Nassauischer Kunstverein

Jimmy Robert

06 Sep 2009 - 30 May 2010

JIMMY ROBERT
"Follow Fluxus"

Suspended closure, suspended

6. September bis 30. Mai 2010
Eröffnung Samstag 5. September 2009, 16 bis 20 Uhr

Der Nassauische Kunstverein präsentiert den zweiten Follow Fluxus Stipendiaten Jimmy Robert (*1975 Guadeloup, F) mit seiner Ausstellung Suspended closure, suspended.

In seinen Collagen, Installationen und Performances lotet Jimmy Robert Verhältnisse des Bildes zum menschlichen Körper aus. Jedes seiner Bilder entfaltet (oft wörtlich) ein Objekt, entwickelt es zu einer Skulptur im Raum. Die Idee und der Vorgang des Berührens und Berührt-werdens bewegen sich auf dem schmalen Grat zwischen Intimität und Fremdheit. Seine ebenso poetischen wie spielerischen Genreüber- und –durchschreitungen changieren zwischen Zwei- und Dreidimensionalität und ziehen sich in seinen Arbeiten durch die unterschiedlichsten Medien. Mit Präzision, Eleganz, Humor übersetzt Jimmy Robert das Prinzip der Collage und Decollage in die bildsprachlichen und technischen Möglichkeiten der Gegenwart. So durchlaufen die collagierten Vorlagen mehrfache Berarbeitungsschritte bis sie schließlich als skulpturale Montage zu Objekten der Realität werden.
Ihm zugefallene Bilder, sorgsam in seinem Skizzenbuch archiviert, werden zu neuem Leben erweckt: Drei Motive - eine Postkarte mit der barocken Zeichnung zweier Hände, die Rückenansicht eines Kindes, dessen Hand die auf einem Plakat abgebildete Wange Alain Delons berührt, eine Momentaufnahme aus dem emotions- und aggressionsgeladenen Film „Rocco und seine Brüder“ (Visconti, 1960) blickt, sowie die Sicht aus dem Publikumsraum auf den nackten Rücken einer Stripteasetänzerin, bilden die erste bildnerische Ebene des Triptychons Ohne Titel (2006-2009). Mit seinen eigenen Händen wiederholt Jimmy Robert die Geste der Hände in den Bildern und wird so wiederum selbst zum Motiv.

Aus der zuletzt beschriebenen Papierarbeit generiert Robert das Cover der Vinylschallplatte Suspended closure, suspended (2009) mit der Aufnahme und Vertonung eines selbstgesprochenen Textes, der nach ganz ähnlichen Prinzipien wie seine bildnerischen Arbeiten aufgebaut ist. Poetisch nähert sich Robert als nicht näher vorgestellter Erzähler generellen Fragen zur Rolle der Geschlechter, ausgehend von seiner eigenen Position zum Allgemeinen. Fünf in ihrer Länge sehr unterschiedliche Strophen umreißen die Themen. Stilistisch verbindendes Element ist die Technik, mit denen in jeder einzelnen Strophe gearbeitet wird: Zitate, Titel und Referenzen bedeutender Werke aus dem Bereich der Künste, Politik, und Psychologie eröffnen ein Feuerwerk an geistesgeschichtlichen Bezügen, die eine Orientierungshilfe bei dem Versuch der Positionierungssuche anbieten.

Während Robert den Text emotionslos spricht, fällt es dem Wiesbadener Countertenor Gert Hohmann zu, mit den Möglichkeiten barocker Gesangsauschmückung aus jedem der fünf Abschnitte ein Wort als Ausgangspunkt für seine Improvisation zu nutzen (desire, gender, garland, image, position) und eine eigene Koloratur zu verleihen. Auch in dieser Umsetzung, einer Art Echo auf das gesprochene Wort, dient das gleiche künstlerische Prinzip des Zitats und es werden charakteristische Tonfolgen der Barockkomponisten Bach und Purcell übertragen und als musikalische Collage neu zusammengesetzt.

Im Rückgriff auf die Formensprache des Barock und dessen Bestreben, menschliche Affekte in festen Formen – in wie Sprache lesbaren Tonfolgen etwa – zu repräsentieren, bietet Jimmy Robert einen Anstoß zur Auseinandersetzung mit Fragen nach dem ureigensten Wesen des Ich. Die Subjektivität seines poetischen Textes und der musikalischen Umsetzung allerdings brechen den dogmatischen Anspruch der Allgemeingültigkeit, der im Barock noch Bestand hatte, auf.
Wie im Titel der Arbeit und der Ausstellung angedeutet, verbleibt ein endgültiger Abschluss in der Schwebe, in der Schwebe.
 

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