Roland Kollnitz
13 Sep - 11 Nov 2006
ROLAND KOLLNITZ
"3rd"
Die Arbeiten von Roland Kollnitz sind Beschreibungen bzw. Seismogramme der Weltwahrnehmung des Künstlers bzw. dessen Reaktionen auf Erlebnisse und Situationen, mit denen er konfrontiert wurde und wird. Und seine Weltbeobachtung ist eine äußerst subtile, die feinste Details registriert. Ebenso fein und bis ins Detail präzise sind seine künstlerischen Setzungen, die er zum überwiegenden Teil in Form von Eingriffen und Installationen realisiert, in denen er konkret auf bestimmte Orte und Situationen eingeht.
Ausgangspunkt von Kollnitz Werken ist stets die Wahrnehmung von räumlichen und materiellen Gegebenheiten, mit der sich dann im Weiteren auch andere Erfahrungsebenen verknüpfen. Eine wesentliche Rolle spielt dabei sein ausgeprägtes Sensorium für Materialien und sein großes Wissen um deren unterschiedlichen Eigenschaften und Spezifika. Eine angemessene Wahl von Materialien und ein deren jeweiligen Eigenschaften entsprechender Umgang mit ihnen sind zentrale Aspekte seines künstlerischen Ansatzes. Er selbst spricht in diesem Zusammenhang von "Materialethik", womit klar ist, dass für ihn das Material letztlich auch in einem weiterführenden Sinne für die materiellen Aspekte jener Welt steht, mit der wir uns konfrontiert finden, in der wir uns zu orientieren haben bzw. auf die zu reagieren es gilt. Das gleiche trifft auf die diese Welt bestimmenden physikalischen Gegebenheiten zu, mit denen sich Kollnitz ebenfalls auseinander setzt und die er in seinem Schaffen thematisiert.
All dies ist bei ihm dann in sehr poetischer Weise mit den über das Materielle hinausführenden menschlichen Erfahrungsebenen verbunden. Kollnitz Material- und Gegenstands-Beobachtungen sind ja in der Regel an situative Erlebnisse geknüpft. Diese werden in seinen Werken zwar nicht narrativ wiedergegeben, fließen aber dennoch auf verschiedenste Weise so ein, dass sie dem Betrachter Ansatzpunkte für eigene subjektive Erfahrungen und Assoziationsketten liefern. Zusätzlich angeregt werden diese Reaktionen der Rezipienten noch durch die den Arbeiten in Form von Titeln beigestellte verbale Ebene. Kollnitz' Titel sind ebenso poetisch wie sprachspielerisch humorvoller Natur.
Lümmel etwa heißt eine jener Arbeiten, die speziell für die aktuelle Ausstellung entstanden sind. Die installative Skulptur ist rein aus Baumarkt-Fertigelementen gebaut. Sie besteht aus drei blauen Metall-Schragen, auf deren untere Querverstrebungen gelbe Betonschalungsplatten gelegt sind. Wie bei vielen von Kollnitz' Skulpturen entsteht so ein sehr präzises, aber labiles Gleichgewicht, lastet hier doch das volle Gewicht der Platten auf jenen Teilen der Schragen, die zwar konstruktiv von Bedeutung sind, denen aber eigentlich keine tragende Funktion zugedacht ist. Die normalerweise als Auflagefläche dienenden oberen Auflagen befinden sich dadurch in einem labilen Gleichgewichtszustand. Dieser wird auch für den Rezipienten körperlich erfahrbar, wenn sie/er diesen Lümmel im Sinne des Künstlers als Sitzbank benützt, um das gegenüber platzierte Video zu betrachten oder sich einfach nur leger lümmelnd in der Ausstellung aufhalten will. Auch im Video geht es um ein labiles Gleichgewicht. Es heißt Polnisches Wunder und entstand im Zug auf der Rückfahrt von seiner heurigen Sommerreise nach Polen. Ein lapidares Detail, das dem Künstler aufgefallen ist, weil es beispielhaft auf das durch die physikalische Gegebenheit der Schwerkraft bedingte Verhalten von Materie und die dadurch entstehenden Formen verweist, wird hier herausgegriffen und im Loop wiederholt: Das Sich-Umbiegen dreieckig gefalteter Papierservietten in einem Serviettenhalter des Speisewagens. Kollnitz setzt deren Bewegung und die durch sie entstehenden Formen in Relation zu einer abgeschrägten weißen Fläche, mit der er die linke Hälfte des Videobildes überdeckt hat.
