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MARCUS STEINWEG
 

PHILOSOPHIE ALS NICHT-POLITIK

Der Raum der Politik ist die "Welt", die Dimension des Urteils, der Entscheidungen. Philosophie ist Weltüberschreitung, Transzendenz. Die Überschreitung entspricht keinem weltfremden oder weltverneinenden "Idealismus". Sie gehört zur Philosophie, insofern Philosophie als Philosophie ekstatisch ist, eine Transzendenzbewegung darstellt, die auf das Jenseits des Möglichen (auf das Jenseits zum Beispiel politischer Optionen in der konkreten Tatsachenwelt) gerichtet ist. Man kann sagen, dass die Philosophie eine absolute Unwahrscheinlichkeit darstellt, während politische Theorie und die Politik selbst den Raum des Möglichen durchmessen, um innerhalb dieses Raums zu urteilen, zu handeln, zu funktionieren.

Politik ist die Kunst des Möglichen, der Handlungen und Funktionen. Philosophie funktioniert, indem sie in diesem Raum scheitert, also nicht handelt, nicht funktioniert. Philosophie ist der Triumph des Unmöglichen über das Mögliche. Daher ihr schlechter Ruf (weltfremd, "abgehoben" etc. zu sein). Weil sie sich weigert, sich im Gegenwärtigen zu beruhigen, statt es in Frage zu stellen und derart schon auf etwas anderes hin zu überschreiten: auf das möglich/unmögliche Jenseits der Gegenwart und ihres immer verkürzten Möglichkeitsbegriffs.

Zur politischen Theorie gehört wie zur Politik die Haltung des Diplomaten, Einsicht in die Notwendigkeit von Kompromissen, von Konsens. Philosophie ist nicht-diplomatisch. Es gibt Philosophie nur als Widerstand gegen den Kompromiss.