GESCHICHTEN VON DER EIGENEN FREMDE
Geschichten von der eigenen FremdeWir warten auf die Auflösung des Sprachgewirrs, aber sie kommt nicht. Magda Korsinsky überlässt uns der Unverständlichkeit. Wir warten auf die Untertitel, aber sie erscheinen nicht. Und genau darin liegt die Stärke ihrer Arbeit „welcome“ (2007). Erst kurz vor Ende des 10-minütigen Videos spricht eine der Protagonistinnen auf Deutsch von „fehl am Platze sein“. Alle anderen Stimmen verbleiben im in Eritrea gesprochenen Tigrina. Thematisch ist damit das Spannungsfeld der Arbeit umschrieben. Der anfangs eingeblendete Titel „welcome“ heißt den Betrachter in der Arbeit, aber auch in der ihr immanenten Fremde willkommen. Das Video schließt mit der Erkenntnis der Nicht-Zugehörigkeit.
Die dokumentarisch anmutenden Aufnahmen aus Eritrea wurden von Korsinsky kompositorisch so aneinandergereiht und inszeniert, dass sich thematische Blöcke von Innen- und Außenräumen ebenso aufbauen, wie sich gezielt Farben und Formen abwechseln und ergänzen. Auf roter Erde laufen grün bekleidete Soldaten, den verwackelten Menschenmassen sind ähnlich unscharfe Aufnahmen von Baumreihen nachgestellt. Wir warten auf die Untertitel, um zu verstehen, und bleiben letztlich nur den Gesten überlassen. Von intimen Blicken in den Innenraum und Nahaufnahmen der erzählenden Gesichter bewegen wir uns mit der Kamera nach außen. Der Blick richtet sich auf die spezifische Ästhetik einer Militärparade bei Tag und auf eine von Musik unterlegte Tanzveranstaltung im Freien bei Nacht. Innen- und Außenräume werden auf ihre männliche oder weibliche Konnotation hin untersucht, wenn junge Mädchen beim Zöpfeflechten gezeigt werden oder die öffentliche Militärparade im Mittelpunkt steht. Genau in diesen Momenten setzt Korsinsky jedoch Brüche ein. Die scheinbar den Geschlechtern zugeschriebenen Räume werden vertauscht und ein Teil des exerzierenden Militärs stellt sich als ausschließliche Frauentruppe heraus.
Korsinskys biografische Arbeit, die sich ihren eritreischen Wurzeln widmet, kommt dabei ohne postkoloniale Kritik und migrationsanalytisches Pathos aus. Der Blick der Kamera scheint auch immer unser Blick in eine andere Welt zu sein, die Korsinsky aber selbst genauso fremd ist. Weder spricht sie, noch versteht sie Tigrina. Wie sie, sind wir auf das Bild, auf die Geste, auf ein Lächeln angewiesen, um intellektuell folgen zu können, und scheitern. Einzig das konkrete Bild und der abstrakte Ton bleiben. Die letzte Einstellung zeigt eine Landschaft von Hausdächern, auf die heftiger Regen niedergeht. Visuell wird die sprachliche Verwirrung hinweggespült und geht in ein auditives Rauschen über, dem die Farbe genommen ist. Fast scheinen wir auf das schwarz-weiße Flimmern der zu Ende gespielten Videokassette zu warten.
Korsinsky zeigt „welcome“ auf einem TV-Set, eingebettet in eine aus Kleidungstücken gefertigte Zeltstruktur. Die Betrachterinnen und Betrachter sehen sich hier einer formalen und inhaltlichen Sprache gegenüber, die an Künstlerinnen wie Tracy Emin aus der Young British Artist Szene erinnert. Emins Arbeit „Everyone I Have Ever Slept With 1963 -1995“(1995) operiert auf ähnliche Weise, wie Korsinsky ihre Geschichte und ihr Umfeld in „welcome“ verankert.
