Hans Aichinger
19 Jan - 02 Mar 2014
HANS AICHINGER
Der weisse Anfang
19 Januar - 2 März 2014
„Eine Wirklichkeit hinter der Realität des Bildes herzustellen ist das, was Kunst leisten kann: über das Alltägliche hinauszugehen und das Visionäre, Geahnte zu evozieren. Gerade Aichingers altmodisches Beharren auf dem Geheimnisvollen und Unbenennbaren wirkt heute provozierend aktuell in unserer modernen Welt, in der Nüchternheit und Verstand gefragt sind, in der alles berechenbar ist. Bei ihm können wir das Staunen lernen. Ein Staunen, das nicht sogleich in der Pflicht des Verstehens steht. Es kann darüber hinausreichen oder darunter bleiben und hat mit Wissens- und Einsichtsvermittlung kaum etwas zu tun. Wer sich auf derartige Beunruhigungen einlässt, muss sich daran gewöhnen, in ungewünschte Richtungen gelenkt zu werden. [...] Aichinger konzentriert sich darauf, Bewegungen einzufrieren, Unbeantwortbares in leere Mitten zu projizieren und das Zeitmaß zu dehnen. So entstehen Parabeln der Langsamkeit und Vergeblichkeit, die sich auch gegenseitig belichten. Sie schöpfen aus dem Fundus großer Inszenierungen. [...] Aichinger zeigt, wie fragil der Bezug zur Realität ist. Oben die Andacht, unten das Lebensgefühl unserer Tage. Das künstlerische Ich als Schaltstelle für jedwede Versuche, Wahrgenommenes einzuordnen, mobilisiert verwirrende Intensitäten. Bilder, die faszinieren und zugleich distanzieren, weil sie so klar und doch schwer durchschaubar sind, weil Aichinger immer aufs Ganze geht und sich selbst nicht schont. Aichinger ankert auf der Rückseite der trostlosen Erfolgsgesellschaft, von wo aus er um so genauer auf die kulturellen Verwerfungen schaut, während er an seinen Konzentrationsübungen arbeitet. Was soll verkehrt sein an dieser Absage an die Flachheiten der Massenkultur und einem existenziellen, altertümlichen Anspruch auf das Geistige, auf Sinn und Weltverstehen?“
Textauszug aus: Christoph Tannert „Am Anfang ist Licht, am Ende das Nichts“ in: „Hans Aichinger. Wahrheit oder Pflicht“ Hirmer 2013.
Der weisse Anfang
19 Januar - 2 März 2014
„Eine Wirklichkeit hinter der Realität des Bildes herzustellen ist das, was Kunst leisten kann: über das Alltägliche hinauszugehen und das Visionäre, Geahnte zu evozieren. Gerade Aichingers altmodisches Beharren auf dem Geheimnisvollen und Unbenennbaren wirkt heute provozierend aktuell in unserer modernen Welt, in der Nüchternheit und Verstand gefragt sind, in der alles berechenbar ist. Bei ihm können wir das Staunen lernen. Ein Staunen, das nicht sogleich in der Pflicht des Verstehens steht. Es kann darüber hinausreichen oder darunter bleiben und hat mit Wissens- und Einsichtsvermittlung kaum etwas zu tun. Wer sich auf derartige Beunruhigungen einlässt, muss sich daran gewöhnen, in ungewünschte Richtungen gelenkt zu werden. [...] Aichinger konzentriert sich darauf, Bewegungen einzufrieren, Unbeantwortbares in leere Mitten zu projizieren und das Zeitmaß zu dehnen. So entstehen Parabeln der Langsamkeit und Vergeblichkeit, die sich auch gegenseitig belichten. Sie schöpfen aus dem Fundus großer Inszenierungen. [...] Aichinger zeigt, wie fragil der Bezug zur Realität ist. Oben die Andacht, unten das Lebensgefühl unserer Tage. Das künstlerische Ich als Schaltstelle für jedwede Versuche, Wahrgenommenes einzuordnen, mobilisiert verwirrende Intensitäten. Bilder, die faszinieren und zugleich distanzieren, weil sie so klar und doch schwer durchschaubar sind, weil Aichinger immer aufs Ganze geht und sich selbst nicht schont. Aichinger ankert auf der Rückseite der trostlosen Erfolgsgesellschaft, von wo aus er um so genauer auf die kulturellen Verwerfungen schaut, während er an seinen Konzentrationsübungen arbeitet. Was soll verkehrt sein an dieser Absage an die Flachheiten der Massenkultur und einem existenziellen, altertümlichen Anspruch auf das Geistige, auf Sinn und Weltverstehen?“
Textauszug aus: Christoph Tannert „Am Anfang ist Licht, am Ende das Nichts“ in: „Hans Aichinger. Wahrheit oder Pflicht“ Hirmer 2013.