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MARCUS STEINWEG
 

BRIEF AN THOMAS HIRSCHHORN. LIEBE, TOTALISMUS, SCHWEIGEN UND DIE FALSCHE VIRGINITÄT

Vielen Dank für deine Ausstellung hier in Berlin. Die Doppelgarage ist sehr gut. Dicht, sinnlich, schön, offen und gleichzeitig bestimmt. Sie ist entschieden. Ich bin froh, ein wenig mitgearbeitet zu haben. Ich glaube zu verstehen: das Dumme und die Komplexität sind zwei Pole, die das Energiefeld öffnen. Die dummen Pilze, das sinnlose Kreisen der Modell-Eisenbahnen, die vergrößerten und unbrauchbaren Nietzsche-Bücher, Nietzsche-Dummies. Die Werkzeugwände mit Büchern und gewöhnlichen Werkzeugen, die Fotos, die den Preis und die Geschichte der Globalisierung des Kapitals illustrieren, ohne Illustrationen zu sein. Ich träumte von diesem Preis, vom Bezahlen-Müssen, dass Realität etwas kostet, ihren Preis hat. Das war mein Traum vom doppelt blinden Passagier. Das ist jemand, der, anstatt nichts zu bezahlen, also sich durchzumogeln, willentlich doppelt bezahlt. Doppelt und mehr als doppelt. Der eigentlich Blinde Passagier, der mutwillig mehr bezahlt als nötig. Woanders nenne ich es eine würfelnde, unberechenbare, kopflos-dumme Investition. Eine Investition, die keine ist. Eher Spiel und Spieleinsatz. Der Einsatz muss unermesslich sein!

Doppelgarage ist eine starke und herausfordernde Arbeit. Du forderst zur Selbstüberforderung auf. Du weißt, dass ich das gleiche von Nietzsche behaupte. Das war es, was ich zu sagen versuchte am Abend der Ausstellungseröffnung im Restaurant: Verantwortung ist Selbstüberforderung. Man bejaht etwas, das die eigenen Kapazitäten übersteigt. Nicht um sich in seiner Überforderung oder Ohnmacht zu gefallen. Sondern um im Überfordertsein Realität als Überforderung zu bejahen. Das ist schon ein Stück Phantasmen-Destruktion.

Deine Arbeit artikuliert noch etwas: Man muss bezahlen für seine Ideen und Leidenschaften. Es kostet immer mehr als man bezahlen kann. Das heißt, man ist gezwungen sich zu verschulden. Aber man darf nicht schuldig werden. Man muss in der Situation dieser Verschuldung die Verantwortung für einen unmöglichen Kredit übernehmen. Ohne schuldig zu sein. Verantwortlich, nicht schuldig. Verantwortung beginnt jenseits der Schuld. Bejahung, Liebe, Philosophie und Kunst gibt es nur rückhaltlos und totalistisch, das heißt ohne schlechtes Gewissen, ohne Gewissen überhaupt. Man bejaht nur, wie man liebt: Ganz und an der Grenze des Verrücktwerdens. Man liebt immer ganz, oder man liebt nicht. Es ist nicht besonders interessant partiell zu lieben, partiell zu bejahen. Etwas ganz zu bejahen, erfordert Mut und eine gewisse Größe. Ganz zu bejahen, bedeutet immer mehr als nur das Ganze zu bejahen. Es bedeutet, alles und mehr als alles zu bejahen. Das Unmögliche zu wollen. Das ist die Arbeit und utopische Lust der Romantik im harten Sinn. Zu Hoffen in nicht-trügerischer (esoterischer, obskurantistischer, mystischer, religiöser etc.) Selbstverleugnung bedeutet: mutig und verantwortlich sein Selbst zu behaupten. Du bist mit deiner Arbeit auf diesem Weg.

Es ist schwer, sensibel und intelligent zu sein. Sensibel, indem man die Risiken auf sich nimmt, die Sensibilität notwendig einschließt (Verletzbarkeit, Schwächung der eigenen Aktivität usw.). Intelligent, indem man riskiert nur scharfsinnig, pragmatisch oder berechnend zu sein. Die meisten Künstler sind entweder zu analytisch oder zu empfindsam. Beides ist nicht gut. Es geht auch nicht um die Verbindung dieser Kräfte. Man muss auf eine intelligente Art sensibel sein, indem man seine Sensibilität weder durch falsche gedankliche Vorsicht noch durch narzisstischen Sensibilismus neutralisiert. Ich glaube, dass dir das gelingt.
Es ist eine eigene Schönheit und "Poesie", die du hervorbringt, inmitten oder angesichts der Härte der existentiellen politischen und sozialen Probleme der Menschen heute. Es ist eine Poesie des Faktischen, deine konkrete, prekäre Poesie. Immer geht es um die Verbindung des formalen Behauptungswillens mit der Empfänglichkeit für die großen und übergroßen (globalen) Sorgen und Nöte. Für mich gehört das zur Glaubwürdigkeit deiner Arbeit. Es sind zwei Dinge, die die Arbeit eines Künstlers oder einer Künstlerin glaubwürdig machen: Intensität und Dringlichkeit. Das Meiste in der Gegenwartskunst ist weder notwendig (es ist beliebig, unterhaltsam, „provokativ“, fehlerlos, also gewissermaßen überflüssig) noch intensiv (also evident, auf eine schlagende, leise oder vehemente Art, einnehmend, beunruhigend oder zwingend). Das sind meine Kriterien, die ich gegenüber den, zweifellos unerlässlichen Fragen nach dem politischen, ideologischen, sozio-historischen Status des „Kunstwerks“ privilegiere.

Man muss dem Werk auf der Ebene der Produktion, seines Werdens, begegnen. Man wird einwenden: Produktion und Produktivität gehorchen Bedingungen. Die eigentliche Herausforderung sehe ich dennoch in der Transzendenz der Umstände oder Bedingungen, die immer auch eine Transzendenz der eigenen Verletztheit ist. Man kann mit Sartre und Badiou sagen, dass das Werk als Ereignis aus dem Nichts auftaucht. Es ist Ereignis einer gewissen Überfliegung. Was die philosophische von der historischen Analyse unterscheidet, ist dieses Wagnis der Weigerung, das Ereignis des Werks – das Werk als Ereignis – dem Tatsachen-Obskurantismus, der „materialistischen Spekulation“, wie Hannah Arendt sagt, d.h. der Leichtgläubigkeit des Szientismus und seiner reduktionistischen Ideologie, zu überlassen. Die Differenz zwischen philosophischer und historischer Analyse wiederholt sich im Unterschied von Philosophie und politischer Theorie, wie ihn Arendt macht. Philosophie ist von Anfang an, seit Plato, politik-kritisch. Während politische Theorie philosophie-kritisch ist. Politik beginnt für Arendt dort, wo Philosophie aufhört, wo Philosophie versagt und versagen muss.
Der Raum der Politik ist die "Welt", die Dimension des Urteils, der Entscheidungen. Philosophie ist immer auch Weltüberschreitung, Transzendenz. Diese Überschreitung ist kein weltfremder oder weltverneinender "Idealismus". Sie gehört zur Philosophie, sofern Philosophie als Philosophie gewissermaßen ekstatisch ist, eine Transzendenzbewegung vollzieht, die auf das Jenseits des Möglichen (zum Beispiel politischer Optionen in der konkreten "Welt") gerichtet ist. Man könnte sagen, dass die Philosophie eine absolute Unwahrscheinlichkeit darstellt, während politische Theorie (mit der Politik selbst) den Raum des Möglichen durchmisst, um innerhalb dieses Raums zu urteilen, zu handeln, d.h. zu funktionieren. Politik ist die Kunst des Möglichen. Philosophie funktioniert, indem sie in diesem Raum scheitert, also nicht funktioniert. Philosophie markiert den Triumph des Unmöglichen über das Mögliche. Daher ihr schlechter Ruf (weltfremd, "abgehoben" etc. zu sein). Weil sie sich weigert, sich im Gegenwärtigen zu beruhigen, anstatt es in Frage zu stellen und derart schon auf etwas anderes hin zu überschreiten: auf das möglich/unmögliche Jenseits der Gegenwart und ihres Möglichkeitsbegriffs.
Zur politischen Theorie gehört wie zur Politik die Haltung des Diplomaten, Einsicht in die Notwendigkeit von Kompromissen, von Konsens. Philosophie ist nicht-diplomatisch. Es gibt Philosophie nur als Widerstand gegen den Kompromiss. Sie muss zwei Irrwege meiden: 1. den Weg der Träumerei bzw. Gespensterseherei, wie ihn Kant mit der dogmatischen Metaphysik verbindet, und 2. den Weg der positivistischen Phantasielosigkeit und ihres kleinlichen Tatsachen-Obskurantismus, der nirgendwohin führt als zur Bestätigung dessen, was man ohnehin schon „weiß“. Wer argumentiert, hat verloren, steht schon an der Wand, rechtfertigt sich bereits. Ich verstehe Deleuze sehr gut, seinen Hass auf Diskussionen, auf Philosophie als Diskutiererei. Philosophie diskutiert nicht, weil sie ein Unmöglichkeitsereignis ist. Es gibt, außerhalb der Philosophie, keine Rechtfertigung für die Philosophie. Gilt das auch für die Kunst?

