ROSEMARIE TROCKEL / MARCUS STEINWEG MUTTER (2006)
Cover of the Book
„Ich habe ein zerstörtes Gesicht“ – das ist die Wahrheit, in der sich die Erzählerin, bevor sie zu erzählen anhebt, wiederzufinden versucht. Deshalb muss sie erzählen. Weil es ein Gesicht vor dem zerstörten Gesicht gegeben hat. Ein Gesicht und das Bild des jungen Mädchens, dem es gehört: „Ich denke oft an jenes Bild, das einstweilen nur ich sehe und von dem ich nie gesprochen habe. Es ist immer noch da, in der gleichen Stille, wunderbar. Es ist das einzige Bild von mir, das mir gefällt, das einzige, in dem ich mich wiedererkenne und welches mich entzückt.“ Es ist das Bild der Erzählerin als junges Mädchen, als Kind, das an der Schwelle zum Erwachsensein steht. Es wird diese Schwelle mit der Leichtigkeit und Präzision seines Begehrens überschreiten, und es weiss im Augenblick dieser „Flußüberquerung“, dass sie ebenso blind wie endgültig ist: „Ich hatte mit fünfzehn ein Gesicht der Lust und kannte die Lust nicht.“ Dieses Gesicht ist verloren. Die Erzählung, die es in Erinnerung zu rufen versucht und wie einen bleibenden Verlust umkreist, wird sein Verschwinden, das mit der Wirklichkeit dieser Lust zusammenfällt, als Abkehr des Mädchens von ihrer Mutter beschreiben.
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