauschgiftmarktes, deren Konsequenzen überall sichtbar werden.
Die Geschwindigkeit, mit der Güter zirkulieren, geht eine paradoxe Symbiose ein mit dem Moment Zurückhaltung. Immobilien und Rauschgift sind Güter, die der Restriktion und des Verbots unterliegen. In beiden Fällen bestimmt nicht "Angebot und Nachfrage" die Preise, sondern Verbot und Zurückhalten - von Zeit, von Raum und von Drogen.



révolutionaire! - il n'y a pas de révolution
surface de révolution

die schnittstelle von ästhetischer repräsentation und politisch-sozialer verantwortung der bildenden kunst gegenüber der restlichen wirklichkeit trifft das interesse meiner tätigkeiten. welches verhältnis geht die kulturelle produktion der bilder mit der sogenannten realität ein? welche veränderungen lassen sich mit kunst bewirken und was hat mein verlangen nach innovation und kooperation damit zu tun? resultat solcher fragen war surface de révolution, eine von mir organisierte veranstaltungsplattform zur selbstdarstellung zeitgenössischer protest- und widerstandsgruppen wie indymedia, kanalB, attac, falun gong, bildungssyndicat, jugend-antifa, kurdistan e.v. und karawane. die authentisch-politische selbstdarstellung der teilnehmerInnen der plattform interpretiere ich als eine inszenierung der souveränität des selbst und damit bestandteil der eigenen subjektbestimmung.
widerstand und protest werden genossen und ästhetisiert, sie sind situative aufführungen und wissen zumeist um ihre (temporäre) konstruiertheit. sie sind von dem konkreten wunsch zur veränderung unserer realität geleitet und beanspruchen und benötigen (zur realisierung ihres Anliegens) die inszenierung von souveränität. sie zeigen das recht zu extravaganz und freiheit der revolte "an sich": Den Moment "alles zu wollen und jetzt gleich", sie fordern und fördern die bedeutung der aktualität des gegenwärtigen augenblicks.
teilnehmer: indymedia, kanalB, attac, falun gong, bildungssyndicat, jugend-antifa, kurdistan e.v. and karawane raum: galerie koch and kesslau 2, berlin, 2002



Be an enemy

found object
Im November 2002 erwarb ich in einem Thrift-Store auf der 125. Straße in Harlem, New York, den abgebildeten und von mir ausgestellten Wandbehang. Er ist zweifach einem objet trouvé ähnlich: ersten indem ich ihn austelle (als zufällig gefundenes Abfallprodukt) und zweitens, weil ihn der/die AutorIn aus gebrauchten und dann wiederverwendeten (Abfall-)Materialien gestaltete: einer Gardine, bestickt mit Filzbuchstaben, einer Dreadlock, Fotokopien von Songtexten der Band Public Enemy sowie einer chinesischen Mischkassette deren ursprüngliche Klänge offenbar mit Musik von Public Enemy von einer/m DJ überspielt wurde. Diese Songfragmente sind zu Beginn Phonemen und Wortfetzen ähnlich und werden im Verlauf zu fast vollständigen Sätzen mit (politischen) Inhalten. Die aufgenähte Schrift Be an enemy fordert die BetrachterInnen dazu auf, selbst ein enemy zu werden.
Public Enemy gehört zur Old School des Hip Hop und zeichnet sich durch Texte aus, welche auf die marginalisierte politische und soziale Lage vieler African-American eingehen. Über die Geschichte der DJ's und deren Territorien sagt Tricia Rose: "Wie die Graffitis und Breakdancegruppen, kämpften DJ's um Territorien. Vier große DJ's traten in der Bronx (der 1980er Jahre) in Erscheinung: Kool Herc's Territorium war die West-Bronx, Afrika Bambaataa dominierte das östliche Bronxufer, DJ Breakout's Territorium war die nördlichste Sektion der Bronx und Grandmaster Flash kontrollierte die südlichen Sektionen. Diese Territorien wurden durch lokale DJ-Kämpfe, Clubauftritte und die Zirkulation von Kassetten von Liveauftritten etabliert. Die Auftritte der DJ's wurden von den DJ's selbst und Zuschauern aufgenommen, kopiert, gehandelt und auf großen transportablen Stereokassettenspielern, die Sounds der DJ's verbreitend, abgespielt. Diese Kassettentapes reisten weit über die Bronx hinaus; schwarze und puertoricanische Rekrutierte der (US-)Armee verkauften und handelten diese Tapes auf Militärstationen im Land (USA) und in der Welt."
Tricia Rose, Black Noise, 1994 herausgegeben von Westleyan Press, Middletown.



