Richard Artschwager
15 Mar - 04 May 2013
RICHARD ARTSCHWAGER
Remembering
15/03/2013 - 04/05/2013
Mit Richard Artschwager ist am 9. Februar 2013 einer der bedeutendsten Künstler der Gegenwart verstorben. In seiner über ein halbes Jahrhundert andauernden künstlerischen Tätigkeit hat Artschwager die Gattungsgrenzen von Malerei, Skulptur und Zeichnung überwunden und das Verhältnis zwischen Objekten, ihrem Umraum und dem Betrachter stets aufs Neue hinterfragt.
Richard Artschwager hat Wien und allen seinen Besuchern ein architektonisches Kleinod hinterlassen. Auf Einladung von Georg Kargl hat er sich 2005 für den Ausstellungsraum Georg Kargl BOX erstmals mit einer Fassadengestaltung auseinandergesetzt und durch diese einen starken städtebaulichen Akzent innerhalb des historischen Ambientes des 1910-1911 von Ernst Epstein errichteten Miethauses mit seiner rotvioletten Marmorfassade gesetzt. In enger Zusammenarbeit mit dem ausführenden Architektenduo Jabornegg & Pálffy hat Artschwager auch die Innenausstattung mitentwickelt. Ein halbes Jahr nach der Eröffnung „seines“ Ausstellungsraumes hat Artschwager unter dem Titel „gegenwärtig aber ungenau“ seine Werkgruppe figürlicher Wandarbeiten aus gummiertem Haar – lebensgroße colorierte Figuren, die in teils ausladenden Bewegungen alltägliche Handlungen vollführen – ausgestellt.
Richard Artschwager, 1923 in Washington geboren, hielt sich nach seinem Studium bei Amédée Ozenfant in Paris erstmals 1946 als amerikanischer Befreiungssoldat in Wien auf. Hier lernte er seine erste Ehefrau kennen, die ihn bestärkte, die Möbeltischlerei aufzugeben und sich ausschließlich der Kunst zu widmen. Seit den 60er Jahren bewegte sich das œuvre des Künstlers mit seinen handwerklich perfekten, auf geometrische Grundformen reduzierten Objekten aus Resopal (Formica) in den Grenzbereichen von Pop Art, Minimal Art, Konzeptkunst und New Sculpture. Sie evozieren den Eindruck von funktionstüchtigen Möbeln, sind jedoch aus ihrem Kontext gelöst und von ihrem herkömmlichen Gebrauchswert befreit.
Sie provozieren Fragestellungen um die ambivalente Position zwischen der Idee eines Gegenstandes und seiner spezifischen Form im Kontext des ihn umgebenden Raums, um das Verhältnis von Objekt, Subjekt und Darstellung.
Durch die Verarbeitung des gewöhnlichen, industriell gefertigten Resopals, das als preiswerte Nachahmung exotischer Hölzer und Marmor seit den 50er Jahren rasch Verbreitung fand, der Tendenz zur Abstraktion und Reduktion und in der größtmöglichen Vermeidung des subjektiven Ausdrucks sind Artschwagers Möbelobjekte Werken der Minimal Art wie Pop Art verwandt. Während Artschwagers Zeitgenossen wie die Minimalisten Donald Judd oder Robert Morris in ihrer strengen Programmatik danach trachteten, ihre Arbeiten von jeder Referentialität zu befreien, die über ein betont nüchternes Objekt-Raum-Verhältnis reichte, spielen Artschwagers Objekte durch den Einsatz des teils starkfarbigen Maserungs-Imitats mit räumlich-illusionären Effekten. Seine offene Annäherung an alltägliche Gebrauchsgegenstände rückt ihn in die Nähe von Werken der Pop Art, ohne sich für das laute Spektakel der medialen Oberfläche von Werbe- und Konsumkultur zu interessieren.
Richard Artschwager waren weltweit zahlreiche Einzelausstellungen gewidmet, unter anderem im Centre Pompidou, Paris (1989), dem MAK, Wien (2002), der Deutschen Guggenheim, Berlin (2003), dem Kunstmuseum Winterthur, Schweiz (2003) und erst kürzlich im Whitney Museum of American Art, NY (2012/2013). Zwischen 1968 und 1992 waren seine Arbeiten insgesamt fünf Mal auf der documenta in Kassel vertreten. Seine Werke befinden sich in den bedeutendsten Sammlungen der Welt wie u.a. der Tate, London, dem Museum für Gegenwartskunst, Basel, dem Museum für moderne Kunst, Frankfurt am Main, dem Museum Ludwig, Köln, der Fondation Cartier in Paris, dem Museum of Modern Art, New York und dem Whitney Museum of American Art, New York.
Die Retrospektive Richard Artschwager! aus dem Whitney Museum NY wird heuer noch im Hammer Museum, Los Angeles (16/6-1/9/2013) und dem Haus der Kunst München (11/10/2013-6/1/2014) gezeigt.
