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MARCUS STEINWEG
 

DAS UNENDLICHE RETTEN. KUNST UND PHILOSOPHIE IM DENKEN VON DELEUZE

published in:

Hg.: Gente, Peter / Weibel, Peter
Deleuze und die Künste

Herausgegeben von Peter Gente und Peter Weibel. Mit dem Aufsatz: »Das Aktuelle und das Virtuelle« von Gilles Deleuze und mit Fotografien von Jean-Jacques Lebel

Erschienen: 26.03.2007
suhrkamp taschenbuch wissenschaft 1780
261 Seiten, Broschur
Excerpt

Das allgemeinste Vorhaben von Deleuze ist dies: in die Kunst wie in die Philosophie den Begriff des Unendlichen einzubringen. Deleuze scheint einer ebenso klassischen wie hypothetischen Evidenz zu folgen, indem er die Kunst mit der Hervorbringung von etwas Neuem, mit einem Schöpfungsakt, konnotiert. Kunst definiert sich als ein Werden, das ebenso unpersönlich wie schöpferisch ist. Immer geht es darum, sich in ein Verhältnis zum Chaos zu setzen oder zum Außen, “dem Chaos zu trotzen”, indem man es schneidet und eine Ebene auf ihm zieht. Erst der Kontakt mit dem chaotischen Außen läßt eine Ununterscheidbarkeitszone, die Zone des Werdens, entstehen. Das ist der Bereich des Unzeitgemäßen oder Neuen, dessen also, was seiner Reduktion auf etablierte zeitgemäße und alte ästhetische, ethische, politische und kulturelle Register widersteht. Wir finden hier ein erstes Merkmal des Kunstwerks: seine Irreduzibilität auf die Ordnung des Zeitgemäßen und Alten, auf die historische Dimension. Das ist die Dimension der sozialen, politischen, kulturellen, biologischen etc. Endlichkeit. Die Dimension ebenso der herrschenden Doxa wie der überlieferten “Wahrheiten”. Und vielleicht, sagen Deleuze und Guattari, “liegt darin das Eigentümliche der Kunst: das Endliche zu durchlaufen, um das Unendliche wiederzufinden, zurückzugeben.” Kunst definierte sich als Einwand gegen die historische Reduktion.