Piotr Jaros
Eurogum
24 Oct - 21 Nov 2008
„EUROGUM ist eine Allegorie auf das Durchkauen von Stilen, Konventionen und Charakteren, auf die Wanderung und Durchmischung der Bevölkerung, die Vereinheitlichung wirtschaftlicher Systeme, den Wandel der Industrie. Und beiläufig ist es manchmal möglich, aus dem Eurogummi Ballons zu machen. Das Kauen von Eurogummi beruhigt, macht schlank, erfrischt den Atem, befreit von Zahnstein, verbessert den pH-Wert, hilft das Rauchen aufzugeben und gibt überhaupt ein gutes Feeling. Es ist cool.“ Piotr Jaros
Am 24. Oktober 2008 beginnt in Leipzig die Einzelausstellung des polnischen Künstlers Piotr Jaros.
Die Leipziger Schau ist das Ergebnis eines Kooperationsprojekts zwischen dem Polnischen Institut Leipzig, der Galerie für Zeitgenössische Kunst, dem GRASSI Museum für Angewandte Kunst, dem Internationalen Leipziger Festival für Dokumentar- und Animationsfilm (DOK Leipzig), der Galerie PIEROGI Leipzig und dem Geisteswissenschaftlichen Zentrum Geschichte und Kultur Ostmitteleuropas an der Universität Leipzig (GWZO). So ungewöhnlich wie die Kooperation so vieler Institutionen von unterschiedlichem Profil ist auch das Ausstellungsprinzip der von Barbara Steiner und Arnold Bartetzky kuratierten Schau: Sie findet an verschiedenen Orten gleichzeitig statt.
Jaros stellt sich in den Zusammenhang einer sich wandelnden Gesellschaft, die sich globalen Anforderungen nicht entziehen kann. In diesem Kontext analysiert er die Grundbedingungen und elementaren Abläufe des Alltags und nicht zuletzt die Existenzformen des Künstlers. Seine Fotos, Filme, Installationen und Performances reflektieren diese Themen aus verschiedenen Perspektiven.
Anlässlich der Grassi-Messe zeigt Jaros im GRASSI Museum für Angewandte Kunst eine mehrteilige Arbeit unter dem Titel „Made in China“. In einer Vitrine werden fragil anmutende Objekte von nicht genau bestimmbarer Funktion präsentiert. Obwohl die Objekte das Label „Made in China“ tragen, das mit billiger Massenware assoziiert wird, erweisen sie sich bei näherem Hinsehen als aufwändig von Hand gefertigte Einzelstücke. Die Installation wird durch ein Video ergänzt, das einen sich zunehmend erhitzenden und schließlich explodierenden Wasserkocher zeigt. Jaros thematisiert mit „Made in China“ das Verhältnis von Kunstwerk und Massenproduktion: Originalität und Autorschaft werden durch das Label einerseits in Frage gestellt, andererseits erzeugt die Handschrift des Künstlers Einzigartigkeit und Unaustauschbarkeit. Der daraus resultierende Fetischcharakter spiegelt sich auch in den sexuellen Assoziationen, welche die Objekte auslösen.
In der Galerie PIEROGI auf dem Spinnereigelände wird Jaros unter dem doppelsinnigen Titel „Polish“ (Politur und polnisch) eine Performance zeigen, deren Ausgangspunkt eine ungewohnte Tätigkeit des Künstlers ist: Er poliert mit einem polnischen Markenbohnerwachs den weitläufigen Holzfußboden der Galerie. Sobald dessen Oberfläche auf Hochglanz gebracht ist, werden die Gäste eingeladen, den Boden zu betreten. Indem sie sich auf diese Weise mit ihren Fußabdrücken in den vorbereiteten Bildgrund einschreiben, beteiligen sie sich aktiv am künstlerischen Prozess, während der Künstler selbst in einer radikalen Formulierung die Rolle eines Dienstleisters übernimmt.
Die im Polnischen Institut zu sehende Foto- und Videoinstallation „Habituation House“ ist unmittelbar mit den gesellschaftlichen Transformationen in Polen verbunden: Neue Gesetze zum Privateigentum beginnen zu greifen und verändern den Charakter des von Jaros vorgestellten und lange Zeit auch selbst bewohnten Hauses. Jaros ist Mieter, Zeuge und Betroffener dieser Umbrüche und zugleich auch reflektierender Künstler, der sich auf unterschiedlichen Ebenen dem Haus und seinen Eigenheiten annähert. Ein permanenter Rollen- bzw. Perspektivwechsel erlaubt ihm, am Beispiel eines Mehrfamilienhauses gesellschaftliche Veränderungen mit allen absurden Nebenerscheinungen greifbar und nachvollziehbar zu machen.
