Natascha Sadr Haghighian
17 Jan - 07 Mar 2009
briquettes made of shredded money, Euro-pallet, stove, stovepipe, glass, light, sound, decoration apples. Format variable. Photo: Alexis Zavialoff
NATASCHA SADR HAGHIGHIAN
Früchte der Arbeit
17 January - 7 March 2009
Johann König, Berlin freut sich, mit „Früchte der Arbeit“ (2008) die zweite Einzelausstellung von Natascha Sadr Haghighian zu präsentieren. Haghighians Installation versperrt den Zugang zum Galerieraum durch eine große Glasscheibe, wodurch zwei getrennte Räume entstehen. In dem für den Besucher zugänglichen kleineren Vorraum steht ein gebrauchter Allesbrennerofen. Neben dem Ofen sind auf einer Europalette etwa 400 Briketts aus geschredderten Euronoten mit einem ehemaligen Wert von ca. 90 Millionen Euro gestapelt. Die Noten wurden von der Bundesbank eingezogen, entwertet und zu Briketts gepresst. Ein Brikett wiegt circa eineinhalb Kilo, hat einen ehemaligen Wert von einer Viertelmillion Euro und eine Brenndauer von 4 Stunden. Vom Ofen aus führt ein rund acht Meter langes verwinkeltes Abzugsrohr durch den Vorraum und durch ein Loch in der Scheibe in den verschlossenen Galerieraum. Hinter der Scheibe, die durch die Rahmung wie ein Display erscheint, quillt aus dem Ofenrohr eine Wolke aus grünen Plastikäpfeln aus chinesischer Produktion. Spotlights in den europäischen Farben blau und gelb werfen Lichter auf die falschen Früchte. Dazu ertönt euphorische Eurotechnomusik, deren wummernde Bässe im Vorraum wahrnehmbar sind.
„Früchte der Arbeit“ entwickelte die Künstlerin im Herbst 2008 für ihre Einzelausstellung im Frankfurter Kunstverein. Den Ausgangspunkt bildete die Auseinandersetzung mit der Geschichte des Finanzplatzes Frankfurt/Main, mit Fokus auf die europäische Währungsunion. Während die Einführung des Euro im Jahr 1999 die Außenhandelsposition der Europäischen Union stärkte und stabilisierte, halbierte sich der Wert des von der Bevölkerung verfügten Geldes quasi über Nacht. Wertschöpfung bei gleichzeitiger Wertvernichtung. Starke Währung und expandierende Märkte stehen dem Verlust von Arbeitplätzen und der Verlagerung von Produktionsstätten gegenüber. Haghighians Inszenierung von zwei, voneinander abgetrennten aber dennoch miteinander verbundenen Räumen, findet ein starkes Bild für diesen scheinbaren Widerspruch. Die Installation mit „Eventcharakter“ feiert auf ironische Weise die Erfolgsgeschichte der europäischen Union, welcher der Betrachter nur auf dem Megadisplay beiwohnen darf.
Unter dem unmittelbaren Eindruck der aktuellen Finanzkrise gewinnt die Arbeit eine weitere Betrachtungssebene. Geld bestimmt maßgeblich unser alltägliches, praktisches Leben, und ist doch eine gänzlich abstrakte Größe. Obwohl die Geldbriketts völlig wertlos sind, löst der Gedanke an ihren einstigen Wert eine emotionale Attraktion aus. Wie in anderen Arbeiten auch, hinterfragt die Künstlerin hier die Regeln der Repräsentation. Wie wird Wert bestimmt innerhalb der bestehenden wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse und von wem? Der Spekulationslogik der Finanzmärkte folgend ist Wert relativ und basiert vor allem auf Vertrauen in ein Bild oder eine Behauptung. Die Einbildung, aus der Addition von wertlosen Geldbriketts und einem Verbrennungsofen könnte eine frühlingsfrische Apfelwolke entstehen, ist in diesem System eine reine Glaubensfrage.