Die im Mittelraum der Galerie platzierte Arbeit heißt Zentrales Stück. Ihr Ausgangspunkt war ein persönliches Erlebnis des Künstlers. Ein seinem Empfinden nach wunderschönes Glas, ein Entwurf aus dem 19. Jahrhundert, bei dem Material- und Funktionsgerechtigkeit mit einer gelungenen ästhetischen Form in Einklang standen, zerbrach während einer anregenden Konversation mit einer Künstlerkollegin an seinem Stiel in zwei Teile. Für Kollnitz zu schade, um es wegzuwerfen, da sich die erwähnten idealen Eigenschaften des Objekts auch noch im gebrochenen Zustand manifestieren und die beiden Teile in neuer - jetzt unfunktionaler - Zusammensetzung durch ihn wieder eine “gute“ plastische Form ergeben. Als solche wird sie von Kollnitz auf ein Tischchen-haftes Podest gesetzt, und ihr eine weitere gefundene “gute Form“ gegenüberstellt - eine leere Klopapierrolle, die ebenfalls Material- und Funktionsgerechtigkeit mit perfekter Ästhethik vereint. Eine als Andeutung eines Teppichs unter dieses Ensemble gelegte Stoffbahn, ist vom Künstler hier wie in ihrem natürlichen Fall belassen, da sie in diesem Durchgangsraum der Galerie sonst wohl verschlissen würde. In einem anderen (privateren) Ambiente kann sie aber ausgebreitet bzw. durch einen Teppich ersetzt werden - wie das Foto auf der Einladungskarte zeigt. Deren Andruck mit Farbskala - in den Augen des Künstlers wieder eine gute Form - hängt als Makulaturenspaß delikat gerahmt an der Wand.
Diese größeren installativen und situativen Werke der Ausstellung werden durch weitere plastische Arbeiten ergänzt, die in ebenso lapidarer wie präziser Weise elementare physikalische Gegebenheiten erfahrbar werden lassen. Zum überweigenden Teil sind dies wieder labile Gleichgewichts- und Spannungszustände, so bei den fein ausbalancierten Stangen, die fast schon so etwas wie ein Markenzeichen des Künstlers geworden sind. Eine große Stange mit geschwungenem Teil am Ende steht im Hof (Kollnitz-Skulptur #1), eine weitere ragt wie eine Fahnenmast von einem Eck am Balkon aus in die Bäckerstrasse (Olá [port.: Hallo]). Bei der schon in Graz gezeigten Arbeit Sushitela/Sushitella trägt eine Stange, die - gewissermaßen als Sockelsituation - von einer runden Bodenplatte ausgeht, an ihrem oberen Ende eine Glasscheibe. Sie kann, dem Unterstehenden wie ein Dach Unterstand bieten - auf kleinster Fläche entsteht so ein Ort zum Verweilen. In Spektakel lehnt ein Bambusstab, von einem ‘gestürzten’ Sockel aus gegen die Wand und balanciert an seinem oberen Ende einen Metallstreifen, der jene Form hat, welche sich ergibt, wenn ein zusammengerolltes Metall wieder aufspringt.
Fast alles, was heutzutage an Kunst entsteht, hat Wurzeln in den Sechzigerjahren, jenem entscheidenden Jahrzehnt, in dem der Kunstbegriff und das Feld der Kunst in so radikaler und facettenreicher Hinsicht erweitert wurden. Auch Kollnitz' Skulpturenbegriff, bei dem unter anderem das Material und dessen Eigenschaften in so direkter Weise zum Inhalt der Arbeiten wird, fußt auf den damals eröffneten Möglichkeiten. Während aber Künstler wie Richard Serra, Bruce Naumann, Joseph Beuys oder die Protagonisten der Arte Povera den Aussagen ihrer künstlerischen Setzungen allgemeingültige Bedeutung zuschrieben, wodurch ihrem Tun letztlich ein heroischer Charakter anhaftet, ist seine Herangehensweise insgesamt von größerer Leichtigkeit und Unprätentiosität. Sie begreift sich von vornherein als subjektiven Ansatz, der gar nicht erst versucht, fundamentale existentielle Erfahrungen zu vermitteln oder gar gültige Aussagen zu machen. Kollnitz zählt zu jener Künstlergeneration, die längst und selbstverständlich in dem Bewusstsein agiert, dass jeweils nur eine subjektive Weltsicht und Welterfahrung möglich ist.
Seine eigene ist von der lustvollen Wahrnehmung feinster Details geprägt, auf die er mit spielerischer Poesie, Raffinesse, Ironie und Humor reagiert.