Georg Kargl BOX
In der Fassadengestaltung der Georg Kargl BOX gelingt Richard Artschwager durch die Überspielung der herkömmlichen Gattungsgrenzen von Malerei und Skulptur eine Verbindung von Bildhaftem und Objekthaftem, von dreidimensionalem Bild und zweidimensionaler Skulptur. Ein beziehungsreiches Zusammenspiel von horizontalen und vertikalen Elementen unterschiedlichen Materials, wie eloxiertem Aluminium, Glas und Resopal schafft zunächst ein bildhaftes Gefüge, das durch zwei zurückspringende, in spitzem Winkel zueinander gesetzte Spiegel einen skulpturalen Aspekt gewinnt. Die beiden Spiegel, die wie eine reduzierte Negativform der von Adolf Loos gestalteten Fassadenlösung der American Bar wirken, reflektieren die Umgebung, spielen mit den räumlichen Ordnungen des historischen Ambientes und binden den realen Raum in den Kunstraum ein. Die aus Resopal gestaltete Tür verwehrt dem Betrachter nicht den Zutritt wie die bei der Artschwager Retrospektive 2002 im Wiener MAK ausgestellte Door} 1983–84, sondern lädt zum alltäglichen Gebrauch ein.
„Die auffälligste Eigenschaft von Türen (die allerdings nicht nur diesen eigen ist) ist die der Resonanz zwischen zwei Zuständen, die man bequemerweise als „offen“ und „geschlossen“ bezeichnen kann. Resonanz ist niemals ein simples, unqualifiziertes Fluktuieren zwischen zwei Zuständen [...]“ schreibt Artschwager 1967 im Arts Magazine. In seiner dauerhaften Installation für GEORG KARGL BOX ist die Funktionalität der Tür zurückgekehrt. Ihre Form und ihr Inhalt sind zur Deckung gebracht, sie ist nicht mehr nur Bild einer Tür, sondern vermittelt zwischen historischem Außenraum und künstlerisch lebendig gestaltetem Innenraum.
Georg Kargl, Fiona Liewehr und das gesamte Team trauern um den großen Künstler und Menschen Richard Artschwager. Die Begegnung und Zusammenarbeit mit ihm war eine wichtige Bereicherung. Wir werden uns auch in Zukunft darum bemühen, sein großartiges Werk nicht in Vergessenheit geraten zu lassen und seiner Aufforderung gerecht zu werden, die er uns im Zuge der Georg Kargl BOX Gestaltung mit auf unseren Weg gegeben hat:
„Frisch Gesellen, seid zur Hand“!
Text: Fiona Liewehr
Remembering
15/03/2013 - 04/05/2013
Mit Richard Artschwager ist am 9. Februar 2013 einer der bedeutendsten Künstler der Gegenwart verstorben. In seiner über ein halbes Jahrhundert andauernden künstlerischen Tätigkeit hat Artschwager die Gattungsgrenzen von Malerei, Skulptur und Zeichnung überwunden und das Verhältnis zwischen Objekten, ihrem Umraum und dem Betrachter stets aufs Neue hinterfragt.
Richard Artschwager hat Wien und allen seinen Besuchern ein architektonisches Kleinod hinterlassen. Auf Einladung von Georg Kargl hat er sich 2005 für den Ausstellungsraum Georg Kargl BOX erstmals mit einer Fassadengestaltung auseinandergesetzt und durch diese einen starken städtebaulichen Akzent innerhalb des historischen Ambientes des 1910-1911 von Ernst Epstein errichteten Miethauses mit seiner rotvioletten Marmorfassade gesetzt. In enger Zusammenarbeit mit dem ausführenden Architektenduo Jabornegg & Pálffy hat Artschwager auch die Innenausstattung mitentwickelt. Ein halbes Jahr nach der Eröffnung „seines“ Ausstellungsraumes hat Artschwager unter dem Titel „gegenwärtig aber ungenau“ seine Werkgruppe figürlicher Wandarbeiten aus gummiertem Haar – lebensgroße colorierte Figuren, die in teils ausladenden Bewegungen alltägliche Handlungen vollführen – ausgestellt.
Richard Artschwager, 1923 in Washington geboren, hielt sich nach seinem Studium bei Amédée Ozenfant in Paris erstmals 1946 als amerikanischer Befreiungssoldat in Wien auf. Hier lernte er seine erste Ehefrau kennen, die ihn bestärkte, die Möbeltischlerei aufzugeben und sich ausschließlich der Kunst zu widmen. Seit den 60er Jahren bewegte sich das œuvre des Künstlers mit seinen handwerklich perfekten, auf geometrische Grundformen reduzierten Objekten aus Resopal (Formica) in den Grenzbereichen von Pop Art, Minimal Art, Konzeptkunst und New Sculpture. Sie evozieren den Eindruck von funktionstüchtigen Möbeln, sind jedoch aus ihrem Kontext gelöst und von ihrem herkömmlichen Gebrauchswert befreit.