Präsentiert innerhalb einer kommerziellen Galerie fließt „Früchte der Arbeit“ demnach selbst in die marktwirtschaftliche Wertschöpfungskette ein. Diedrich Diedrichsen sagt „jeder nichtmaterielle Wert braucht die Aura unbezahlbar zu sein, damit er als Kunst erkannt oder anerkannt wird. Nur diese Konstruktion versichert dem Konsumenten – Käufer wie Betrachter-, dass es sich nicht um Willkür handelt, der er sich aussetzt. Autorität und Kapital treffen sich im Kunstwerk und vereinbaren seine Wertigkeit.“ (diedrich diedrichsen der kunstanspruch der medienkünste, http://www.artechock.de/kunst/magazin/re/dididr.htm)
Was bedeutet die Krise für die Kunst? Oder vielmehr, welche Rolle spielt die Kunst innerhalb der Wertschöpfungslogik der Finanzmärkte? Ist die große Party nun vorbei?
Natascha Sadr Haghighian beschreibt ihre Arbeit als einen fortlaufenden Prozess des Befragens und Verunsicherns sozialpolitischer Hierarchien und Konventionen, den sie mit unterschiedlichen Medien wie Video, Diaprojektionen, Kurzfilmen, Website-Präsentationen, Fotografien, Aktionen und Veranstaltungen artikuliert.
Natascha Sadr Haghighian (*1999, Frankfurt am Main ) studierte an der Hochschule der Künste in Berlin Bühnenbild und Kostüm (Master). Haghighian besuchte Kurse bei den Komponisten Dieter Schnebel (Musiktheater, Fluxus) und Maria Vedder (elektronisches Bühnenbild und Video). Während dieser Jahre erweitere sie ihre Studien zu Performance, experimenteller Musik und Videokunst. 1998 besuchte sie die Summer School of Goat Island (Performancegruppe, Chicago) des CCA in Glasgow. Von 1995 bis 2001 realisierte sie verschiedene Multimedia- und Theaterprojekte mit der Gruppe ?ex machinis?. Seit 2002 arbeitet Haghighian mit verschiedenen in Berlin lebenden Videokünstlern, Komponisten und Soundkünstler zusammen. Die Künstlerin entwickelte eine Reihe von Soloperformances und erhielt Stipendien in Basel (2003) und am Art Center Nadine in Brüssel (2004). Ihre Arbeiten wurden bisher in Berlin, Hannover, Hamburg, Frankfurt; Paris, Brüssel, Rom und Buenos Aires gezeigt.
Dieser Lebenslauf stammt von http://www.bioswop.net/
Früchte der Arbeit
17 January - 7 March 2009
Johann König, Berlin freut sich, mit „Früchte der Arbeit“ (2008) die zweite Einzelausstellung von Natascha Sadr Haghighian zu präsentieren. Haghighians Installation versperrt den Zugang zum Galerieraum durch eine große Glasscheibe, wodurch zwei getrennte Räume entstehen. In dem für den Besucher zugänglichen kleineren Vorraum steht ein gebrauchter Allesbrennerofen. Neben dem Ofen sind auf einer Europalette etwa 400 Briketts aus geschredderten Euronoten mit einem ehemaligen Wert von ca. 90 Millionen Euro gestapelt. Die Noten wurden von der Bundesbank eingezogen, entwertet und zu Briketts gepresst. Ein Brikett wiegt circa eineinhalb Kilo, hat einen ehemaligen Wert von einer Viertelmillion Euro und eine Brenndauer von 4 Stunden. Vom Ofen aus führt ein rund acht Meter langes verwinkeltes Abzugsrohr durch den Vorraum und durch ein Loch in der Scheibe in den verschlossenen Galerieraum. Hinter der Scheibe, die durch die Rahmung wie ein Display erscheint, quillt aus dem Ofenrohr eine Wolke aus grünen Plastikäpfeln aus chinesischer Produktion. Spotlights in den europäischen Farben blau und gelb werfen Lichter auf die falschen Früchte. Dazu ertönt euphorische Eurotechnomusik, deren wummernde Bässe im Vorraum wahrnehmbar sind.