moving territories 2003

Anlässlich der Ausstellung moving territories, organisiert von der Akademie Solitude und der Merz Akademie Stuttgart vom 27.-29. Juni 2003 im Ex-Ikea-Gebäude, haben Anne-Marie Schleiner und ich eine website konzipiert sowie den Rapsong Extopia produziert und veröffentlicht. Die website bot den BesucherInnen der Ausstellung zwei Archive mit den Titeln sein und schein zur Benutzung an.
sein ist ein Textarchiv (wie es oft von Musikfans im Internet angelegt wird) mit sechs (aufgrund ihrer politischen Aussage ausgewählten) Songtexten der Bands Molotov, Freundeskreis, Talib Kweli, NWA (Niggas With Attitude), 2pac und Public Enemy. Gegenüber steht unser eigenes Archiv schein - die Sammlung und Veröffentlichung unserer eigenen Text- und Songproduktion. Vom Begriff ausgehend evoziert das sein das, was professionell produziert und auf dem internationalen kommerziellen Musikmarkt gehandelt wird. schein hingegen promotet den Dilettantismus einer offensichtlich unprofessionellen Musikproduktion und orientiert sich an der Idee, dass jede(r) aufgrund von minimalen technischen Notwendigkeiten ein(e) MusikproduzentIn sein kann. Ethisch gesprochen wird das Falsche dem Echten vorgezogen. Die website, als Textarchiv und Musikbox konzipiert, bot den BesucherInnen, der Methode des Karaoke ähnlich, die Möglichkeit, die Songtexte zu lesen und die Musik zugleich abzuspielen.
Um die Wechselwirkungen von "realem" und "medialem" Raum zu forcieren, wurden von uns drei transportable Bumboxen in der Ausstellung installiert. Diese wurden von den BesucherInnen nach Wunsch durch die 1000. qm große Ausstellungsfläche getragen. Das Abspielen der Songs erzeugte die Möglichkeit einer Interaktion mit anderen BesucherInnen und Werken der Ausstellung, und markiert durch Sound ein moving territory.



"das ist die Idee"

Elke Marhöfers Arbeit "das ist die Idee" ist eine Serie von Bleistiftzeichnungen, auf denen "Kollektivkörper", heterogene Gruppierungen von Personen zu sehen sind, denen ein spezifisches Verlangen, eine Sehnsucht, eine ähnliche Nachdenklichkeit und Frustation gemein ist. Zu sehen sind aus Buchillustrationen nachgezeichnete Versammlungsszenen, die nicht näher erkennbare politische Momente aus der Zeit der Endsechziger des letzten Jahrhunderts dokumentarisch festhalten. Wie stellt sich eine Ex-Bewegung dar und historisiert sich, die die Geschichtsschreibung selbst, mit ihren linearen Repräsentationstrategien verwerfen wollte? Art der Zusammenkunft und Ausdruck der Gesten suggerieren Auseinandersetzung und eine kollektive Suche nach Veränderung. Verhandelt wird die Repräsentationspolitik des konkret versuchten gesellschaftlichen Umbruchs - welcher heute seltsamerweise seltsam naiv erscheint - ein Umbruch, in eine andere, befreite, unbürgerliche, glückliche Zukunft, ist es was die Künstlerin zu dieser Reihe inspirierte. Dieser eher historisch-kulturelle als politisch-analytisch gedachte Ansatz zu den Protestbewegungen von Minoritäten (Feminist(inn)en, 68er(innen), Postkolonialist(inn)en) rührt aus der Überlegung, "dass auch politische Kunst politische Ziele zu konsumierbaren Produkten macht". "Ein Blick, auf die Gegenkulturen der 60er, 70er und 80er und ihre politischen Zusammenhänge (die uns um vieles größer und reicher erscheinen als die heutigen), stellt vorallem ihr Vermögen frei zu affizieren und affiziert zu werden. Die Affekte derer wir fähig sind, ist das, was unsere Körper definiert - nicht ihre Biographie und ihre Individualität." (Elke Marhöfer)
Oder wie Giorgio Agamben in "Die kommende Gemeinschaft" schreibt: "Denn wenn es den Menschen gelänge, statt weiterhin in der längst uneigentlichen und sinnlos gewordenen Gestalt der Individualität ihre Identität zu suchen, diese Uneigentlichkeit als solche anzunehmen, aus dem eigenen So-Sein nicht eine individuelle Identität und Eigenschaft zu machen, sondern eine identitätslose Singularität, eine gemeine, völlig ausgestellte Singularität - wenn die Menschen also vermögen würden, ihrem So-Sein nicht diese oder jene biographische Identität zu geben, sondern einzig das So zu sein, ihre singulaere Äußerlichkeit und ihr Gesicht, dann träte die Menschheit erstmals in eine bedingungslose Gemeinschaft ohne Subjekt ein, in eine Mitteilung, die nichts kennt, was nicht mitteilbar wäre."