Ich halte die Infragestellung oder Dekonstruktion eines bestimmten ideologischen oder einfach nur dummen Künstler-Subjektivismus für unerlässlich. Ich lache, wie alle, über Bohemien-Attitüden, Einzelgänger-Getue, Kreativitäts-Anmaßungen und die ganze narzisstische Wichtigtuerei für die die Kunst- und Zeitgeschichte so viele Beispiele liefert. Dennoch: Gerade deshalb, auch als Korrektiv zu diesen Missverständnissen, muss die Idee eines starken authentischen Subjekts aufrecht erhalten werden. Überhaupt geht es um einen immer anachronistisch anmutenden Sinn von „Aufrichtigkeit“, Selbsterhebung, Auto-Erektivität. Das Subjekt des Aufstands, der Selbstaufrichtung, ist Subjekt einer gewissen Auferstehung, es kommt aus dem „Land der Toten“. Es hat die Erfahrung des Ungrunds oder des Chaos gemacht. Es ist ein einsames Subjekt, weil es Subjektivität nur als Erfahrung der Einsamkeit gibt. Es trägt volle ungeteilte Verantwortung für sich. Es trägt sie angesichts des Anderen, auf dem Grund oder Ungrund einer mit ihm, wie Judith Butler sagt, „geteilten Verletzlichkeit“.
Das Subjekt ist Subjekt einer unteilbaren Verantwortung nur im Verhältnis zur geteilten Passivität des Ungewollten und Unkontrollierbaren. Es widersetzt sich dem Ungewollten, ohne es zu entschärfen, zu leugnen oder im Akt narzisstischen Selbstschutzes zu internalisieren. Es widersteht ihm, indem es die primordiale Passivität, d.h. seine originäre Endlichkeit, Rezeptivität oder Geworfenheit, zum Ausgangspunkt seines Wollens und seiner Freiheit wählt. Es repräsentiert diese Widerständigkeit selbst.

Für mich liegt die Herausforderung darin, Freiheit, Stolz, Würde, Treue, Verantwortung, Schönheit, Liebe und Scham unter den Bedingungen der Ideologiekritik und des dekonstruktiven Kontextualismus zu denken: Frei sein zu wollen in der Unfreiheit. Das antigoneische Subjekt, das würdevoll, schön und stolz ist, ist ein Subjekt der Wahrheit. Es ist Subjekt der Wahrheit seines Willens, seiner Freiheit, seiner Subjektivität. Jeder kennt den Stolz des unterdrückten widerständigen Subjekts, und seine Scham angesichts der sadistischen Angst der Unterdrücker. Das Unterdrücker-Subjekt, das Subjekt der Macht, reagiert, indem es Unterdrückung ausübt, indem es den Elenden, den verdammten unterprivilegierten Subjekten ihre Freiheit zu nehmen versucht. Aus Angst vor der eigenen Freiheit, zweifellos. Das Unterdrücker-Subjekt ist feige. Es hat keinen Mut. Es verletzt andere, um die eigene Verletztheit zu überwinden. Es lebt in der Unterdrückung seine Angst. Das Subjekt des Widerstands ist Opfer dieser Angst, ohne Opfer bleiben zu wollen. Es reduziert sich nicht auf seine Rolle in der augenblicklichen Situation. Es erhebt sich als Subjekt eines eigenen Willens. Es richtet sich in der Niederlage auf. Es beginnt über den Umständen zu schweben. Es ist leicht wie eine Feder. Es besinnt sich auf seine Freiheit, die absolut ist und keinen Schaden nimmt durch die objektive Situation (seiner Gefangenschaft in politisch, sozio-kulturell, historisch usw. codierten Zusammenhängen). Heute kommt mir nichts notwendiger vor, als auf dieser Würde und auf dem Stolz und der Schönheit des Subjekts der Freiheit zu bestehen.

Der Wille zu Intensität und Dringlichkeit betrifft die Subjektivität im allgemeinen. Für die Doppelgarage schrieb ich über das Lesen, über einen bestimmten Lektürebegriff bei Nietzsche. Lesen heißt, die Lektüre unterbrechen, das Buch als Buch überschreiten, um im Jenseits des Buchs den Sinn des Gelesenen zu "realisieren". Ich nenne es Ontifikation. Heidegger spricht in Sein und Zeit an drei Stellen vom Rückschlag. Im Rückschlag ergreift das Dasein die theoretisch erschlossenen Seinsmöglichkeiten in ihrer praktischen Relevanz. Das Fragen der Philosophie, wenn es denn ein Fragen ist, erwirkt einen Rückschlag, einen Rückstoß, wie Heidegger auch sagt, auf sich selbst. Die Ontologie rückläufig zu ontifizieren, bedeutet verändert ins Leben zurückzukehren. Die Lektüre-Erfahrung ist etwas anderes als die Erfahrung eines Buchs oder des gelesenen Texts. Das Lesen fängt an, wo das Buch aufhört. Geht es in Kants Kritik der reinen Vernunft tatsächlich um die Frage "Wie sind synthetische Urteile a priori möglich“ (so steht es in den Philosophiegeschichten)? Zweifellos.
Und dennoch: Brisant, ja schmerzhaft, wird das Buch erst, wenn man realisiert, dass diese nur „theoretisch“ klingende Frage das Sein des Menschen oder Subjekts betrifft. Das lesende Subjekt ist „ein Mensch". Das heißt: Es geht um mich! Wer bin ich, was soll ich tun, was darf ich hoffen? Das sind Fragen, deren Bedeutsamkeit unzweifelhaft ist. Man hängt seine ganze Existenz in diese Fragen und ihre Beantwortung. Wenn es im sogenannten Schematismus-Kapitel um die Temporalisierung der Kategorien geht, bedeutet es, dass das Subjekt endlich ist: Ich sterbe!

Ich bestehe auf Intensität, in der Begegnung mit einem Buch, wie mit einem Menschen: „Jede Begegnung ist ein Entwurf und eine Fortentwicklung des Seins.“ Es gibt diese hyperboreische Zone als Begegnungs-, Konfrontations- oder Erfahrungszone im allgemeinen und als Lektürezone im besonderen. Es ist der Name für die nördliche unwirtliche Zone. Wir sind Hyperboreer, schreibt Nietzsche, und verweist auf Pindar. Deleuze nimmt es auf und unterscheidet die hyperboreische oder arktische Zone von den gemäßigten Zonen. Alles echte Werden, jede reale oder authentische Begegnung findet in der hyperboreischen Zone statt. Die hyperboreische Zone ist die Zone unkontrollierter Mutationen, der Veränderung und Redefinition der eigenen „Identität“, indem man in Kontakt mit anderen „Identitäten“ tritt. Deleuze spricht von „wechselseitiger Depersonalisierung“.
Es gibt „Liebe“, da passiert nichts mehr. Man nimmt sich vom Anderen, was man braucht. Man tauscht Illusionen und Berührungen. Und es gibt Liebe als hyperboreische, als Krieg der Singularitäten: das bedeutet, dass hier alles auf dem Spiel steht, dass die betroffenen Subjekte mit vollem Einsatz spielen, dass wirklich etwas geschieht zwischen den Menschen. Manche halten es für pathetisch. Ich nicht.

Heidegger schreibt am 10.2.25 einen Brief an Hannah Arendt. Dort steht: "und meine Treue zu ihnen soll einzig ihnen helfen, sich selbst treu zu bleiben." Sich selbst treu bleiben, das ist auch die Forderung der psychoanalytischen Ethik Lacans, sein Begehren, sein Wollen, seinen Subjekt-Status nicht zu kompromittieren: "la seule chose dont on puisse être coupable, c ́est d ́avoir cédé sur son désir." Zunächst geht es darum, sich der Ökonomie des gesunden Menschenverstandes, d.h. dem moralischen Pragmatismus zu widersetzen. Das ist die Logik der guten Gründe, der abwägenden Antizipation der möglichen oder denkbaren Folgen. Es ist die Logik der Mutlosigkeit, die Logik der Angst. Sein Begehren nicht zu kompromittieren bedeutet, keine Angst, das heißt auch, keinen Plan B zu haben. Jede echte Entscheidung und der eigentliche Akt der Treue ist die Treue zum Unbekannten. Treu zu sein, ist für uns alle das Schwerste. Treue erfordert am meisten Freiheit, am meisten Entschiedenheit, am meisten Mut. Die Treue korrumpiert das System des Wiss- und Berechenbaren. Sie übersteigt die Ordnung der Vernunft. Treu sein bedeutet, unvernünftig zu sein (nicht „irrational"). Es ist eine gesteigerte Vernunft, die als Treue-Vernunft, sich dem Unberechenbaren zuwendet, die sich auf es öffnet, um sich in seine Richtung zu beschleunigen. Es gibt Vernunft nur als Treue zu ihrem eigenen Abgrund. Das heißt als Untreue sich selbst gegenüber als bloßer Vernunft.