Eva Badura-Triska, Wien September 2006
"3rd"
Die Arbeiten von Roland Kollnitz sind Beschreibungen bzw. Seismogramme der Weltwahrnehmung des Künstlers bzw. dessen Reaktionen auf Erlebnisse und Situationen, mit denen er konfrontiert wurde und wird. Und seine Weltbeobachtung ist eine äußerst subtile, die feinste Details registriert. Ebenso fein und bis ins Detail präzise sind seine künstlerischen Setzungen, die er zum überwiegenden Teil in Form von Eingriffen und Installationen realisiert, in denen er konkret auf bestimmte Orte und Situationen eingeht.
Ausgangspunkt von Kollnitz Werken ist stets die Wahrnehmung von räumlichen und materiellen Gegebenheiten, mit der sich dann im Weiteren auch andere Erfahrungsebenen verknüpfen. Eine wesentliche Rolle spielt dabei sein ausgeprägtes Sensorium für Materialien und sein großes Wissen um deren unterschiedlichen Eigenschaften und Spezifika. Eine angemessene Wahl von Materialien und ein deren jeweiligen Eigenschaften entsprechender Umgang mit ihnen sind zentrale Aspekte seines künstlerischen Ansatzes. Er selbst spricht in diesem Zusammenhang von "Materialethik", womit klar ist, dass für ihn das Material letztlich auch in einem weiterführenden Sinne für die materiellen Aspekte jener Welt steht, mit der wir uns konfrontiert finden, in der wir uns zu orientieren haben bzw. auf die zu reagieren es gilt. Das gleiche trifft auf die diese Welt bestimmenden physikalischen Gegebenheiten zu, mit denen sich Kollnitz ebenfalls auseinander setzt und die er in seinem Schaffen thematisiert.
All dies ist bei ihm dann in sehr poetischer Weise mit den über das Materielle hinausführenden menschlichen Erfahrungsebenen verbunden. Kollnitz Material- und Gegenstands-Beobachtungen sind ja in der Regel an situative Erlebnisse geknüpft. Diese werden in seinen Werken zwar nicht narrativ wiedergegeben, fließen aber dennoch auf verschiedenste Weise so ein, dass sie dem Betrachter Ansatzpunkte für eigene subjektive Erfahrungen und Assoziationsketten liefern. Zusätzlich angeregt werden diese Reaktionen der Rezipienten noch durch die den Arbeiten in Form von Titeln beigestellte verbale Ebene. Kollnitz' Titel sind ebenso poetisch wie sprachspielerisch humorvoller Natur.
Lümmel etwa heißt eine jener Arbeiten, die speziell für die aktuelle Ausstellung entstanden sind. Die installative Skulptur ist rein aus Baumarkt-Fertigelementen gebaut. Sie besteht aus drei blauen Metall-Schragen, auf deren untere Querverstrebungen gelbe Betonschalungsplatten gelegt sind. Wie bei vielen von Kollnitz' Skulpturen entsteht so ein sehr präzises, aber labiles Gleichgewicht, lastet hier doch das volle Gewicht der Platten auf jenen Teilen der Schragen, die zwar konstruktiv von Bedeutung sind, denen aber eigentlich keine tragende Funktion zugedacht ist. Die normalerweise als Auflagefläche dienenden oberen Auflagen befinden sich dadurch in einem labilen Gleichgewichtszustand. Dieser wird auch für den Rezipienten körperlich erfahrbar, wenn sie/er diesen Lümmel im Sinne des Künstlers als Sitzbank benützt, um das gegenüber platzierte Video zu betrachten oder sich einfach nur leger lümmelnd in der Ausstellung aufhalten will. Auch im Video geht es um ein labiles Gleichgewicht. Es heißt Polnisches Wunder und entstand im Zug auf der Rückfahrt von seiner heurigen Sommerreise nach Polen. Ein lapidares Detail, das dem Künstler aufgefallen ist, weil es beispielhaft auf das durch die physikalische Gegebenheit der Schwerkraft bedingte Verhalten von Materie und die dadurch entstehenden Formen verweist, wird hier herausgegriffen und im Loop wiederholt: Das Sich-Umbiegen dreieckig gefalteter Papierservietten in einem Serviettenhalter des Speisewagens. Kollnitz setzt deren Bewegung und die durch sie entstehenden Formen in Relation zu einer abgeschrägten weißen Fläche, mit der er die linke Hälfte des Videobildes überdeckt hat.
