Kunstverein Nürnberg

Tektonika: Barbara Kasten & Magicgruppe Kulturobjekt

07 Jul - 07 Oct 2012

Magicgruppe Kulturobjekt, Installationsansichten
TEKTONIKA: BARBARA KASTEN & MAGICGRUPPE KULTUROBJEKT
7. Juli bis 7. Oktober 2012

Im Jahr 1920 wurde das „Realistische Manifest“ von Antoine Pevsner und Naum Gabo verfasst. Der Begriff Tektonika bezeichnet darin eine dynamische, abstrakt-geometrische und ideale Formensprache. Auch verweist er auf eine dynamische Kraft, die Erdplatten bewegt, das Oben und Unten umkehrt und Bezugspunkte stört.

Die Ausstellung Tektonika greift diese Idee auf und zeigt mit Barbara Kasten und der Magicgruppe Kulturobjet zwei künstlerische Positionen, die eine Spannung zwischen Instabilität und Stabilität, zwischen dem Ganzen und seiner Fragmentierung umkreisen. Ab welchem Punkt lässt sich eine Form oder ein Raum definieren? Ab wann kann man eine Form oder einen Raum differenzieren? Ab wann kann das Auge keinen Raum mehr ausmachen?

Sowohl in der Fotografie von Barbara Kasten als auch in der Installation und dem Arbeitsprozess des Künstlerkollektivs Magicgruppe Kulturobjekt findet man diese Ambivalenz zwischen Konstruktion und Dekonstruktion wieder, die eine andere Lektüre des Raumes erfordert.

Nach ihren ersten Untersuchungen von Licht und Schatten, die in ihren Photogrammen und Cyanotypien in den 1970er Jahren zu sehen sind, hat Barbara Kasten (*1936, lebt und arbeit in Chicago) in ihrer Serie Constructs (1979-83) eine weitere und komplexere Dimension von Raumwahrnehmung entwickelt, die im Kunstverein gezeigt wird. Aus einfachen Formen und Materialien wie Glas, Plexiglas, Metall oder Spiegeln hat die Künstlerin hierfür Sets inszeniert und diese abfotografiert. Die so entstehenden Rauminszenierungen, die aus geometrischen Formen, gebrochenem Licht, Texturen des Materials, perspektivischen Verschiebungen, Durchlässigkeit oder Spiegelungen bestehen, lassen den Blick des Betrachters zwischen grafischer Flächigkeit, geometrischer Komposition und dreidimensionaler Perspektive oszillieren.
Weiter hat sie in den Arbeiten der Architectural Sites (1986-89) an der Verschiebung des Blicks und des Perspektivwechsel direkt im öffentlichen Raum gearbeitet: mit Hilfe eines Teams hat sie an ausgewählten Orten die Architektur durch das Einfügen von Spiegeln und den Einsatz von gefärbten Lichtprojektionen aufgebrochen bzw. dekonstruiert. Der Raum, den man zu erkennen meint, wird komplett entmaterialisiert; die Bilder bewegen sich dabei zwischen Bild, Objekt und Ebene.

Bereits durch ihre Arbeitsmethode stellt sich ebenso die Magicgruppe Kulturobjekt gegen eine eindeutige visuelle Stabilität. Je nach geplantem Projekt wird mit einer unterschiedlichen Anzahl und Kombination von Künstlerinnen und Künstlern gearbeitet. Im Kunstverein Nürnberg nehmen teil: Nadja Athanassowa, Michael Dobrindt, Sonja Engelhardt, Marie Gerlach, Markus Hahn, Stef Heidhues, Marcel Hiller, Roland Kollnitz, Tamara Lorenz und Sebastian Walther.

Die Magicgruppe Kulturobjekt entwickelt ihre Arbeit vor Ort und in direkter Reaktion auf die Räume und die KünstlerInnen der Gruppe selbst. Die Inszenierung entstammt hier also keinem vorgefassten Konzept, keiner planbaren Vereinbarung und äußert sich als kollektives Konstrukt, dessen Gestalt sich räumlich-temporär formt. Materialien unterschiedlichen Ursprungs werden vor Ort neu inszeniert. Die Beschaffenheit, Anordnung und Ansammlung des Materials wird im Raum so choreographiert bis Verzerrungen und visuelle Verschränkungen konditionierte exemplarische Raumbehauptungen zersetzen. Die räumliche Erzählung, die daraus entsteht, führt in einen skulpturalen Parcours ein, in dem unterschiedliche visuelle Spiele und angedeutete dynamische Prozesse zu entdecken sind.

Sowohl die konstruierte Setzung bei Kasten als auch die experimentelle dekonstruktive Installationen der Magicgruppe irritieren die Wahrnehmung von Formen und Funktionen von Objekten und Räumen: Architektur, Oberfläche und Materialität scheinen sich aufzulösen und wandeln sich zu einer eigensinnigen konstruktiv erfahrbaren Form.

Öffnungszeiten: Mittwoch – Sonntag 12 bis 18 Uhr, u.n.V.
Sommerpause: 1. August bis 2. September 2012
Führung: Sonntag, 7. Oktober 2012 um 15 Uhr, u.n.V.

Mit freundlicher Unterstützung durch das Bayerische Staatsministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst; den Bezirk Mittelfranken, die Firma Wöhrl sowie das Hotel Mercure. Der Beitrag der Magicgruppe Kulturobjekt wurde unterstützt durch das österreichische Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur; Kochinvest Unternehmensgruppe, Birner Kunststofftechnik, Playmobil, Smurfit Kappa, TONI sowie Jana Tischer.
 

Tags: Naum Gabo, Stef Heidhues, Barbara Kasten, Roland Kollnitz, Antoine Pevsner