Treue gehört zur Liebesbewegung, zum Überschwang des liebenden Subjekts. Sie hat nichts mit Angst zu tun. Sie überwindet die Angst der Untreue, den Luxus der Unentschiedenheit. Entschiedenheit erfordert die Treue zu sich als Subjekt der Entscheidung (Verantwortung), und sie erfordert Treue zum Gegenstand der Entscheidung, zur Entscheidung selbst und ihren unabsehbaren Folgen. Nur wer treu ist, riskiert den Schrecken des Nichtvorhersehbaren. Treue ist nicht-passive Hingabe.
Mich interessiert diese aktive Liebe und Hingabe (du weißt, wie mutig eigentliche Hingabe ist. Hingabe erfordert Mut). Die seltene Verbindung eines freien emanzipierten Menschen, der sich als schon freier Mensch (er muss sich zunächst selbst zu sich befreien, emanzipieren, sonst ist seine Liebe und Hingabe nichts wert, nur diffus und unentschieden) hingibt, schenkt und verschwendet (ohne sich zu verlieren: er ist diese liebende Selbstverschwendung), zeichnet das Porträt der authentischen Liebesbewegung. Man gibt sich hin, nur indem man sich nicht aufgibt. Nur wer es riskiert ein Selbst zu haben, kann es verlieren. Daher die Angst vor dem Selbstbewusstsein! Erst die Überwindung der Passivität bringt die Freiheit, auf sich selbst zu setzen: Selbstvertrauen.
Das Selbstvertrauen ist der Mut zur Freiheit. Es ist das Produkt der Selbstkonstitution, der Selbsterfindung. Diese Erfindung geschieht grundlos. Sie ist abgründig. Echte Liebe ist bedingungslos und abgründig. Sie ist aktive Abgründigkeit. Liebenkönnen erfordert Mut. Sich hingeben erfordert Mut. Ich liebe diesen Mut zur Liebe oder zur Hingabe, der nichts mit Selbstobjektivation und Selbstpassivierung zu tun hat, der im Gegenteil aktiv und fordernd ist. Dieser Mut ist die einzig progressive, riskante, vorwärtsgewandte, emanzipative Haltung.
Nicht-progressiv sind die Gleichgültigen, die es nicht wagen etwas zu sein oder zu haben, was verloren werden kann. Es sind die, die davor zurückschrecken ihr Selbst oder ihre Subjektivität zu behaupten. Denn sie ahnen, dass diese Selbstbehauptung – die, anstatt den „moralischen Narzissmus“ zu nähren (wie Judith Butler mit Adorno befürchtet), die eigentliche Überschreitung der narzisstischen Position und ihrer Religion der Innerlichkeit bedeutet, die Transzendenz des Innen –, Selbstverteidigung, Kampf, Aktivität und das Risiko des Selbstverlusts einschließt. Selbstsein bedeutet, sein Selbst aufs Spiel zu setzen, es zu gefährden, es aufzugeben und zu redefinieren.

Philosophie ist totalistisch (nicht totalitär), weil sie sich dem Ganzen zuwendet; sie ist utopisch, weil sie das Unmögliche will; sie ist optimistisch, weil sie dieses unmögliche Wollen des Unmöglichen bejaht; sie ist romantisch, indem sie sich weigert im Faktischen zu stagnieren. Philosophie hat ihren Anfang als Differenz von Natur und Kultur gesetzt. Was den Menschen (das animal rationale) vor den Tieren auszeichnen sollte, waren die Kultur, der Logos, die Sprache: das, was Lacan die symbolische Ordnung (im Unterschied zur Natur-Ordnung) nennt. Der frühe Hegel sagt vom Menschen (oder Subjekt), das er aus der natürlichen Ordnung herausgefallen sei. Der Mensch ist kranke Natur. Während die Tiere instinktsicher mit dem Naturganzen harmonieren, reflektiert der Mensch auf Natur. Er distanziert sich von Natur, von seiner Biobasis. Er denkt sich als etwas elementar anderes. Der Mensch ist Exzess der Natur. Er überschreitet die Natur, gehört ihr nicht mehr an.
Die humanistische Tradition hat aus der Überschreitung seine Qualität gemacht: Der Mensch erhebt sich über die Gesetze der Natur. Er ist ihnen nicht ausgeliefert. Er transzendiert das An-sich und seine Determinanten, um frei und verantwortlich für sich und seine Entscheidungen und sein Handeln zu sein. Der Mensch ist nicht Objekt der Natur. Er ist Subjekt, handlungsfähig, in der Lage gewisse Kausalitäten umzulenken. Später hat man gesagt, dass dieses "aus den Fugen sein" des Menschen, seine Transnaturalität, seine Freiheit und logische Kompetenz, den Grund für die Zerstörung der Natur abgeben: für totalitäre Machtideologien, die die strategische Beherrschung von Menschen und Völkern planen und durchführen. Man hat gesagt, dass die Unfreiheit bestimmter Menschen, ihr Elend und ihre Ohnmacht, in der Freiheit des Menschen im allgemeinen begründet seien. Indem Menschen ihre Freiheit gegen die anderer richten, zerreißt sich der Mensch als solcher.
Zizek zeigt, dass die Entgleisung des Menschen zwei Interpretationen zulässt. Eine linkspolitische, die sein rebellisches Befreiungspotential feiert sich festen Strukturen zu widersetzen, sich zu deterritorialisieren, und eine rechtspolitische, die aus der exzessiven Natur des Menschen die Notwendigkeit ableitet, seine Freiheit zu reglementieren und sein Begehren institutionell zu disziplinieren und zu entschärfen, es zu reterritorialisieren (der Staat und die Kirche sind dafür exemplarische Institutionen, auch die Familie als patriarchal-matriarchale Organisation).
Die „Linken“ feiern die Freiheit und ignorieren, so Zizek, dass absolute Freiheit unerträglich ist. Jeder Mensch verlangt nach der Einschränkung seiner Freiheit, der eine mehr als der andere. Freiheit ist äußerste Belastung. Freiheit ist belastender als das Gebot. Die Verantwortung wird aufs Gebot verschoben, während frei zu sein bedeutet, vollkommen verantwortlich zu sein. Die „Rechten“ warnen vor den Konsequenzen von zuviel Freiheit, vor Anarchie oder Autonomie. Sie empfehlen die autoritative und oft autoritäre Lenkung „der Massen" und sie gehen, zynisch oder nicht, davon aus, dass die Masse nach dieser Lenkung verlangt. Zizek schildert ein Laborexperiment mit Ratten:
"In einem labyrinthischen Aufbau wird zunächst ein begehrtes Objekt (ein Stück guter Nahrung oder ein Sexualpartner) auf leichte Weise einer Ratte zugänglich gemacht. Dann wird der Aufbau auf eine solche Weise verändert, dass die Ratte das begehrte Objekt sieht und dadurch weiß, wo es ist, aber keinen Zugang zu ihm hat; im Tausch für es werden, als eine Art Trostpreis, eine Reihe ähnlicher Objekte von geringerem Wert leicht zugänglich gemacht – wie reagiert die Ratte darauf? Eine gewisse Zeit versucht sie sich einen Weg zum ‚wahren Objekt‘ zu bahnen; dann, nach der Feststellung, dass dieses Objekt endgültig außer Reichweite ist, wird die Ratte auf es verzichten und sich mit einem der minderwertigen Ersatzobjekte abfinden – kurz: sie wird als ‚rationales‘ Subjekt des Utilitarismus handeln."
Sie entscheidet sich für den Plan B. Dann führen die Wissenschaftler einen chirurgischen Lasereingriff am Gehirn der Ratte durch:
"Was geschah also, als die operierte Ratte wieder im Labyrinth freigelassen wurde, wo das ‚wahre‘ Objekt unzugänglich ist? Die Ratte insistierte: Sie konnte sich niemals vollkommen mit dem Verlust des ‚wahren‘ Objekts versöhnen und fand sich mit dem minderwertigen Ersatz ab, kehrte aber immer wieder zum ‚wahren‘ Objekt zurück und versuchte, es zu erreichen. Kurz: Die Ratte wurde humanisiert, sie nahm das tragische, ‚menschliche‘ Verhältnis zum unerreichbaren, absoluten Objekt an, das, gerade wegen seiner Unerreichbarkeit, unser Begehren für immer gefangen nimmt."

Natürlich geht es auch um Liebe. Das Tier folgt Instinkten, der Mensch dem Trieb. Der Trieb ist etwas anderes als der mechanische Instinkt. Das Tier ist Objekt seines Instinktes, das heißt der Naturkausalität. Der Mensch ist Subjekt seines Triebs: Er trifft eine Entscheidung und insistiert auf dieser Entscheidung. Auch Deleuze spricht von der absoluten Liebeswahl, oder „monströsen Vorliebe“, wie er es nennt. Es ist klar, dass Antigone und Penthesilea zur Ordnung der humanisierten Ratte gehören. Sie weigern sich von ihrem Begehren abzuweichen und das gewählte Liebesobjekt durch eine zweite Wahl zu substituieren. Das ist auch mein Liebesbegriff. Absolute Unaustauschbarkeit!
Die Gefahr, die sich damit verbindet, ist, dass das hysterische Subjekt, das dieses Liebesverständnis praktiziert, indem die banalen Probleme des Alltags zwischen es und sein Liebesobjekt treten, unmerklich vom eigentlichen Objekt der Liebe abzurücken beginnt, um seine Entsublimierung nicht ertragen zu müssen, und die so vom Objekt abgezogene Liebe für sich als Liebessubjekt kapitalisiert. Das ist der Schritt von der hysterischen bzw. phallischen Selbstverausgabung zur narzisstischen Ökonomie (analen Retention). Insofern besteht das Wagnis der Liebe darin, sich vor dem Narzissmus zu schützen, damit das Liebesobjekt nicht verloren geht. Das geht nur, indem man die Banalität des Anderen als integrales Moment seiner Erhabenheit akzeptiert. „In Wirklichkeit gibt es [...] keine andere Liebe als jene, die gelebt wird“, sagt Sartre. Das bedeutet, dass es Liebe nur gibt als reale, als volle, vom Subjekt der Liebe verantwortete Konkretion. Lieben bedeutet, den Anderen oder die Andere, das andere Subjekt, als Subjekt zu lieben. Das Subjekt der Liebe liebt den Subjekt-Status des geliebten „Objekts“. Eine solche Liebe, die reale Liebe, wie Clément Rosset sagt, „erfordert die Realität der geliebten Person.“
Liebe als reale verweigert sich den Versuchungen des Imaginären. Sie entzieht sich den Phantasmen die das Liebesobjekt verklären. Die Würde der Liebe und des geliebten Anderen liegt gerade in der Kontamination oder Verschmutzung durch Realität. Man muss sich entscheiden, ob man narzisstisch-projektiv, also realitätsflüchtig, lieben will, oder die Realität der oder des Geliebten als Herausforderung ihrer/seiner Besonderheit respektiert.

