Kunsthalle Bern

Kaspar Müller

19 Oct - 01 Dec 2013

KASPAR MÜLLER
I Shrunk the Kids
19. Oktober – 1. Dezember 2013

Kaspar Müller im Gespräch mit Fabrice Stroun und Tenzing Barshee

Fabrice Stroun & Tenzing Barshee: Was sollen die im Stil von Julian Opie gemalten nackten Frauen, die sich im Vestibül entblössen? Ist es nicht etwas aggressiv, die Besucher der Kunsthalle Bern so zu begrüssen? Wie sollen wir uns diese Bilder anschauen?

Kaspar Müller: Diese Bilder sind nicht bloss im Stil von Julian Opie gemalt, die Motive selbst sind vom britischen Künstler übernommen. Ich habe Abbildungen seiner Werke digitalisiert, neue Ausschnitte gewählt und sie mithilfe von Siebdruck reproduzieren lassen. Zum Schluss habe ich ein paar Diamanten auf ihre Oberfläche geklebt. Mich interessierte vor allem, dass Julian Opies Bildsprache genauso allgegenwärtig wie auch explizit ist. Es sind Piktogramme. Die Davor-und-Danach-Frau, die ihre Brüste zur Schau stellt, sieht wie eine Animation der Luftsicherheitskontrolle am Flughafen aus. Ihre Deutlichkeit steht im Verhältnis zum Grad ihrer Abstraktion: Flache Farben, die gleichbleibende schwarze Konturlinie etc.

FS & TB: Du schlägst nicht wirklich vor, dass wir sie als blosse Abstraktionen sehen sollen, oder?

KM: Das wäre unmöglich. Diese Bilder sind doch auf vielen Ebenen problematisch. Einige beziehen sich auf berühmte kunsthistorische Akte. Die Frau vor blauem Hintergrund erinnert beispielsweise an Marcel Duchamps berühmten Akt, eine Treppe herabsteigend Nr. 2. Das Verstörende an diesen Bildern lässt sich nicht auf ihre sexualisierten Motive reduzieren. Diese abstrakte schwarze Linie, die den Bildinhalt gleichzeitig neutralisiert und hervorhebt, ist schlicht brutal. Der Effekt ist so deutlich, so dreist...

FS & TB: Sprichst du über Julian Opies Werk oder über dein eigenes?

KM: Mein eigenes natürlich. Ich glaube, dass mein Prozess der Aneignung und Umdeutung nichts von der ikonischen Intensität, die Opies Bildern eigen sind, abziehen. Diese Arbeiten – wie auch die ganze Ausstellung – versuchen einen unmöglichen Waffenstillstand zwischen Abstraktion und Repräsentation zu verhandeln. Mit der Abstraktion gehen Sprache und Wissen einher. Figurative Repräsentation bringt Empathie, Verlangen und Ablehnung mit sich. Zwischen diesen zwei Positionen gibt es viel Platz für Interpretationen und Missverständnisse.

FS & TB: Siehst du dich selbst als Satiriker? Was für eine Funktion, wenn überhaupt, hat der trockene Humor, der dein gesamtes Werk durchdringt?

KM: Dieser Humor ist mechanisch: Es ist das Lachen, das beim Zuschauen, wie etwas kaputt geht, provoziert wird. Ich interessiere mich für eine Erhöhung des Versagens, das untrennbar an das System der Repräsentation gekoppelt ist. Es liegt eine implizite Absurdität in den Haltungen, die Künstler einnehmen, um solches Fehlverhalten auszugleichen. Es ist wie wenn man dabei zuschaut, wie einer ausrutscht und man so tut, als wäre nichts geschehen.

FS & TB: Dieses Programm der Entzauberung könnte man leicht als zynisch verstehen.

KM: Dabei ist es das Gegenteil. Es gibt nichts Zynischeres als Menschen dabei zuzuschauen, wie sie blind einem Zaubertrick auflaufen. Damit Humor lustig ist, muss er ein bisschen böse sein. Das Leben ist voller Situationen, die reich an Fiesem sind: Wiederholungen, Versagen, unerfüllte Erwartungen, Missverständnisse, etc. Ich glaube, dass von vielen Menschen eine Erfahrung der Desillusionierung als Zynismus missverstanden wird. Darin liegt doch eine besondere Schönheit.

Kaspar Müller wurde 1983 in Schaffhausen geboren, zur Zeit lebt er in Berlin. 2013 wurde sein Werk sowohl in der Kunsthalle Zürich als auch in The Green Gallery, Milwaukee, Wisconsin, ausgestellt. Weitere Einzelausstellungen wurden seinem Werk in Institutionen wie dem Kunsthaus Zürich, 2012, dem Centre d‘Art Contemporain Circuit, Lausanne, 2011 und dem Museum Allerheiligen, Schaffhausen, 2010, gewidmet.

Der Künstler bedankt sich bei allen, die dabei geholfen haben, diese Ausstellung zu realisieren.
Sein besonderer Dank geht an Tina.

Diese Ausstellung wurde durch die grosszügige Unterstützung von Kultur Stadt Bern, Burgergemeinde Bern, Ernst Gönner Stiftung, Kanton Fachstelle Kultur und KulturRaum Schaffhausen ermöglicht, sowie durch die Kooperation mit unserem logistischen Partner Kraft E.L.S.
 

Tags: Kaspar Müller, Julian Opie