In ihren Siebdruckserien zeigt sie von ihr selbst benutzte Kleidung und ordnet diese dem wirklichen Gebrauchstag zu. Sie bietet dem Betrachter wiederum intime Einblicke in eine ihm sonst verschlossene Welt. Korsinsky unterwirft die Kleidung qua Siebdruck jedoch ästhetischen Verfremdungsprozessen, die sie aus dem bloßen Dokumentations- zusammenhang herauslöst und neue ästhetische Zugänge öffnet. Korsinsky erreicht eine Autonomie vom schieren textilen Relikt des Tages, oder einer filmischen Dokumentation einer Nacht in Eritrea. Und doch behalten ihre Arbeiten den Charakter der Spur bei. Das Zelt um „welcome“ besteht klar erkennbarer aus Kleidung. Die T-Shirts und Jacken kommen aus dem Besitz ihrer Familie und lassen sich damit auch als Schutzschicht und Rückzugsmoment lesen. In den Siebdrucken finden wir jedoch Kleidung, die so weit verfremdet ist, dass sie zunächst als bloße Collagen von Farbfeldern erscheint. Korsinsky lässt stets eindeutige Hinweise auf den eigentlichen Ursprung ihrer gestalterischen Mittel zu, und der indexikalische Charakter ihrer Medien bleibt gewahrt und lesbar. Es ist genau jene Verschränkung von ästhetischer Versatzstückung und inhaltlicher Spur der Wirklichkeit, die Korsinskys Arbeiten ausmacht.
Nico Anklam
Tales of an Innate Foreignness
We wait for the linguistic knot to unravel, but it doesn't happen. Magda Korsinsky leaves her audience clueless. We wait for subtitles but they don't appear. This is what makes Korsinsky work "welcome" (2007) remarkably successful. Only immediately at the end of the 10-minute-long video one of the protagonists speak about being displaced in German. All other voices remain in Tigrina, the language spoken in Eritrea. This encapsulated the tension of the work. The title not only welcomes the audience to this piece of work, but introduces it to an impending feeling of displacement and foreignness. The video culminates with the realization that the viewer does not belong.
Korsinsky assembled, composed and edited the documentary-style clips from Eritrea with the intention to alternate interior and exterior as well as colors and shapes and thereby extend the meaning of their content. Soldiers in green uniforms march across red earth. The blurry images of the crowd are followed by aesthetically similar shots on tree rows. Again, we are waiting for subtitles to understand but eventually we are left to guess the meaning of the scene from the gestures.
The editing leads us from interiors and close-ups of the narrating faces to the outside. The piece directs our gaze to shots of a military parade in broad daylight and then a dance event with music outside at nighttime. Korsinsky examines masculine and feminine traits in the piece through images of girl’s braiding their hair or the military parade. That is when Korsinky interferes and unveils our inherent bias: The soldiers turn out to be troops of women.
In this autobiographical work Korsinsky deals with her Eritrean roots but without any post-colonial criticism or migration-analyzing pathos. The gaze of the camera mimics our gaze into a foreign world, which is just as alien to us as it is for Korsinsky. She also doesn't speak or understand Tigrina. We are, like her, dependent on gestures and smiles to intellectually follow the people's narration. But like her, we fail. Only the tangible image and the intangible sound remain as a means for this piece to communicate. The last shot shows a landscape of rooftops. Rain is falling down on them. Visually, the rain washes away the linguistic confusion. The voices are phased out into the constant whooshing sound of the rain drumming on the rooftops. Korsinsky fades out the colors. The last shot almost resembles the black and white static at the end of a video tape.
Korsinky presents "welcome" in a TV-set that is cloaked in a tent made of clothing. Formally this outer skin shows references to Tracy Emin's „Everyone I Have Ever Slept With 1963 -1995“(1995). Both deal with notions of personal history or intimate relations. While coming from different backgrounds, they still operate in similar ways.
In her screen print series, Korsinsky exhibits clothing she wore and categorizes it according to the day when it was used. She offers an intimate insight to a very private world but distorts this by printing images of the clothes that create rather abstract forms and color fields. Korsinsky’s work thereby gains an aesthetic autonomy through which it is removed from the sheer documental context of her daily life, just as her gaze on Eritrea is far more than just documentarian. And yet, her work retains a part of reality. The tent around "welcome" is clearly made of clothing.
The t-shirts and jackets, with which Korsinsky made the tent, came from her family's possession and can be interpreted as a protectionist layer and an expression of withdrawal. The vast screen prints on the other hand rather seem like large, colorful mosaics than individual pieces of clothing. Still Korskinsky purposefully keeps traces of the original material intact and thereby preserves the indexical character of her media. It is exactly this interweavement of aesthetic super-positioning and the trace to reality that characterize Korsinsky's work.
Translation: Lam Thuy Vo