Ich versuche Lacans (und Clément Rossets) Begriff des Realen mit dem Motiv des Schweigens zu verbinden. Das Reale ist nicht die einfache Realität. Die Realität ist das Reale plus das Phantasma, das die Realität erträglich und sinnvoll macht. Zieht man von ihr das Phantasma, den Sinn oder den Logos (die Sprache) ab, bleibt das Reale übrig, als „harter Realitätskern“ (Zizek), der sich in keine Ordnung übersetzen lässt. Er lässt sich in kein Sinn- und Sprachsystem einfügen, weil er der Name für die Sinnklippe oder absolute Grenze des onto-sozio-logischen Systems selbst ist. Man kann sagen, dass inmitten der Sprache ein absolutes Schweigen persistiert, das sich seiner logifizierenden oder rationalisierenden Entschärfung widersetzt.
Das Schweigen des Realen und das Schweigen Gottes, ist das das Selbe? Das Subjekt des Schweigens ist ein einsames Subjekt. Es versucht die Stille seiner Einsamkeit durch Aktionismus, durch unnötiges Reden, oder, wie Heidegger sagt, durch bloßes Gerede zu kompromittieren: Um „dem unerträglichen Schweigen zu entgehen“, das als Stimme des Gewissens an seine „grundsätzliche Verantwortung“ appelliert. Es will, dass ihm jemand zuhört, dass es gehört und erhört wird vom anderen (Gott, der Gesellschaft, der oder dem Geliebten). Es benötigt Zeugen. Es will bezeugt werden. Das Begehren der Bezeugung ist irreduzibel. Es gehört zur Subjektivität des Subjekts. Aber das Subjekt verliert sich als verantwortliches Subjekt, sobald es sich im falschen Medium spiegelt. Weder Gott, noch die Gesellschaft und nicht einmal der oder die Geliebte, sagen ihm, was oder wer es ist. Es muss, indem es eine Liebeswahl trifft, das authentische Medium wählen, dessen Zeugenschaft sich durch den Akt dieser Wahl durch es legitimiert.
Wir müssen lieben in dieser Dimension der freien Entscheidung. Ohne von Gott erhört, von der Gesellschaft anerkannt, vom geliebten Mit-Subjekt verstanden zu werden. Zumindest gibt es keine Garantie. Es wäre sonst keine Liebe. Man muss einander fremd bleiben, um zu lieben. Man muss gleichzeitig real füreinander da sein. Auf dem Grund des Herzens des liebenden Subjekts muss dieses Schweigen des Realen ruhen. Es ruht und es lastet. Es gibt der Liebesbewegung zum anderen hin, die immer überschwänglich, exzessiv und unwahrscheinlich ist, ein gewisses Gewicht. Oder die Tiefe, die sie braucht, um mehr als ein Hauch, eine flüchtige Ekstase zu sein. Wenn man die Liebe liebt, liebt man nicht sich selbst als Subjekt des Überschwangs. Das wäre nackter Narzissmus. Wer die Liebe liebt, liebt dieses Schweigen auf dem Grund des eigenen Begehrens, das, ohne der Liebe ihre Leichtigkeit und ihren Optimismus zu nehmen, aus ihr ein Wahrheits-Ereignis macht, von dessen Singularität man ein Leben lang zehrt.

Man muss zwischen dem Subjekt dieses Schweigens (dem Subjekt der Verantwortung) und der narzisstischen Subjektivität differenzieren. Hegel gibt dem narzisstischen, in sich versenkten Subjekt den Namen der "schönen Seele". Er kann mit Frauen (und zweifellos auch mit Männern) nichts anfangen, die sich ganz in ihr Gefühl versenken, die bloße Empfindungswesen sind. Die schöne Seele ist das sich selbst transparente Bewusstsein (die Karikatur des absoluten Wissens). Es spiegelt sich nur in sich, weil es den Kontakt mit dem Schweigen des Realen scheut:
„Es fehlt ihm die Kraft der Entäußerung, die Kraft, sich zum Dinge zu machen und das Sein zu ertragen. Es lebt in der Angst, die Herrlichkeit seines Innen durch Handlung und Dasein zu beflecken."
Die schöne Seele ist unschuldig, weil sie von der Realität unberührt bleibt. Sie insistiert auf dieser Unberührtheit. Sie nimmt Abstand vom Realen. Das ist die falsche Unschuld oder falsche Virginität. Denn: „um die Reinheit des Herzens zu bewahren, flieht es die Berührung der Wirklichkeit." Deshalb ist das narzisstische Subjekt leer. Es erfährt sich als Leere: „Der hohle Gegenstand, den es sich erzeugt, erfüllt es daher nun mit dem Bewußtsein der Leerheit."
Diese Leere muss ausgefüllt werden, aber das narzisstische Bewusstsein verbietet sich Fülle, es muss leer bleiben, um sein falsches Selbst nicht zu verlieren. (Es ist, wie mit dem Unterschied zwischen den Frauen oder Männern, die nichts essen, an Anorexie leiden, und denen, die, indem sie maßlos essen, das Nichts selbst essen. Das Nichts stopft sich mit nichts: das ist die Struktur der narzisstischen Subjektivität. Das Subjekt bleibt unbefriedigt, denn es begehrt sein (unbefriedigtes) Begehren. Es ist unerlöst, umherirrend, unterwegs: „sein Tun ist das Sehnen, das in dem Werden seiner selbst zum wesenlosen Gegenstande sich nur verliert und, über diesen Verlust hinaus zu sich fallend, sich nur als verlorenes findet."
Die schöne Seele akzeptiert sich nur als verlorene. Sie ist allein inmitten der Grausamkeit der Welt. Das Bild, das sie von sich hat, ist unberührt von Realität. In „dieser durchsichtigen Reinheit seiner Momente ... verglimmt [die schöne Seele] in sich und verschwindet als ein gestaltloser Dunst, der sich in Luft auflöst." Sie ist eine Illusion, ein wehender Schleier, ein Gespenst, das die Wirklichkeit nicht erträgt:
„Die wirklichkeitslose schöne Seele, in dem Widerspruche ihres reinen Selbsts und der Notwendigkeit desselben, sich zum Sein zu entäußern und in Wirklichkeit umzuschlagen, in der Unmittelbarkeit dieses festgehaltenen Gegensatzes [...] ist also, als Bewußtsein dieses Widerspruchs in seiner unversöhnten Unmittelbarkeit, zur Verrücktheit zerrüttet und zerfließt in sehnsüchtiger Schwindsucht."

Die Philosophie widersetzt sich dem Irrealismus der schönen Seele. Sie verlangt von sich, sich mit der Realität auf der Höhe des Realen zu konfrontieren. Sie ist Liebesbewegung in einem radikalen Sinn. Echte Liebe lässt sich von einer gewissen Gewalt nicht trennen. Ist die falsche Liebe des falschen Bewusstseins nicht die Liebe als "reine Liebe", die von jedem Gewaltmoment befreite Liebe, oder, in der Begrifflichkeit von Lévinas: un désir sans besoin? Das Begehren des Anderen als reines Begehren seiner Andersheit schlägt unmittelbar in die Derealisierung der Andersheit um. Anstatt ein Akt reiner Liebe und Gewaltlosigkeit zu sein, bedeutet den Anderen als Anderen zu lieben das Ereignis der notwendig gewaltsamen Begegnung zweier (oder mehrerer) Kräfte: die Andersheit des Anderen tut (mir) weh. Sie verletzt mein "Selbst" und sie verletzt die Andersheit selbst, das andere Selbst. Alles andere ist Träumerei.
Man muss "authentische" Liebe von falscher, "wahrer" oder "reiner", Liebe trennen. Die wahre Liebe schützt sich vor der Andersheit des Anderen, indem sie vorgibt, selbstlos diese Andersheit zu lieben. Die Entselbstung ist ein unzweifelhaftes Indiz. Die authentische Liebe liebt das Selbst des anderen, und es ist ein Selbst (mein Selbst), das die Autorschaft dieser Liebe riskiert. Liebe ist auch possessiv, sie ist auch fordernd. Sie setzt immer unter Druck. Es ist klar, dass es Liebe nur als Gewaltakt gibt. Als einen wechselseitigen Gewaltakt, ohne dass es Sinn machte, von einer Symmetrie des Begehrens zu sprechen. Es handelt sich um ein asymmetrisches Aufeinandertreffen zweier "Selbste". Die Geschichte dieser Liebe impliziert einen gewissen Verschleiß. Verschleiß nicht der Liebe oder des Liebesbegehrens, sondern Reibung, wechselseitige Aufreizung usw.
Hier treffen Derridas Theorie der Gewalt, der différance als Ur-Gewalt, Deleuzes und Guattaris Sprechen von einer participation contre nature in Mille plateaux, und Zizeks reale Liebe zusammen: in der Liebe als Gewalterfahrung, Intensitätserfahrung, Erfahrung des Realen, der irreduziblen nicht-identitären Andersheit, in der Liebe als Hybridität. Es geht darum, den Willen nicht aus der Liebe zu nehmen. Oder, wie Zizek es tut, auf das möglich-unmögliche Wunder der Hochzeit von agape (barmherziger, selbstloser Liebe) und eros (sexueller Forderung) zu insistieren: Absolute Hingabe und absolute Insistenz. Dieses Und macht es nicht leichter. Aber in Liebesdingen sollte man unbedingt, anspruchsvoll und unnachgiebig sein.

