Conrads

LOTTA HANNERZ

08 Nov - 20 Dec 2008

Lotta Hannerz >Picture plane< 2008, oil on canvas, 130 x 162 cm © CONRADS, Duesseldorf
installation view Lotta Hannerz, CONRADS raum1
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LOTTA HANNERZ Second Nature
„Many ideas occur in the play between what we see and what we think we see. Even if it’s just a split second of misinterpretation. What interests me is to try to register this gap, to measure the unpredictable. A kind of intraordinary ruler, human by default“

So knapp umreißt Lotta Hannerz ihre künstlerische Arbeit.
Wahrnehmungspsychologisch würde man sagen, dass sie den Unterschied zwischen dem was unsere Sinnesorgane erfassen und dem was wir wahrnehmen auslotet. Auf dem Weg vom retinalen Bild zum mentalen Erkennen werden Informationen ausgefiltert, kategorisiert, verknüpft und bewertet. Hier setzt die Künstlerin an, indem sie diesen komplexen auf Erfahrung basierenden Prozess unterbricht, oder besser: sie stellt der Wahrnehmung ein Bein und bringt den Deutungsverlauf ins Stolpern. Von da an ist nichts mehr, wie es bisher war oder sein sollte.
Die Surrealisten nannten dies die Suche nach der Magie im Alltäglichen. Als eine der letzten Studenten des schwedischen und in Paris lehrenden Künstlers Erik Dietman (1937 – 2002) setzt Lotta Hannerz die surrealistische Tradition fort. Ihr Werk ist im selben Kontext angesiedelt wie das anderer Gegenwartskünstler wie Maurizio Cattelan, Mona Hatoum, Ron Mueck, Robert Gober oder Gregor Schneider, die jeweils sehr individuell und doch vor dem Hintergrund der surrealistischen Idee ihre künstlerischen Positionen entwickelt haben.
Bei Hannerz ist es nicht so sehr die psychische Befindlichkeit des Betrachters, die unterminiert wird. Für die Künstlerin ist Wahrnehmung auch immer Erkenntnisprozess. Die gewünschte Irritation setzt ganz gezielt schon bei der Wahrnehmung an und lenkt diese in neue Bahnen. Im besten Fall kann – und da ist ihr Denken durchaus der Tradition der Moderne verpflichtet – ihre Kunst modellhaft eine Neustrukturierung unserer alltäglichen Wahrnehmung leisten.
Der feiner Humor, der ihre Arbeiten durchzieht, dient als Vehikel komplexer Fragestellungen. Die Arbeit >Collapsible sculpture, Man packs into his own bag< von 2005 ist ein sehr schönes Beispiel für ihre Arbeitsweise. Eine lebensgroße Männergestalt mittleren Alters (so etwas wie ein von Hannerz erfundener „Normalbürger“) betrachtet eine dreiteilige gerahmte Fotoarbeit an der Wand des Ausstellungsraumes - neben sich eine Tasche auf dem Boden. Die Fotografien zeigen in einer Sequenz wie eben jene betrachtende Figur in wenigen Schritten zusammengelegt und in seine eigene Tasche gesteckt wird.
Die Arbeit hat eine Vielzahl von Bezugspunkten. Zunächst entzieht sie sich durch ihren vorläufigen transitorischen Charakter der Idee der klassischen statischen Skulptur. Die Kunstfigur studiert als Stellvertreter des Ausstellungsbesuchers im höchst realistischen Medium der Fotografie die Gebrauchsanleitung zur eigenen Beseitigung. Der Ausstellungsbesucher kommt unversehens in die Situation, sich selbst in einem äußerst eigentümlichen Zusammenhang zu betrachten. Eine zeitgenössische Vanitassymbolik wird so unmittelbar erlebbar. Aber der Betrachter nimmt dies mit einem Lächeln zur Kenntnis, denn hier birgt das Absurde nicht die Sinnlosigkeit des Lebens, sondern eher ein großes Maß an Freiheit.
 

Tags: Maurizio Cattelan, Erik Dietman, Robert Gober, Mona Hatoum, Ron Mueck, Gregor Schneider