Sie provozieren Fragestellungen um die ambivalente Position zwischen der Idee eines Gegenstandes und seiner spezifischen Form im Kontext des ihn umgebenden Raums, um das Verhältnis von Objekt, Subjekt und Darstellung.
Durch die Verarbeitung des gewöhnlichen, industriell gefertigten Resopals, das als preiswerte Nachahmung exotischer Hölzer und Marmor seit den 50er Jahren rasch Verbreitung fand, der Tendenz zur Abstraktion und Reduktion und in der größtmöglichen Vermeidung des subjektiven Ausdrucks sind Artschwagers Möbelobjekte Werken der Minimal Art wie Pop Art verwandt. Während Artschwagers Zeitgenossen wie die Minimalisten Donald Judd oder Robert Morris in ihrer strengen Programmatik danach trachteten, ihre Arbeiten von jeder Referentialität zu befreien, die über ein betont nüchternes Objekt-Raum-Verhältnis reichte, spielen Artschwagers Objekte durch den Einsatz des teils starkfarbigen Maserungs-Imitats mit räumlich-illusionären Effekten. Seine offene Annäherung an alltägliche Gebrauchsgegenstände rückt ihn in die Nähe von Werken der Pop Art, ohne sich für das laute Spektakel der medialen Oberfläche von Werbe- und Konsumkultur zu interessieren.
Richard Artschwager waren weltweit zahlreiche Einzelausstellungen gewidmet, unter anderem im Centre Pompidou, Paris (1989), dem MAK, Wien (2002), der Deutschen Guggenheim, Berlin (2003), dem Kunstmuseum Winterthur, Schweiz (2003) und erst kürzlich im Whitney Museum of American Art, NY (2012/2013). Zwischen 1968 und 1992 waren seine Arbeiten insgesamt fünf Mal auf der documenta in Kassel vertreten. Seine Werke befinden sich in den bedeutendsten Sammlungen der Welt wie u.a. der Tate, London, dem Museum für Gegenwartskunst, Basel, dem Museum für moderne Kunst, Frankfurt am Main, dem Museum Ludwig, Köln, der Fondation Cartier in Paris, dem Museum of Modern Art, New York und dem Whitney Museum of American Art, New York.
Die Retrospektive Richard Artschwager! aus dem Whitney Museum NY wird heuer noch im Hammer Museum, Los Angeles (16/6-1/9/2013) und dem Haus der Kunst München (11/10/2013-6/1/2014) gezeigt.
Georg Kargl BOX
In der Fassadengestaltung der Georg Kargl BOX gelingt Richard Artschwager durch die Überspielung der herkömmlichen Gattungsgrenzen von Malerei und Skulptur eine Verbindung von Bildhaftem und Objekthaftem, von dreidimensionalem Bild und zweidimensionaler Skulptur. Ein beziehungsreiches Zusammenspiel von horizontalen und vertikalen Elementen unterschiedlichen Materials, wie eloxiertem Aluminium, Glas und Resopal schafft zunächst ein bildhaftes Gefüge, das durch zwei zurückspringende, in spitzem Winkel zueinander gesetzte Spiegel einen skulpturalen Aspekt gewinnt. Die beiden Spiegel, die wie eine reduzierte Negativform der von Adolf Loos gestalteten Fassadenlösung der American Bar wirken, reflektieren die Umgebung, spielen mit den räumlichen Ordnungen des historischen Ambientes und binden den realen Raum in den Kunstraum ein. Die aus Resopal gestaltete Tür verwehrt dem Betrachter nicht den Zutritt wie die bei der Artschwager Retrospektive 2002 im Wiener MAK ausgestellte Door} 1983–84, sondern lädt zum alltäglichen Gebrauch ein.
„Die auffälligste Eigenschaft von Türen (die allerdings nicht nur diesen eigen ist) ist die der Resonanz zwischen zwei Zuständen, die man bequemerweise als „offen“ und „geschlossen“ bezeichnen kann. Resonanz ist niemals ein simples, unqualifiziertes Fluktuieren zwischen zwei Zuständen [...]“ schreibt Artschwager 1967 im Arts Magazine. In seiner dauerhaften Installation für GEORG KARGL BOX ist die Funktionalität der Tür zurückgekehrt. Ihre Form und ihr Inhalt sind zur Deckung gebracht, sie ist nicht mehr nur Bild einer Tür, sondern vermittelt zwischen historischem Außenraum und künstlerisch lebendig gestaltetem Innenraum.
Georg Kargl, Fiona Liewehr und das gesamte Team trauern um den großen Künstler und Menschen Richard Artschwager. Die Begegnung und Zusammenarbeit mit ihm war eine wichtige Bereicherung. Wir werden uns auch in Zukunft darum bemühen, sein großartiges Werk nicht in Vergessenheit geraten zu lassen und seiner Aufforderung gerecht zu werden, die er uns im Zuge der Georg Kargl BOX Gestaltung mit auf unseren Weg gegeben hat:
„Frisch Gesellen, seid zur Hand“!
Text: Fiona Liewehr