Gilt das auch für die Freundschaft? Ich denke an eine Formulierung Hannah Arendts. Sie war zunächst Studentin, dann Doktorandin, dann Vertraute und Freundin von Karl Jaspers (und seiner Frau). Das Gespräch mit Jaspers wurde zu ihrer wichtigsten Nachkriegserfahrung, wie sie einmal sagt: dass ein solches Gespräch - über Jahrzehnte und in dieser Rückhaltlosigkeit – möglich war. Freundschaft ist rückhaltlose Freundschaft. Sie macht nur als rückhaltlose und in gewissem Sinn rücksichtslose, rückhaltlos offene, direkte, gewaltsame Erfahrung Sinn.
Jaspers hatte sich diese Art von Freundschaft mit Heidegger erhofft. Er wurde enttäuscht. Heidegger kam ihm vor, wie ein Verräter, wie jemand, der hinter seinem Rücken anders spricht als mit ihm. Dennoch scheint er bis ans Ende seines Lebens (Briefe an Heidegger bezeugen es) an der Hoffnung auf eine solche Freundschaft mit Heidegger – die in den 20er Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts den Titel Kampfgemeinschaft (gegen den damaligen Akademismus an deutschen Universitäten, v.a. den Neukantianismus) erhielt – festgehalten zu haben. In einem Brief vom 19. März 1947 an Arendt, scheint er sich auch von ihr, mit ihr, die
Ermöglichung einer solchen Rückhaltlosigkeit zu erhoffen: "zwischen Ihnen und mir ist die Gesinnungsgemeinschaft, soweit ich zu sehen vermag, ungewöhnlich entschieden."
Für Hannah Arendt scheint das Rettende nach 1945 gewesen zu sein, dass es jemanden wie Jaspers gab, der den Willen, Kommunikation, Vernunft und Freiheit zu verbinden, nicht nur in seiner Arbeit bezeugte, der diesen Willen lebte und in konkreter Freundschaft durch rückhaltlose Offenheit bezeugte und derart zu ihr stand: "Man denkt nicht: oh, das sollte ich nicht sagen, es wird ihn verletzen. Das Vertrauen in die Freundschaft ist so groß, daß man weiß, nichts kann verletzend sein."

Ich will, dass Philosophie wie die authentische Liebe und rückhaltlose Freundschaft als etwas Notwendiges und Akutes auftritt. Es gibt sie nur als Aktualisierung, in Form absoluter Notwendigkeit oder Dringlichkeit. Die "alte" Philosophie, ihre Überlieferung oder Geschichte, ist nur interessant und unerlässlich als etwas, das noch offen, unentschieden, eine Herausforderung des Denkens ist. Vergangenheit als Vergangenheit (Gewesenheit) interessiert nicht. Sie langweilt, unterhält oder unterrichtet. Sie bietet Möglichkeiten der Flucht.
Philosophie ist gegenwärtig, indem sie sich weigert im Gegenwärtigen zu stagnieren. Sie erfährt die "Vergangenheit" als Bedrängnis, als etwas Unabgegoltenes und Unökonomisches, das sich als absolute Forderung inmitten der Indifferenz des nur Gegenwärtigen erhebt. Die Vergangenheit ist nicht vergangen. Sie richtet sich in der Gegenwart als eine sie überschreitende Möglichkeit auf. Die Vergangenheit ist als diese eigentliche Vergangenheit die Zukunft des Denkens. Sie ist, was das Denken über sich hinaustreibt. Was die Philosophie sich über sich hinaus beschleunigen lässt. Vergangenheit gibt es nur als absolute Zukunft, als eine Wirklichkeit, die noch nicht ist. Für dieses Noch-nicht-seiende verausgabt sich der Utopismus der Philosophie des Realen. Man verausgabt sich ausschließlich für etwas, das man nicht kennt. (Das gilt für die Philosophie und es gilt für jede Liebe).
Die Philosophie ist die Kunst und Kenntnis des Kunst- und Kenntnislosen. Sie ist die Kunst der Verausgabung. Das philosophische Subjekt drängt in die Fremde. Es ist ohne "Heimat". Es hat noch nicht einmal so etwas wie Herkunft. Die Philosophie kommt von Nirgendwo. Sie persistiert im Nirgendwo. Sie ist nirgendwo zuhause. Sie ist Heimweh, wie Novalis sagt. Aber, es handelt sich um das Heimweh eines Subjekts, das schon immer heimatlos ist. Die Heimatlosigkeit des Subjekts macht es unheimlich. Das Subjekt ist nur als heimatloses, als umherirrender Singular ohne Versicherung in universaler Subjektivität.

Es geht nicht darum, dass es zu sich zurück finde, wie es der platonische Begriff der Anamnesis fordert. Dieses Subjekt findet zu sich (zurück), indem es sich als Subjekt seiner Einsamkeit, der Verschwiegenheit des Realen oder Wüste der Freiheit affirmiert. Die Affirmation – die Bejahung seiner selbst als geschichtsloser Exzess der Geschichte, als deren Durchbrechung und Überfliegung, beschreibt den Akt der Subjektivation: Die Subjektwerdung eines Subjekts, das streng genommen kein Subjekt, oder nur Subjekt ist, indem es Nicht-Subjekt bleibt und ist. Die „Konstruktion eines Menschen, der das Reale überfliegen kann“ , als Produkt dieser Überfliegung des Realen, ohne dass diese Überfliegung bedeuten würde, sich nicht mit dem Realen zu konfrontieren.
Ich denke, dass dieses Subjekt, das ein objektiv nicht-souveränes Subjekt (ein Quasi-Subjekt) ist, das einzige Subjekt ist, für das zu kämpfen sich lohnt. An ihm entscheidet sich, was es bedeutet, wie Barthes einmal sagt, „inmitten der Erniedrigungen souverän zu leben.“ Es ist das Subjekt des Kämpfens und eines gewissen Widerstands. Es ist das einzige Subjekt, das ich begehre, von dem ich träume, das mich ernsthaft verunsichern und glaubhaft ermutigen kann. Es ist die Figur einer Freiheit, die sich weigert, die Objektivität seiner realen Unfreiheit nicht zu überschreiten. Es überfliegt sie mit der Selbstverständlichkeit einer Instinktregung, eines mechanischen Impulses. Und dennoch ist diese Freiheit nichts als die Transzendenz der Instinkte, die Transzendenz des Impulsiven, der Determination, der Vorsehung und theo-teleologischen Codierung (praedestinatio). Sie liefert das instabile Bild der Selbstaufrichtung eines Tieres, das nicht länger Tier sein will.

Vielleicht muss man es riskieren, den Phallus als geschlechtsübergreifendes Prinzip der Selbstaufrichtung zu bejahen, um ihn gleichzeitig als "Herrensignifikanten", als transzendentales ("männliches", "patriarchales", "androkratisches") Ordnungs- oder Systemprinzip in Frage zu stellen, zu bekämpfen und zu destabilisieren. Vielleicht ist der Phallus die Möglichkeitsform verantwortlicher Philosophie. Einer Philosophie, die die konkrete Geschlechtlichkeit ihres Subjekts überschreitet, um, ohne die sexuelle Differenz im allgemeinen zu leugnen (sie verschärft sie eher), die Geschlechtlichkeit auf ein diese Differenz überschreitendes Modell neuer Gerechtigkeit zu projizieren. Es ginge um eine Art Emanzipation des Geschlechtlichen (seiner inhärenten Differenz), um seine Anerkennung und Reformulierung jenseits der alten Muster und Hierarchien.

Ich lese Deleuze, Unterhandlungen, und stoße auf einen Satz, der mich bestätigt in dem, was ich von Mille Plateaux wusste: dass das deleuzianische Denken in seiner gewaltigen Amoralität ein Denken der Unschuld und Scham gleichermaßen ist. Die Scham, sagt Deleuze, „ist eines der mächtigsten Motive der Philosophie." Er verbindet es mit seiner Primo Levi-Lektüre. Auch ich habe mich durch Die Untergegangenen und die Geretteten erschüttern lassen. Ich unterstrich die Stellen zur Scham, zur „Scham, ein Mensch zu sein", angesichts der katastrophalen Wahrheit der Konzentrationslager. Levi spricht von der „Grauzone", in der – ohne Relativierung der Verantwortung der Nazis – das Profil des Opfers sich mit dem Profil der Täter zu vermischen droht und sich auf unerträgliche Weise für Momente tatsächlich vermischt.
Levi hat, wie Agamben sagt, „uns gezeigt, dass es heute eine ‚Scham, Mensch zu sein' gibt, eine Scham, von der in gewisser Weise jeder einzelne Mensch befleckt worden ist. Es war dies – und ist noch – die Scham über die Lager, dass geschehen ist, was nicht geschehen durfte. Und es ist eine Scham von dieser Art, wie richtig gesagt worden ist, die wir heute gegenüber einer allzu großen Vulgarität des Denkens empfinden, gegenüber bestimmten Fernsehsendungen, den Gesichtern ihrer Moderatoren und dem selbstgewissen Lächeln jener ‚Experten', die ihre Kompetenz frohgemut dem politischen Spiel der Medien zur Verfügung stellen. Wer je diese stumme Scham empfunden hat, Mensch zu sein, hat in sich jede Verbindung mit der politischen Macht, in der er lebt, durchtrennt. Sie nährt sein Denken und ist der Beginn einer Revolution und eines Exodus, deren Ende er kaum erahnen kann.“