Die Wechselwirkungen zwischen politisch-gesellschaftlichen Transformationsprozessen und dem Alltagsleben sind auch Leitmotiv in seinen Filmen, die in einer Sonderveranstaltung von DOK Leipzig gezeigt werden. In „Für die Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt“ schlüpft Jaros in die Rolle eines (polnischen) Investors in Deutschland. Im Filmzyklus „Work without a Job“ werden sich verselbstständigende Arbeitshandlungen exponiert; Arbeit verliert ihre gesellschaftliche Rückbindung und wird zu einem (fetischisierbaren) Ritual, dessen Sinn und Zweck sich nur mehr für die Beteiligten selbst erschließt. In „Flight to Cracow“ widmet sich Jaros britischen Billigtouristen in Kraków und damit den kulturellen Nebenwirkungen des zusammenwachsenden Europas.
Im Café der Galerie für Zeitgenössische Kunst schließlich wird Jaros’ fingierter Werbeclip „Biac“ gezeigt, in dem der Künstler vorgeblich Reklame für ein probiotisches Joghurtgetränk macht. Jaros persifliert mit diesem Kurzfilm die visuellen und sprachlichen Mittel der Werbeindustrie und schreibt sich damit zugleich in das derzeitige Schwerpunktprojekt der GfZK ein, das sich ökonomischen Fragen in der Kunst widmet.
Jaros studierte an der Akademie der Künste in Kraków. Er hatte seit den frühen 1990er Jahren viele Einzelausstellungen, u.a. in der Galeria Zderzak in Kraków, in der Galeria Kronika in Bytom und im Museum Ludwig in Budapest, und war an wichtigen Gruppenausstellungen beteiligt, darunter „Manifesta“ in Rotterdam 1996, „Analysis an Commentary“ in der Shiseido Gallery Tokio 1996, “After the Wall” im Moderna Museet in Stockholm 1999 oder „Bodycheck“ – Triennale der Kleinplastik in Fellbach 2007. „Eurogum“ ist seine erste Einzelausstellung in Deutschland.
Kuratiert von Arnold Bartetzky, Barbara Steiner
Am 24. Oktober 2008 beginnt in Leipzig die Einzelausstellung des polnischen Künstlers Piotr Jaros.
Die Leipziger Schau ist das Ergebnis eines Kooperationsprojekts zwischen dem Polnischen Institut Leipzig, der Galerie für Zeitgenössische Kunst, dem GRASSI Museum für Angewandte Kunst, dem Internationalen Leipziger Festival für Dokumentar- und Animationsfilm (DOK Leipzig), der Galerie PIEROGI Leipzig und dem Geisteswissenschaftlichen Zentrum Geschichte und Kultur Ostmitteleuropas an der Universität Leipzig (GWZO). So ungewöhnlich wie die Kooperation so vieler Institutionen von unterschiedlichem Profil ist auch das Ausstellungsprinzip der von Barbara Steiner und Arnold Bartetzky kuratierten Schau: Sie findet an verschiedenen Orten gleichzeitig statt.
Jaros stellt sich in den Zusammenhang einer sich wandelnden Gesellschaft, die sich globalen Anforderungen nicht entziehen kann. In diesem Kontext analysiert er die Grundbedingungen und elementaren Abläufe des Alltags und nicht zuletzt die Existenzformen des Künstlers. Seine Fotos, Filme, Installationen und Performances reflektieren diese Themen aus verschiedenen Perspektiven.