„Früchte der Arbeit“ entwickelte die Künstlerin im Herbst 2008 für ihre Einzelausstellung im Frankfurter Kunstverein. Den Ausgangspunkt bildete die Auseinandersetzung mit der Geschichte des Finanzplatzes Frankfurt/Main, mit Fokus auf die europäische Währungsunion. Während die Einführung des Euro im Jahr 1999 die Außenhandelsposition der Europäischen Union stärkte und stabilisierte, halbierte sich der Wert des von der Bevölkerung verfügten Geldes quasi über Nacht. Wertschöpfung bei gleichzeitiger Wertvernichtung. Starke Währung und expandierende Märkte stehen dem Verlust von Arbeitplätzen und der Verlagerung von Produktionsstätten gegenüber. Haghighians Inszenierung von zwei, voneinander abgetrennten aber dennoch miteinander verbundenen Räumen, findet ein starkes Bild für diesen scheinbaren Widerspruch. Die Installation mit „Eventcharakter“ feiert auf ironische Weise die Erfolgsgeschichte der europäischen Union, welcher der Betrachter nur auf dem Megadisplay beiwohnen darf.
Unter dem unmittelbaren Eindruck der aktuellen Finanzkrise gewinnt die Arbeit eine weitere Betrachtungssebene. Geld bestimmt maßgeblich unser alltägliches, praktisches Leben, und ist doch eine gänzlich abstrakte Größe. Obwohl die Geldbriketts völlig wertlos sind, löst der Gedanke an ihren einstigen Wert eine emotionale Attraktion aus. Wie in anderen Arbeiten auch, hinterfragt die Künstlerin hier die Regeln der Repräsentation. Wie wird Wert bestimmt innerhalb der bestehenden wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse und von wem? Der Spekulationslogik der Finanzmärkte folgend ist Wert relativ und basiert vor allem auf Vertrauen in ein Bild oder eine Behauptung. Die Einbildung, aus der Addition von wertlosen Geldbriketts und einem Verbrennungsofen könnte eine frühlingsfrische Apfelwolke entstehen, ist in diesem System eine reine Glaubensfrage.
Präsentiert innerhalb einer kommerziellen Galerie fließt „Früchte der Arbeit“ demnach selbst in die marktwirtschaftliche Wertschöpfungskette ein. Diedrich Diedrichsen sagt „jeder nichtmaterielle Wert braucht die Aura unbezahlbar zu sein, damit er als Kunst erkannt oder anerkannt wird. Nur diese Konstruktion versichert dem Konsumenten – Käufer wie Betrachter-, dass es sich nicht um Willkür handelt, der er sich aussetzt. Autorität und Kapital treffen sich im Kunstwerk und vereinbaren seine Wertigkeit.“ (diedrich diedrichsen der kunstanspruch der medienkünste, http://www.artechock.de/kunst/magazin/re/dididr.htm)
Was bedeutet die Krise für die Kunst? Oder vielmehr, welche Rolle spielt die Kunst innerhalb der Wertschöpfungslogik der Finanzmärkte? Ist die große Party nun vorbei?
Natascha Sadr Haghighian beschreibt ihre Arbeit als einen fortlaufenden Prozess des Befragens und Verunsicherns sozialpolitischer Hierarchien und Konventionen, den sie mit unterschiedlichen Medien wie Video, Diaprojektionen, Kurzfilmen, Website-Präsentationen, Fotografien, Aktionen und Veranstaltungen artikuliert.
Natascha Sadr Haghighian (*1999, Frankfurt am Main ) studierte an der Hochschule der Künste in Berlin Bühnenbild und Kostüm (Master). Haghighian besuchte Kurse bei den Komponisten Dieter Schnebel (Musiktheater, Fluxus) und Maria Vedder (elektronisches Bühnenbild und Video). Während dieser Jahre erweitere sie ihre Studien zu Performance, experimenteller Musik und Videokunst. 1998 besuchte sie die Summer School of Goat Island (Performancegruppe, Chicago) des CCA in Glasgow. Von 1995 bis 2001 realisierte sie verschiedene Multimedia- und Theaterprojekte mit der Gruppe ?ex machinis?. Seit 2002 arbeitet Haghighian mit verschiedenen in Berlin lebenden Videokünstlern, Komponisten und Soundkünstler zusammen. Die Künstlerin entwickelte eine Reihe von Soloperformances und erhielt Stipendien in Basel (2003) und am Art Center Nadine in Brüssel (2004). Ihre Arbeiten wurden bisher in Berlin, Hannover, Hamburg, Frankfurt; Paris, Brüssel, Rom und Buenos Aires gezeigt.
Dieser Lebenslauf stammt von http://www.bioswop.net/