helle nacht nichten; 2004-09-14

Das Video will dem konkreten Wunsch zur Veränderung unserer Realität folgend die situativen, temporären Aufführungen, die in unserem gegenwärtigen, sozialen Raum bereits vorhanden sind, dokumentieren und neue hervorbringen. helle nacht nichten; ein Video, der sich aus Bild- und Sprachcollagen zusammensetzt. Die ersten Aufnahmen entstanden in der Post-Anschlags-Zeit des 11. September in New York 2001. 2002 wurden weitere Abschnitte in Paris und Berlin gedreht. Der zweite und umfassendste Teil, eine aphoristische Sprachcollage, entstand 2003 in Stuttgart, in Zusammenarbeit mit zwölf jugendlichen AkteurInnen aus zumeist politisch aktiven Zusammenhängen. Personen mit politisch-analytischen Ambitionen zur Mitwirkung und Diskussion einzuladen, erschien, durch die während der Entwicklung des Videos entstandenen Fragen zu politischer Identität und zu Souveränität von Subjekten, notwendig. helle nacht nichten; geht der Frage nach, wie eine Politik der Sehnsüchte aussieht, in der das Ich/Wir dem Du/Ihr nicht entgegen steht. Wieviele Wir - Formen muss es geben? Und wer und wo ist diese Multitude, wie sie von Hardt/Negri in dem Buch Empire beschrieben wird?
Der erste Abschnitt des Videos (7min) dokumentiert per Bildcollage das Verhältnis von Subjekten zueinander sowie deren situative, temporäre Aufführungen (das Durch-die-Gegend-Streifen, das Tragen von Moden/Zeichen, das Protestieren, das (Nicht-) Tun) im sozialen Gegenwartsraum.
Der zweite Abschnitt (18min) inszeniert bühnenhaft die gute Begegnung. Per Sprachcollage, einem gespielten provokanten politischen Diskurs zwischen den oben charakterisierten AkteurInnen, wird der Souveränitätsbegriff, die Erzeugung politischer Subjekte, die Konstruktion von Marginalen diskutiert. Eine essentielle Frage, die sich entwickelte, war, wie sich ein Zugang zu Politik jenseits von Verwaltung und dessen, was nach Maß eben der Verwaltenden und ProfiteurInnen praktikabel sei, gestalten kann? Die Textvorlage diente den DarstellerInnen als Diskussionsangebot, um Probleme und Argumente entwickeln zu können, wurde von ihnen in Eigenregie verlassen und wiederaufgenommen. Sie stellte das Vermögen der
AkteurInnen frei, zu affizieren und affiziert zu werden. Die Textvorlage besitzt die Form des Aphorismus', da dort, wie ich glaube, das Recht auf Sinnwidrigkeit liegt, "der Aphorismus ist ein Spiel von Kräften, die einander immer äußerlich sind, er will nichts sagen, bedeutet nichts und hat nicht mehr Signifikantes als Signifikates". (Gilles Deleuze)