Anlässlich der Grassi-Messe zeigt Jaros im GRASSI Museum für Angewandte Kunst eine mehrteilige Arbeit unter dem Titel „Made in China“. In einer Vitrine werden fragil anmutende Objekte von nicht genau bestimmbarer Funktion präsentiert. Obwohl die Objekte das Label „Made in China“ tragen, das mit billiger Massenware assoziiert wird, erweisen sie sich bei näherem Hinsehen als aufwändig von Hand gefertigte Einzelstücke. Die Installation wird durch ein Video ergänzt, das einen sich zunehmend erhitzenden und schließlich explodierenden Wasserkocher zeigt. Jaros thematisiert mit „Made in China“ das Verhältnis von Kunstwerk und Massenproduktion: Originalität und Autorschaft werden durch das Label einerseits in Frage gestellt, andererseits erzeugt die Handschrift des Künstlers Einzigartigkeit und Unaustauschbarkeit. Der daraus resultierende Fetischcharakter spiegelt sich auch in den sexuellen Assoziationen, welche die Objekte auslösen.
In der Galerie PIEROGI auf dem Spinnereigelände wird Jaros unter dem doppelsinnigen Titel „Polish“ (Politur und polnisch) eine Performance zeigen, deren Ausgangspunkt eine ungewohnte Tätigkeit des Künstlers ist: Er poliert mit einem polnischen Markenbohnerwachs den weitläufigen Holzfußboden der Galerie. Sobald dessen Oberfläche auf Hochglanz gebracht ist, werden die Gäste eingeladen, den Boden zu betreten. Indem sie sich auf diese Weise mit ihren Fußabdrücken in den vorbereiteten Bildgrund einschreiben, beteiligen sie sich aktiv am künstlerischen Prozess, während der Künstler selbst in einer radikalen Formulierung die Rolle eines Dienstleisters übernimmt.
Die im Polnischen Institut zu sehende Foto- und Videoinstallation „Habituation House“ ist unmittelbar mit den gesellschaftlichen Transformationen in Polen verbunden: Neue Gesetze zum Privateigentum beginnen zu greifen und verändern den Charakter des von Jaros vorgestellten und lange Zeit auch selbst bewohnten Hauses. Jaros ist Mieter, Zeuge und Betroffener dieser Umbrüche und zugleich auch reflektierender Künstler, der sich auf unterschiedlichen Ebenen dem Haus und seinen Eigenheiten annähert. Ein permanenter Rollen- bzw. Perspektivwechsel erlaubt ihm, am Beispiel eines Mehrfamilienhauses gesellschaftliche Veränderungen mit allen absurden Nebenerscheinungen greifbar und nachvollziehbar zu machen.
Die Wechselwirkungen zwischen politisch-gesellschaftlichen Transformationsprozessen und dem Alltagsleben sind auch Leitmotiv in seinen Filmen, die in einer Sonderveranstaltung von DOK Leipzig gezeigt werden. In „Für die Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt“ schlüpft Jaros in die Rolle eines (polnischen) Investors in Deutschland. Im Filmzyklus „Work without a Job“ werden sich verselbstständigende Arbeitshandlungen exponiert; Arbeit verliert ihre gesellschaftliche Rückbindung und wird zu einem (fetischisierbaren) Ritual, dessen Sinn und Zweck sich nur mehr für die Beteiligten selbst erschließt. In „Flight to Cracow“ widmet sich Jaros britischen Billigtouristen in Kraków und damit den kulturellen Nebenwirkungen des zusammenwachsenden Europas.
Im Café der Galerie für Zeitgenössische Kunst schließlich wird Jaros’ fingierter Werbeclip „Biac“ gezeigt, in dem der Künstler vorgeblich Reklame für ein probiotisches Joghurtgetränk macht. Jaros persifliert mit diesem Kurzfilm die visuellen und sprachlichen Mittel der Werbeindustrie und schreibt sich damit zugleich in das derzeitige Schwerpunktprojekt der GfZK ein, das sich ökonomischen Fragen in der Kunst widmet.
Jaros studierte an der Akademie der Künste in Kraków. Er hatte seit den frühen 1990er Jahren viele Einzelausstellungen, u.a. in der Galeria Zderzak in Kraków, in der Galeria Kronika in Bytom und im Museum Ludwig in Budapest, und war an wichtigen Gruppenausstellungen beteiligt, darunter „Manifesta“ in Rotterdam 1996, „Analysis an Commentary“ in der Shiseido Gallery Tokio 1996, “After the Wall” im Moderna Museet in Stockholm 1999 oder „Bodycheck“ – Triennale der Kleinplastik in Fellbach 2007. „Eurogum“ ist seine erste Einzelausstellung in Deutschland.
Kuratiert von Arnold Bartetzky, Barbara Steiner