Das Gespräch, in dem Deleuze sich hierzu äußert, hat er 1990 mit Antonio Negri geführt. In einem anderen Gespräch sagt er über Foucault: „er machte Angst, das heißt, er verhinderte durch seine bloße Existenz die Unverschämtheit der Dummköpfe." Die Unverschämten, die Schamlosen, das sind die eigentlich Dummen. Mich hat eine bestimmte Art schamloser Dummheit an der Universität verstört: die, die die dümmsten Fragen (es gibt dumme Fragen!) stellten, als hätten sie ein Recht darauf, zu „verstehen", gefüttert zu werden, Antworten zu erhalten.
Ich glaube nicht an die Frömmigkeit der Frage. Eher an den Mut zur Antwort und das Abenteuer der Behauptung. Antworten, ohne schamlos zu sein, fragen, ohne die Dreistigkeit des gesunden Menschenverstandes anzunehmen, daran glaube ich wie an eine Pflicht, an die Selbstverpflichtung des verantwortlichen Subjekts. Verantwortung gibt es nur jenseits der Schamlosigkeit. Das sagt Deleuze. Natürlich muss ich nicht umständlich betonen, dass Scham nichts mit Moral, Moralismus und Prüderie, zu tun hat. So wie Unschuld im nietzscheanischen und deleuzianischen Sinn damit nichts zu tun haben.
Die Unverschämtheit bestimmter Leute erinnert mich auf eine abstoßende Weise an die Moral der Zeit, des Zeitgeists und der ihm zugrundeliegenden Ökonomie: „ich habe es mir verdient", „jetzt bin ich dran", „gesunder Egoismus" etc. Das ist das Dümmste, wenn jemand so denkt. Es ist das Viktimisierungs-Schema, das hier voll durchgreift und den, der sein ressentimentales Recht auf ... proklamiert, unnötig verkleinert. Es ist für niemanden gut, so zu denken. Jeder verdient mehr als er verdient! Keiner hat sich was verdient. Diese Ökonomie der ausgleichenden Gerechtigkeit ist Gift für das Subjekt im Subjekt, lähmendes Gift oder Narkotikum. Man könnte eine ganze Kritik des Kapitalismus daraus ableiten: aus der Unfreiheit der „liberalen" Subjekte, die sich in Ansprüchen äußert.
Deleuze geht bis zur Infragestellung der „Menschenrechte“. Im Namen der Menschenrechte, des Gewissens, der Moral, wird jedes Denken, das sich weigert platonische Universalia zu restaurieren, jedes Denken, das, anstatt anamnetische Rückkehr zu Idealen, experimentelle Fahrt ins Künftige ist, Risiko und Abenteuer, früher oder später, der „Zerstörung der Vernunft“, des Antihumanismus, der nihilistischen Spielerei bezichtigt. Ich will versuchen es bald präziser zu fassen: Es gibt eine Verbindung zwischen der Schamlosigkeit und dem Kapitalismus. Anders, als bloß im Sinn der Vorstellung, dass der Ungerechte schamlos ist. Die Schamlosigkeit des „Kapitalisten" ist die zynische Unverschämtheit dessen, der seine Schamlosigkeit zugleich legitimiert: „ich bin schamlos, das ist mein Vorsprung, mein Kapital...". Schlimm ist, dass die „Opfer" des „Systems" die Logik der unverschämten Einforderung von „Rechten" auf ihre Weise fortsetzen, für sich beanspruchen und reproduzieren.

Kunst und Philosophie erschöpfen sich nicht in der Verneinung, die schon eine Art Viktimisierung und Selbstpassivierung einschließt. Das Subjekt der Verneinung organisiert sich als Objekt der Umstände, der Geschichte, des Systems, des Kapitals. Der Anti-Utopismus drückt sich aus in der Verneinung. Er verneint die Hyperbolizität des Subjekts. Der Anti-Utopismus gibt wohlmeinende Ratschläge. Mal tritt er als gesunder Menschenverstand, mal als Ideologiekritik auf. Immer lebt er von der Angst und der Verneinung. Immer unterstützt er die Selbstobjektivierung und Passivität. Das Denken der nicht-imaginären Affirmation, das man den Utopismus des Realen nennen könnte, hat sich der falschen Alternative des falschen Realismus widersetzt. Ich denke an Lacans Insistenz auf der regellosen Positivität des nicht-organisierten Begehrens, das man zu gerne als „Utopie“ denunziert. Ich denke an Deleuze, an die kriegerische Heiterkeit einer Bejahung, die sich mit der „großen Einheit Spinoza-Nietzsche“ verknüpft, als „Kritik" am Negativen, an der Negativität. Ich denke an Derridas Dekonstruktion als „Hyper-Kritik", wie er sagt. Dekonstruktion ist nicht Kritik. Sie ist in gewisser Weise Überschreitung der Kritik: Affirmation. Dies verbindet sich mit der Positivität Hegels, mit dem Derrida in eine Austausch- oder Nachbarschaftszone tritt, dem er sich also unendlich verwandt fühlt. Unendlich fern und unendlich nah.
Was ist beliebter und komfortabler, als das Denken der Zukunft und des Ereignisses, der nicht-negativen Bereitschaft fürs Unbestimmte, mit den Einwänden des gesunden Menschenverstands und seiner angstvollen Doxa zu diskreditieren? Mir geht es um das Risiko, das Bejahung darstellt. Die Bejahung als rückhaltlose ist riskanter und erfordert mehr Mut als die kritische Distanzierung. Ich denke an eine Szene aus Blanchots L‘arrêt de mort, in der das Mädchen das Zimmer des fremden Erzählers betritt. Blanchot sagt, dass sie „die Bewegung, die sie mitten in der Nacht auf einen Unbekannten zutrieb und seiner Gnade auslieferte [...] sehr wahrhaftig und richtig ausführte.“ Das bedeutet, dass sie, indem sie die Unmöglichkeit und Riskanz dieser Bewegung ausführt, diese Unmöglichkeit zugleich bejaht.

Das Subjekt der Verantwortung ist Subjekt dieser Bejahung. Es bejaht sich selbst als Subjekt. Es bejaht seine Freiheit zur Entscheidung und die Verantwortung, die sie mit sich bringt. Das affirmative Subjekt will frei und verantwortlich für seine Handlungen und Entscheidungen sein. Es macht sich frei für seine Freiheit, anstatt sich in seine faktische Ohnmacht und Unfreiheit zurück zu ziehen. Das affirmative Subjekt tritt nicht zurück, es tritt hervor. Es bejaht sich als Autorität von Handlungen, die es nicht vollständig kontrolliert. Es übernimmt Verantwortung für den Risikowert von Handlung, der in ihrer letztgültigen Unberechenbarkeit liegt.
Es gibt Verantwortung nur angesichts des Unberechenbaren. Wären Entscheidungen und Handlungen restlos kalkulierbar, bedürfte es keiner Verantwortung und nicht einmal eines Subjekts. Das Subjekt ist Autorität im Unberechenbaren. Es ergreift sich als Autorität inmitten der Kontingenz. Es beginnt in dieser Ergreifung von sich allein abzuhängen, wie Nietzsche sagt. Es ist Subjekt einer elementaren, selbstverantworteten Improvisation. Improvisieren bedeutet, sich selbst als autonomes Subjekt affirmieren. Autonomie ist Selbstgesetzgebung. In der Improvisation bestätigt sich das Subjekt als eigene, d.h. selbstbestimmte Autorität. Improvisieren heißt, alle Risiken der Freiheit der Selbstbestimmung zu riskieren. Das Subjekt improvisiert, indem es die Gesetze, die nicht seine eigenen sind, suspendiert. Autonomie heißt nicht, von nichts abzuhängen als von sich. Das Subjekt als autonomes Subjekt ist notwendig heteronom. Es bleibt zu einem gewissen Grad fremdbestimmt. Aber die Heteronomie verhindert nicht, dass das Subjekt seine Freiheit zur Selbstbestimmung affirmiert.
Es gibt für das Subjekt als Subjekt diesen irreduziblen Rest an Freiheit, der es ihm ermöglicht, sich selbst als Agenten seiner Entscheidungen zu affirmieren. Als determiniertes, kontextuales und situatives Subjekt, bleibt dem Subjekt die Freiheit, sich über seine Fremdbestimmung hinwegzusetzen. In genau dem Moment, in dem es sich als Autor dieser letzten Freiheit bejaht: der Freiheit es selbst zu sein, dass die Objektivation seiner selbst durch die Umstände erträgt. Noch in der äußersten Passivität und Fremdbestimmung erfährt das Subjekt an sich die Freiheit, sein (absolutes) Selbst als Gegenstand einer objektiven Gefangenschaft zu realisieren. Deshalb ist das heteronome Selbst schon Selbst der Selbstbestimmung. Es erfährt die Heteronomie als Appell zur Selbstbefreiung. Es durchbricht, indem es seine mögliche Autonomie bejaht, sein passives Selbst auf die irreduzible Freiheit, die ihm einen aktiven Selbstwert garantiert. Das Selbst ist nur Selbst im Akt dieser Durchbrechung. Es manifestiert sich im Moment der Freiheit zur Freiheit, es autorisiert sich zur Freiheit, es konstituiert sich als Subjekt einer gewissen Wut.

