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MARCUS STEINWEG
 

MARCUS STEINWEG & ROSEMARIE TROCKEL DURAS

Warum Marguerite Duras?

1. Weil Duras in allen Momenten ihres Schreibens um den „Ursprung“ des Ursprungs kreist.

2. Weil dieses Kreisen heisst, sich auf eine unbezügliche Leere zu beziehen.

3. Weil das Kreisen um den leeren Ursprung Berührung der Wahrheit ist.

4. Weil eine Wahrheit berühren bedeutet, sich auf die Namenlosigkeit seiner Herkunft zu beziehen.

5. Weil der kreisende Bezug auf die Namenlosigkeit die poetische Form mit der philosophischen Form verbindet.

6. Weil diese Form die Intimität mit dem Unheimlichen ist.

7. Weil Duras weiss, dass es Intimität nur mit der Unberührbarkeit einer universellen Leere gibt.

8. Weil die Berührung des Unberührbaren bei Duras Liebe heisst.

9. Weil wahres Wissen Wissen des Nicht-Wissbaren ist.

10. Weil es im Denken und Schreiben von Duras die Vorstellung des Wahrheitswissens gibt.

11. Weil Wahrheitswissen die Berührung der Grenze des Wissens meint.

12. Weil die Grenze des Wissens zu berühren, die einzige Herausforderung, Notwendigkeit und Berechtigung und das einzige Glück von Literatur und Philosophie sein kann.

13. Weil, was Duras Schreiben nennt, écrire, die Insistenz auf dem Notwendigsten – der Unabwendbarkeit selbst – ist.

14. Weil Duras weiss, dass das Wahrheitswissen die Löschung, die Minderung, die Einschränkung, die Neutralisierung und die Zerstörung des Tatsachenwissens einschliesst.

15. Weil alle „journalistischen“ Interventionen von Duras die Imperialität, Autorität, Legitimität, Plausibilität und Persuasivität der Tatsachendiktate suspendieren.

16. Weil Duras die Suspension der Tatsachendiktatur als Notwendigkeit, Evidenz und Intensität der Schreibbewegung bejaht.

17. Weil das Schreiben, das Abenteuer, das Wagnis, die Rückhaltlosigkeit, der Wahnsinn, das Leben von Duras sich der Paradoxie, der Widersprüchlichkeit und Konfliktuosität der Formulierung des Unformulierbaren verschreibt.

18. Weil Duras ihr volles Nichtwissen in den Dienst des Wahrheitswissens stellt.

19. Weil das Wissen, das sich der Wahrheit opfert, zuletzt als Wissen in das Wahrheitswissen einzugehen beginnt.

20. Weil dieses Wissen Öffnung auf Verschliessung ist, Geöffnetsein des Subjekts auf den äussersten Limes seiner Subjektivität.

21. Weil sich für Duras der Mut der Öffnung auf Verschliessung als Lebensnotwendigkeit erweist.

22. Weil dieser Mut, dieser Übermut, diese Blindheit und Überstürzung und Hingerissenheit sich als exakte Sprache, als mathematischer Wirbel artikuliert.

23. Weil im Schreiben von Duras der Wille zur Exaktheit vom hyperbolischen Übermut unlösbar scheint.

24. Weil Schreiben die Erfahrung der strittigen Kompossibilität von Wissen und Wahrheit ist.

25. Weil Duras einen eigenen Begriff des absoluten Wissens generiert.