Halle für Kunst

Benoît Maire

02 Apr - 15 May 2011

BENOÎT MAIRE
History of Geometry
2. April - 15. Mai 2011

Die künstlerische Praxis von Benoît Maire (*1978) hat als zentrale Referenz die Philosophie. Maire, der Kunst und Philosophie studierte, rezipiert in seinen Arbeiten Autoren wie Alain Badiou, Jacques Derrida, Gilles Deleuze oder Arthur C. Danto, deren Überlegungen er in Medien wie Film, Skulptur oder Collage visuell übersetzt. Seine eigenen Texte und Reflexionen arrangiert er mit diesen Objekten oder Filmen und bietet sie zur Lektüre an oder trägt sie als Lecture Performance vor. Dieser starke Textbezug und die Übersetzung von Theorie in eine von Maire als post-konzeptuell bezeichnete Praxis, lässt sich in der Tradition der historischen Konzeptkunst denken, die bildende Kunst nicht allein als Synonym für physische Objekte versteht, sondern als ein Feld der Verhandlung der kulturellen Bedeutung von Bild, Sprache und Repräsentation.

Im Mittelpunkt der Ausstellung in der Halle fuer Kunst stehen die filmischen Arbeiten »The Spider Web« (2006) und »L'île de la répétition« (2010) sowie das von Benoît Maire seit 2009 fortlaufend realisierte Projekt »Esthétique des différends«. Im lediglich ein Störbild zeigenden Video »The Spider Web« führt Maire ein Gespräch mit dem amerikanischen Philosophen Arthur C. Danto, unter anderem bekannt durch seine an Hegel angelehnte, umstrittene These vom Ende der Kunst wie auch durch seine Überzeugung, dass die Bestimmung eines Objekts als Kunstwerk einzig durch Interpretationsleistung eintreten würde. Danto und Maire unterhalten sich über eine Installation von Maire sowie über eine Allegorie der Rhetorik aus dem Deckengemälde von Paolo Veronese (1528-1588) im Dogenpalast in Venedig. Im 63-minuetigen Film »L'île de la répétition« kreuzen sich im heutigen Paris die Wege der Figuren Søren (Kierkegaard), Emily (Dickinson), Thomas (Chatterton) und John (Keats), die über den Sinn ihrer Existenz auf der immateriellen île de la répétition philosophieren, auf der sie wie Phönixe aus der Asche immer wieder auftauchen. Anleihen aus Film und Literatur wie etwa an Jean-Luc Godards »Le mépris« (1963) oder das Zitat auf die Figur der Cordelia aus Søren Kierkegaards Buch »Tagebuch des Verführers« (1843) lassen eine vielschichtige filmische Textur entstehen. Eine in Buchform stattfindende Auseinandersetzung mit Philosophie findet sich in der Text- und Bildsammlung »Esthétique des différends«. Diese Sammlung, die sich auf Lyotards »Le différend« bezieht, wird seit 2009 stetig erweitert.

Mit dieser Theorie- und Philosophie-Affinität lässt sich eine eigennützige Verwertung von Seiten des Kunstmarktes, der sich lediglich um des kulturellen Appeals willen der Theorie als Legitimationsmittel für die Kunst bedient, nicht ausschließen: Theoriebekleidung, die zum oberflächlichen Stil verkommt und der Steigerung des ökonomischen und symbolischen Kapitals dient. Doch bei Maire ist die konsequente Überspitzung von Theorie Programm. Den Texten, Filmen und Objekten ist durch ihren akademischen Theoriehintergrund eine Hermetik und Opazität eingeschrieben, die Widerstand zu leisten versucht: Sie sollen nicht hermeneutisch entschlüsselt werden, sondern das komplexe Verhältnis von Theorie und Kunstwerk befragen.
 

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