Das Subjekt ist wütend. Es erfährt sich als Subjekt einer absoluten Wut. Wütend zu sein bedeutet, angesichts der Grausamkeit des Seienden entsetzt zu sein. Es bedeutet sich auf diese Grausamkeit überschritten zu haben und von ihr verstört zu werden. Die Verstörtheit des Subjekts schwächt es nicht. Sie gibt ihm Kraft. Sie stärkt das Subjekts angesichts dessen, was es entsetzt. Sie gibt dem Subjekt den Sinn seiner Freiheit: Verantwortlich angesichts des Entsetzlichen zu sein. Die Wut gehört zur Verantwortung. Es gibt Verantwortung nur für ein wütendes Subjekt. Antigone ist wütend. Sie hat eine Aufgabe. Sie will vor sich und ihrem Begehren verantwortlich sein. Niemand nimmt ihr ihre Wut. Nichts kann sie aufhalten oder beruhigen. Die Aufhaltenden sind selbst die Beruhigten, die von keiner Wut mehr getragen sind. Antigone, so kann man sagen, will wütend sein. Der Wille zur Wut ist ihr Wille zur Verantwortung. Das wütende Subjekt ist ein unerlöstes und unschuldiges Subjekt. Es überschreitet seine Vermögens- und Verstandesgrenzen, es kollabiert. Es verschwindet als Subjekt und kehrt als Subjekt wieder. Es verschwendet sich für seine Wut. Verantwortung ist Selbstverschwendung. Das verantwortliche Subjekt muss frei für seine Selbstauflösung und Neuaufrichtung sein. Daher ist die Wut frei von Ressentiment und Rache. Rachsucht und Ressentiment sind reaktive Stimmungen. Sie schließen das Subjekt in seine Abhängigkeit ein. Die Wut durchbricht die Abhängigkeit. Sie ist zumindest der Wille zu dieser Durchbrechung. Wütend zu sein, bedeutet frei zu sein.

Philosophie ist Bejahung. Sie ist Macht der Bejahung. Sie bejaht das Selbst und seine Unschuld als Agent und Objekt dieser Macht. Sie bejaht die Freiheit und Verantwortung. Sie bejaht den Willen des Subjekts zur Emanzipation. Emanzipation ist Befreiung von der etablierten Macht mit den Mitteln der Bejahungsmacht. Indem die Bejahung die Freiheit und Verantwortung des Subjekts will, stellt sie die etablierten Mächte in Frage, insofern sie die Freiheit und Verantwortung des Subjekts kompromittieren. Die etablierte Macht ist Ordnungsmacht. Sie will den gegenwärtigen Zustand stabilisieren. Sie systematisiert die Kräfte und Gegenkräfte. Sie regelt ihre Geschwindigkeit und Intensität. Sie teilt Namen und Funktionen zu. Sie entschärft den Durchschlagscharakter von Subjektivität. Sie ist Verneinungsmacht, weil sie das Subjekt in seiner singulären Intensität, d.h. in der Bejahung seiner Freiheit verneint. Sie lässt dem Subjekt nur die Freiheit, die es benötigt, um den etablierten Status durch eine falsche (reaktive) Bejahung zu legitimieren.
Die Philosophie kann sich nicht in einer Ordnung ausdrücken. Zu ihr gehört ein Moment unbeherrschter Unordnung, Widerstand gegen die Verneinungsmacht der politischen, juristischen, kulturellen, sozialen etc. Institution. Die Philosophie bejaht den Widerstand als solchen. Philosophie ist widerständig. Sie ist nicht negativ. Sie kann die Systeme der Kontrolle und disziplinären Einschränkung nur verneinen, indem sie sich im Akt einer das Leben bejahenden Entscheidung der Reduktion der Freiheit auf das Recht zur Wahl vorbestimmter Optionen widersetzt.

Philosophie ist progressiv und emanzipatorisch, sonst wäre sie nicht Philosophie. Sie will die Freiheit und Verantwortlichkeit aller. Sie will, dass jeder die Chance zur Verantwortung hat. Das ist der Wille und die Entschlossenheit der Philosophie: dass der Wille zur Verantwortung selbstverständlich wird. Die Entschlossenheit ist immer Entschlossenheit zur Entscheidung und ihren Konsequenzen. Sie ist aktiver Wille. Das erste, was sie will, ist Freiheit. Die Freiheit ist Ermöglichungsgrund ihrer selbst. Freiheit ist eine Eroberung. Sie fällt dem Subjekt nicht selbstverständlich zu. Emanzipation ist der Name dieser sich zu sich kämpfenden Praxis eines Subjekts, das frei sein will. Das Subjekt kämpft um seine Freiheit. Es kämpft aus dem Wissen, dass, wie Nietzsche sagt, „jeder, der frei werden will, es durch sich selber werden muß, und daß niemandem die Freiheit als ein Wundergeschenk in den Schoß fällt.“

Die Emanzipation teilt sich in zwei Momente: Hoffnung und Gewalt. Es gibt keine Philosophie ohne Hoffnung. Und Hoffnung ist nicht Träumerei! Sie ist das Prinzip von Handlung und Veränderung: Man handelt, weil man hofft. Was ist nach Nietzsche die höchste Hoffnung? Dass sich der Mensch vom Geist der Rache befreit, von der Frustration, vom Ressentiment. Freiheit beginnt dort, wo der Wille zur Rache und Bestrafung sich in den Willen zur Verantwortung, d. h. zur Freiheit und zum Glück der Freiheit, kehrt. Sich rächen wollen bedeutet, unfrei und verantwortungslos sein zu wollen, glücklos. Mit dem Willen zur Verantwortung hat sich das Subjekt von der gewaltsamen Logik des Gegenschlags emanzipiert, von der Logik der Äquivalenz, der zu erzwingenden Symmetrie, der Reziprozität.
„Was könnte es bedeuten“, fragt Judith Butler, „eine Verletzung zu erleiden, sich der allzu raschen Auflösung der Trauer und der Verletzlichkeit in Gewalt zu verweigern und als Experiment eines anderen Lebens Gewaltlosigkeit ohne jede Wechselseitigkeit zu praktizieren? Was würde es angesichts der Gewalt bedeuten, diese Gewalt nicht mit Gegengewalt zu beantworten?“
Hoffnung geht es immer auch um ein Weniger an Gewalt. Dennoch: Es gibt kein Jenseits der Gewalt. Das zu sehen, bedeutet nicht „für Gewalt“ zu sein (was immer das hieße). Es bedeutet, die Irreduzibilität einer gewissen Gewalt nicht zu fliehen. Das heißt: Inmitten der Grausamkeit des Seienden zu stehen. Die emanzipatorische Freiheit ist nicht nur, was sich der etablierten Macht entzieht. Sie ist zugleich, um machtvoller Entzug zu sein, Freiheit oder Wille zur Macht: „Für Montesquieu wie für die vorchristliche Antike und für die Gründer der amerikanischen Republik“, sagt Hannah Arendt, „waren die 'Macht' und 'Freiheit' fast synonym. Die Bewegungsfreiheit, die Macht, sich ungehindert von Krankheit oder einem Herrn zu bewegen, war ursprünglich die grundlegendste Freiheit, die Voraussetzung aller anderen.“

Deleuze und Guattari haben in Was ist Philosophie? die autoritären Utopien (die „Utopien der Transzendenz“) von den libertären, revolutionären, immanenten Utopien unterschieden. Ich verbinde es mit dem Problem der Freiheit (man ist nur ganz frei) und mit dem Problem der Verantwortung (man ist immer voll verantwortlich, Verantwortung ist unteilbar). Die Irreduzibilität der Freiheit ist schon Einwand gegen eine bestimmte Überzeugtheit vieler kritischer und ideologiekritischer Ansätze, die auf der historischen, sozialen, politischen, geschlechterpolitischen etc. Determination bestehen. Das ist nicht falsch. Aber kurz gedacht. Zuwenig. Ich möchte zeigen, dass Freiheit möglich ist. Uneingeschränkt. Das Subjekt ist frei in Situationen. Das macht es nicht weniger frei! Man muss begreifen, dass Determination und Freiheit sich nicht ausschließen, insofern Determination nur objektiv, Freiheit hingegen absolut ist. Freiheit ist situativ, sie ist kontextuell gebunden, sie ist nicht determiniert, sie wird durch die Umstände nicht verunreinigt.
Freiheit ist immer rein und absolut. Das Subjekt der Freiheit ist ein Subjekt, dem es um seine Freiheit geht. Denn die Freiheit ist Ermöglichungsgrund seiner selbst als Subjekt. Es macht keinen Sinn von einem unfreien Subjekt zu sprechen. Subjektivität ist ein anderer Name für das Freisein und Freisein-Können des Subjekts. Also geht es dem Subjekt, solange es ihm um sein Sein oder seine Subjektivität geht, um seine Freiheit. Das Subjekt will frei sein. Es hat den Mut zur Freiheit. Frei-sein-zu-wollen erfordert Stärke und Mut. Das Subjekt der Freiheit ist ein mutiges Subjekt. Es kämpft um sich, indem es um seine Freiheit kämpft. Es erkämpft sich sein Selbst. Es ist kämpferisch, sofern es weiß, dass es seine Freiheit erkämpfen und verteidigen muss. Es hört niemals damit auf, sein Selbst vor der Unfreiheit zu bewahren.

