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MARCUS STEINWEG
 

SUBJEKT ALS EXZESS LECTURE: 18. JAN. 2008 GALERIE MICKY SCHUBERT, BERLIN

(Abstract)

Tatsächlich gehört zur Tat, dass sie das Subjekt über den Boden der Tatsachen hebt. Die Tathandlung ist der Moment, in dem das Subjekt sich als Subjekt bejaht, in dem es von sich abrückt, in dem es also seine Realität in der objektiven Welt verletzt. Es gibt eine Tat nur als Selbstverletzung, als Exzess. Das Subjekt der Tat distanziert sich von seiner Position und seinem Status im Tatsachengefüge, das die Welt seiner alltäglichen Evidenzen ist, um über seine Tatsachenrealität hinauszubeschleunigen. Worauf? Auf die Grenze der Tatsachenwelt zu, auf eine Grenze, die die Inkonsistenz und Inkommensurabilität der instituierten Realitäten indiziert. Deshalb impliziert jede Tat die Durchstechung des Realitätsgewebes auf seine Irrealität hin. Sodass das Subjekt der Tathandlung ein Wissen streift, das nicht von dieser Welt ist, weil es auf ihre Grenze verweist. Das Subjekt der Tat macht diese Grenzerfahrung, es bewegt sich entlang einer Grenze, die, statt die eine diesseitige Welt von einer anderen jenseitigen Welt zu scheiden, einen Schnitt in der Immanenz der einzigen Welt markiert. Die Berührung dieses Schnitts, sein Vollzug, ist, was das lateinische Wort decisio meint: Entscheidung. Die Tat ist ein Entscheidungsakt. Sie setzt einen Schnitt und markiert einen Riß, der alle Realitäten und jedes Subjekt von sich distanziert, gegen sich different hält. Die Entscheidung, die die Tat ist, ist Berührung dieser Differenz, die den Körper der Welt wie den Körper des Subjekts teilt. Man muss wissen, dass das Subjekt sich nicht auf seinen Objektstatus im Tatsachenraum reduzieren lässt und dass seine Welt etwas anderes ist als die ihm vertraute Realität. Die Tat führt das Subjekt vor dieses Wissen, das seine Evidenzen erschüttert, seine Gewissheiten entleert. Plötzlich findet sich das Subjekt im Raum einer Einsamkeit, die die Dimension seiner ontologischen Ungesichertheit ist. Auf nichts ist verlass, da ist nur diese Wüste, in der das Subjekt sich als Täter aufrichtet und affirmiert.