Die im Mittelraum der Galerie platzierte Arbeit heißt Zentrales Stück. Ihr Ausgangspunkt war ein persönliches Erlebnis des Künstlers. Ein seinem Empfinden nach wunderschönes Glas, ein Entwurf aus dem 19. Jahrhundert, bei dem Material- und Funktionsgerechtigkeit mit einer gelungenen ästhetischen Form in Einklang standen, zerbrach während einer anregenden Konversation mit einer Künstlerkollegin an seinem Stiel in zwei Teile. Für Kollnitz zu schade, um es wegzuwerfen, da sich die erwähnten idealen Eigenschaften des Objekts auch noch im gebrochenen Zustand manifestieren und die beiden Teile in neuer - jetzt unfunktionaler - Zusammensetzung durch ihn wieder eine “gute“ plastische Form ergeben. Als solche wird sie von Kollnitz auf ein Tischchen-haftes Podest gesetzt, und ihr eine weitere gefundene “gute Form“ gegenüberstellt - eine leere Klopapierrolle, die ebenfalls Material- und Funktionsgerechtigkeit mit perfekter Ästhethik vereint. Eine als Andeutung eines Teppichs unter dieses Ensemble gelegte Stoffbahn, ist vom Künstler hier wie in ihrem natürlichen Fall belassen, da sie in diesem Durchgangsraum der Galerie sonst wohl verschlissen würde. In einem anderen (privateren) Ambiente kann sie aber ausgebreitet bzw. durch einen Teppich ersetzt werden - wie das Foto auf der Einladungskarte zeigt. Deren Andruck mit Farbskala - in den Augen des Künstlers wieder eine gute Form - hängt als Makulaturenspaß delikat gerahmt an der Wand.
Diese größeren installativen und situativen Werke der Ausstellung werden durch weitere plastische Arbeiten ergänzt, die in ebenso lapidarer wie präziser Weise elementare physikalische Gegebenheiten erfahrbar werden lassen. Zum überweigenden Teil sind dies wieder labile Gleichgewichts- und Spannungszustände, so bei den fein ausbalancierten Stangen, die fast schon so etwas wie ein Markenzeichen des Künstlers geworden sind. Eine große Stange mit geschwungenem Teil am Ende steht im Hof (Kollnitz-Skulptur #1), eine weitere ragt wie eine Fahnenmast von einem Eck am Balkon aus in die Bäckerstrasse (Olá [port.: Hallo]). Bei der schon in Graz gezeigten Arbeit Sushitela/Sushitella trägt eine Stange, die - gewissermaßen als Sockelsituation - von einer runden Bodenplatte ausgeht, an ihrem oberen Ende eine Glasscheibe. Sie kann, dem Unterstehenden wie ein Dach Unterstand bieten - auf kleinster Fläche entsteht so ein Ort zum Verweilen. In Spektakel lehnt ein Bambusstab, von einem ‘gestürzten’ Sockel aus gegen die Wand und balanciert an seinem oberen Ende einen Metallstreifen, der jene Form hat, welche sich ergibt, wenn ein zusammengerolltes Metall wieder aufspringt.
Fast alles, was heutzutage an Kunst entsteht, hat Wurzeln in den Sechzigerjahren, jenem entscheidenden Jahrzehnt, in dem der Kunstbegriff und das Feld der Kunst in so radikaler und facettenreicher Hinsicht erweitert wurden. Auch Kollnitz' Skulpturenbegriff, bei dem unter anderem das Material und dessen Eigenschaften in so direkter Weise zum Inhalt der Arbeiten wird, fußt auf den damals eröffneten Möglichkeiten. Während aber Künstler wie Richard Serra, Bruce Naumann, Joseph Beuys oder die Protagonisten der Arte Povera den Aussagen ihrer künstlerischen Setzungen allgemeingültige Bedeutung zuschrieben, wodurch ihrem Tun letztlich ein heroischer Charakter anhaftet, ist seine Herangehensweise insgesamt von größerer Leichtigkeit und Unprätentiosität. Sie begreift sich von vornherein als subjektiven Ansatz, der gar nicht erst versucht, fundamentale existentielle Erfahrungen zu vermitteln oder gar gültige Aussagen zu machen. Kollnitz zählt zu jener Künstlergeneration, die längst und selbstverständlich in dem Bewusstsein agiert, dass jeweils nur eine subjektive Weltsicht und Welterfahrung möglich ist.
Seine eigene ist von der lustvollen Wahrnehmung feinster Details geprägt, auf die er mit spielerischer Poesie, Raffinesse, Ironie und Humor reagiert.
Eva Badura-Triska, Wien September 2006