Haus am Waldsee

Peter Ablinger

21 Jun - 03 Aug 2008

Peter Ablinger - Hören hören

Mit der Ausstellung „Hören hören“ erweitert das Haus am Waldsee sein Spektrum um die Dimension des Akustischen. Peter Ablinger lädt uns zu einer Reise ins Unbekannte in uns selbst ein, sie macht an zentralen Stationen seines Werkes seit den frühen 90er Jahren Halt. Der Besucher taucht ein in eine Welt des Hörens, des Rauschens, Weißen Rauschens, der Summe aller Klänge. Ablinger hat bei Gösta Neuwirth seine Laufbahn als Komponist begonnen. Neuwirth war in den 60er Jahren Professor für Musiktheorie in Berlin. Später hat Ablinger bei ihm in Graz studiert. Neuwirths „Phänomenologie des Hörens“ geht den Untersuchungen Ablingers voraus. Das Abziehen aller Zuordnungen, Bedeutungen und Konventionen, das Überwinden des Materials zugunsten einer Idee bildet einen Grundgedanken in dem der Konzeptkunst nahe stehenden Auffassung Ablingers. Als Konsequenz hören wir auf von Musik zu sprechen, nennen wir es Klänge oder noch besser: Geräusche.

„Diese Musik könnte in einem Privathaus gespielt und vielleicht richtig verstanden werden, wo die, die zuhören und nicht für Unterhaltung bezahlt haben, zuhören könnten...“ (Zit. John Cage, Silence)

Im Außenbereich werden Geräusch-Hörstücke aus dem Zyklus „Weiss / Weisslich“ erlebar: Schnurlose Kopfhörer mit aufmontierten Mikrophonen funktionieren wie Wahrnehmungsbrillen. Sie filtern Verkehrsgeräusche und Baumrauschen. In einer Schilfpflanzung am Waldsee verweist Ablinger auf den scharfen Ton der sich im Wind bewegenden Pflanzen. Er akzentuiert den subtilen Unterschied zum Rauschen der Bäume ringsum. Ein Wasserfall überdeckt die Natur- und Technikgeräusche der Umgebung und stimmt in sie ein. Auf einer offenen Terrasse kann man dem Straßenlärm lauschen. Ablinger rückt Alltagsgeräusche in den Mittelpunkt seiner „Konzerte“, die ohne den Hörer nicht existent wären.

Im Inneren des Hauses werden die Motive Rauschen, Raumwahrnehmung und Sprache weiter verdichtet. In „A letter from Schoenberg“ lässt ein computergesteuertes Klavier die Stimme Arnold Schönbergs auferstehen. Im Obergeschoss wird der Besucher aktiv in die Hörinstallationen nach Vokalen einbezogen: Gefärbte Stille. Jedem Raum wird durch einzelne Vokale eine unterschiedliche Klangfarbe verliehen.

Im Sinne des weißen Rauschens trifft das Werk in der Ausstellung auf fast monochrome, aus bis zu dreißig Schichten mit synthetischem Perlmut aufgebaute Bilder Daniel Biesolds. Wie Ablinger ist Biesold ein glühender Verehrer der amerikanischen Malerin Agnes Martin (1912 – 2004). Beide nennen die große Minimalistin als eine entscheidende Referenz. Analog zum Rauschen hat sich der Maler dem Licht verschrieben. Die Begegnung seiner Bilder mit den akustischen Installationen rundet die Ausstellung an jener Stelle ab, die das Hören ins Sehen überführt.

“Wer Ohren hat zu hören, der sieht“, heißt es in der asiatischen Philosophie. Die Er-leuchtung bezeichnet eine erweiterte Art der Wahrnehmung, eine Wahrnehmung, die den täuschenden Filter, den unsere Sinne zwischen uns und die Realität schieben, durchdringt. In seinem Buch „Das dritte Ohr, vom Hören der Welt“ weist Joachim-Ernst Berendt 1985 ausführlich darauf hin, dass viele Sagen und Mythen den Anfang der Welt als Klang beschreiben. Oft hat dieser Klang Lichtcharakter. Über Jahrtausende hinweg trifft man in den Kulturen der Welt auf den archetypischen Gedanken eines „Lichttons“. Inneres Hören und inneres Schauen fallen zusammen. Die Seher der Antike sind blind! Bei den Brüdern Grimm ist von tönendem Licht und singender Morgenröte zu lesen. Und bei Paul Celan heißt es: „Ein Baum / hoher Gedanke / greift sich den Lichtton: / es sind / noch Lieder zu singen jenseits / der Menschen.“

Daniel Biesolds weiße Gemälde scheinen dieselbe Frage zu stellen wie Ablinger: „Wenn Du auslöscht Sinn und Ton, was hörst Du dann?“ Das paradoxe Mantra eines Zenmeisters des 11. Jahrhunderts ist bis heute aktuell. Wie sinnlich und von einem Gedanken des Einsseins beide Erkenntniswege im Sinne des Hörens sind hat Leonardo da Vinci vorformuliert in dem er sagte: Die Erkenntnis, die nicht durch die Sinne gegangen ist, kann keine andere Wahrheit erzeugen, als die Schädliche“. Ablinger spricht von Hindurchhören, Biesold davon „dass alles, durch den Körper geht“. Beschrieben wird ein Fließen, das den Künstler als Instrument mit der Welt verbindet. Beide Werke ziehen tradierte Bedeutungen ab um zu reinen Wahrnehmungen vorzudringen. Beide Werke sind aus der Stille geboren: „Wer Klang erfahren will muss vorher gelernt haben, Stille zu erfahren.“ Erst dann eröffnen sich neue Zonen der Wahrnehmung. Daran erinnert auch ein kurzer Vers von Joseph Eichendorf: “Die Wälder rauschen noch immer; aber wenn es ein ‚Lied’ war, das in allen Dingen schläft, gleicht es jetzt einer vergessenen, unverständlich gewordenen Sprache. Der ‚Zaubergarten’ der Natur kann jederzeit zum Irrgarten werden.“
 

Tags: John Cage, P. Horst, Agnes Martin