„Wir wollen die Freiheit um der Freiheit willen und unter jedem Umstand." – Sartre will, dass wir Verantwortung für uns übernehmen: Gott existiert nicht, und da Gott nicht existiert, existiert der Mensch (als Kreatur Gottes) auch nicht. (Später hat Foucault die Konsequenzen aus Nietzsches und Sartres Atheismus gezogen und tatsächlich vom Tod des Menschen gesprochen. In seinem Fall gewissermaßen gegen Sartre). Der Mensch existiert nicht, heißt: Es gibt keine allgemeine Idee des Menschen, keinen Wesensbegriff, an dem jeder einzelne Mensch partizipiert. „Gott hat den Menschen geschaffen“, sagt Hannah Arendt, „die Menschen sind ein menschliches, irdisches Produkt, das Produkt der menschlichen Natur“. „Nicht der Mensch bewohnt diesen Planeten, sondern Menschen. Die Mehrzahl ist das Gesetz dieser Erde.“ Sartre dreht die klassische Auffassung, nach der es eine allgemeine Natur des Menschen gibt, der gemäß der konkrete Mensch existiert, um. L‘existence précède l‘essence, die Existenz (des einzelnen Menschen) geht seiner (allgemeinen) Wesensbestimmung voraus. Der Mensch ist verantwortlich für sich, für sein Wesen. Er erfindet sich als Mensch. Indem er handelt und bestimmte ungesicherte, von ihm voll verantwortete Entscheidungen trifft, übernimmt er Verantwortung für sich als Einzelmensch und zugleich für das Menschhafte des Menschen. Denn er handelt als "Mensch". Die Verantwortung ist maßlos. Sie stellt eine brutale Selbstüberforderung dar.

Sartre hat (mit Kierkegaard, Nietzsche, Jaspers und Heidegger) die Angst vor dieser Überforderung als Angst vor der Angst der Freiheit, d.h. als Merkmal des Nihilismus der Verantwortungslosigkeit markiert: „die meiste Zeit fliehen wir vor der Angst in die Unaufrichtigkeit.“ Wir fliehen die Angst oder den Schwindel der Freiheit in die (erträgliche) Angst vor dieser Angst. Nietzsche versteht unter diesem Nihilismus der Angst die Herrschaft der das Leben und freie Werden beschränkenden Moral. Nihilismus ist jüdisch-christliche Ressentiment-Nihilismus: Rache am Leben, an der Sinnlichkeit, am Menschen und seiner Körperlichkeit. Es ist die Moral des platonischen Christentums, die die Gegenwart und das Diesseits, den endlichen Menschen und seinen Körper einer transzendenten und körperlosen Zukunft, dem Jenseits, opfert. Deshalb bedeutet jenseits von Gut und Böse zu sein, jenseits des Jenseits (Gut und Böse sind Werte des Jenseits, transzendente Werte, wie man sagt), das heißt in einem verschärften Sinn diesseitig zu sein. Nihilismus meint: Schwächung des Diesseits zu Gunsten des Jenseits.
Der Nihilismus im Sinne Nietzsches ist lebens- und körper- und deshalb menschenfeindlich. Er will, dass der Mensch klein und sündig ist vor Gott und dem Gewissen. Er will den demütigen, schuldigen, gewissensgeplagten Menschen. Einen Menschen der Unfreiheit, einen Menschen, der nichts mehr will. Der Nihilismus will, dass der Mensch zu wollen aufhört, dass er aufhört, ein wollendes Subjekt zu sein. Der Nihilismus will, dass das Subjekt zum Sub-Jekt, d.h. zum Unterworfenen werde. Das Subjekt des Nihilismus ist kein starkes, sich selbst vertrauendes, autonomes Subjekt. Es ist Opfer, es viktimisiert sich. Es erregt Mitleid. Das Subjekt des Nihilismus will nicht mehr wollen müssen, nicht mehr verantwortlich sein. Es will, dass andere für es wollen. Es unterwirft sich dem Stellvertreter-Willen der anderen, um bemitleidenswert und schwach zu erscheinen. Es ist Objekt oder Sub-Jekt absoluter Bedingungen oder Determinanten. Anstatt sich vor sich selbst und seiner Freiheit zur Selbstbestimmung zu verpflichten, ist das „Subjekt“ des Nihilismus ein fremdbestimmtes, unfreies und daher unterworfenes und lügenhaftes Subjekt.
Das „Subjekt“ des Nihilismus ist das Subjekt des Gehorsams. Es ist ein schwaches und schwachgehaltenes „Subjekt“. Ein Subjekt, das nicht zögert, aus seiner Schwäche eine Tugend zu machen, seine eigentliche Qualität. Der Nihilismus will, dass das Subjekt seine Schwäche, seine Verletzbarkeit und Ohnmacht will. Er will, dass es sich selbst in seiner willenlosen Nichtigkeit, dass es sich selbst als Nichts will. Deshalb macht der Nihilismus aus der Nichtigkeit die hervorragende menschliche Eigenschaft. Nicht eine Eigenschaft unter anderen, sondern den alles beherrschenden Wesenzug. Fragt man den Nihilismus, was der Mensch sei, antwortet er: Nichts! Das Nichts als Wesensmerkmal des Menschen zu bestätigen, ist was der Nihilismus unaufhörlich praktiziert.
Der Nihilismus ist ein Untergangsphänomen. Er ist eine Dekadenz-Bewegung. Er will, dass der Wille zum Nichts das Glaubensbekenntnis des Menschen sei. Der Nihilismus verbindet sich mit dem Mitleid. Er sagt, dass der Mensch als Mensch, sofern er nichts ist, bemitleidenswürdig sei: „Mitleiden ist die Praxis des Nihilismus. [...] Mitleiden überredet zum Nichts!“ Die Ethik des Nihilismus versteht sich als (wesentlich christliche) Mitleidsethik. Sie ist Ethik der Schwäche und der Schwachen. Sie besteht darauf, den Menschen am Maßstab des Leidens und seiner (asketischen) Leidensfähigkeit zu messen. Sie denkt nicht daran, dass er fähig ist zum Glück. Die nihilistische Leidensethik weigert sich dem Subjekt auf der Höhe seiner Stärke zu begegnen. Sie berührt das Subjekt an seiner schwachen Stelle. Sie insistiert darauf, dass die Schwäche sein Wesen sei. Die nihilistische Ethik ist die Ethik der Depressiven. Derer, die das Leben als Unglück erleben, die ohne Hoffnung und Zuversicht sind. Die einzige Hoffnung des Depressiven ist das Nach-dem-Leben. Der Depressive hofft auf den Tod und sein Danach. Deshalb ist die Hoffnung des Depressiven eine Art religiöser Selbstrost. Sie lähmt das Subjekt im Diesseits, um es für sein Jenseits zu engagieren. Das depressive nihilistische Subjekt beginnt an sich selbst wie an ein Nichts zu glauben. Es feiert seine Unzulänglichkeit und Ohnmacht. Es schließt sich in der eigenen Nichtigkeit ein.
Der Nihilist scheitert am Leben und seiner Unberechenbarkeit. Er träumt von der Bewegungslosigkeit, von der Unterbrechung des Werdens (im „absoluten Wissen“, der „Idee“ oder dem „Begriff“). Er träumt davon die Kontingenz der Gegenwart und die Unberechenbarkeit der Zukunft kontrollierbar zu machen, vor dem Unerwarteten geschützt zu sein. Daher ist das nihilistische Subjekt ein Subjekt herbeigewünschter Ruhe. Es ist Subjekt einer imaginären oder phantasmatischen Ruhigstellung. Es will die Unschuld des Werdens und die eigene Freiheit angesichts dieser Unschuld. Das nihilistische Subjekt ist ein Subjekt der Welt- und Selbstverleugnung. Die Energie, die ihm bleibt, investiert es in die Feier des eigenen Untergangs. Es kitzelt an seiner Sterblichkeit, indem es lebend sein Leben als beschleunigtes Sterben inszeniert. Das nihilistische Subjekt ist das Subjekt des Theaters, der Zurschaustellung seines schlechten Gewissens und der narzisstischen Hysterie. Nichts bereitet ihm größere Genugtuung als die Publikation seiner selbst als Nichts: „Das schlechte Gewissen“, sagt Deleuze, „ist wesentlich heuchlerisch und Schauspielerei.“

Leben bedeutet für das Subjekt des Nihilismus, an sich selbst unter Aufsicht anderer zu verzweifeln. Seine Nichtswürdigkeit als singuläres Opfer zu zelebrieren. Was das Subjekt des Nihilismus opfert, ist das Leben, seine Härte und die Chancen des Glücks, die der Nihilist durch paranoiden Obskurantismus ersetzt.
Der Nihilismus setzt Gott an sie Stelle des Menschen, das Jenseits an die Stelle des Diesseits, die Transzendenz an die Stelle der Immanenz. Der Nihilismus will den Menschen (das Subjekt) abschaffen, indem er das Märchen vom allgegenwärtigen Gott und seiner alles registrierenden Gerichtsbarkeit entwirft. Von einem Gott also, der den Menschen für sein Menschsein, seine Endlichkeit und die mit ihr verbundenen Unzulänglichkeiten, straft.
Die Ethik des Nihilismus ist Ethik der Verwerfung und Verneinung, Ethik der Unfreiheit und des gewollten Nicht-Wollens. Sie ist Ethik der Negativität. Sie negiert das Leben und seine unberechenbare Vielfalt, sie negiert die Grausamkeit eines dem Werden impliziten Glücks. Sie negiert das Subjekt als Subjekt, indem sie aus ihm das Objekt eines verallgemeinerten Unglücks, der Stagnation und Vorsehung macht. Sie verneint den Agenten- oder Autoren-Status des Subjekts. Die Ethik des Nihilismus bekämpft die Unschuld und ingeniöse Rückhaltlosigkeit des hyperbolischen Subjekts. Sie will, dass das Subjekt liege, anstatt zu stehen oder zum Stehen zu kommen und sich in dieser Erhebung zu mobilisieren. Sie bekämpft das Sub