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OLIVER VAN DEN BERG
 

FLUSSER

Vilém Flusser
Revolution der Bilder







1. Der Bildbegriff im Wandel der Zeit
2. Die Technobilder
3. Digitaler Schein
4. Der Wert, die Rezeption und die Materialität digitaler Bilder
5. Die gegenwärtige Situation





Literatur:
Flusser, Vilém: Medienkultur, Frankfurt 2002.
Daraus: Kap. Eine Revolution der Bilder, S. 69-142.
Kap. Die Welt als Oberfläche, S. 185-236.
Flusser, Vilém: „Für eine Philosophie der Photographie – Edition Flusser Bd. 3“; Göttingen: European Photography – Edition Flusser, (1997, 8., durchgesehene Auflage)

Flusser, Vilém: „Kommunikologie“; Frankfurt a.M.: Fischer (1998), S.106 ff.


Rötzer, Florian (Hrsg): Digitaler Schein. Ästhetik der elektronischen Medien, Frankfurt, 1991.
Daraus: Kapitel Der Schein und das Objekt, S. 117-205.
Hans-Joachim Müller: Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Generierbarkeit, S. 548-569.
Hartmann, Frank: Medienphilosophie, Wien, 2000.
Daraus: Mediale Existenz. Ausgangspunkte, S.16-26
Pendeln von Punkt zu Punkt. Flussers diskursive Epistemologie, S.279-295
Netzkultur. Leben im Datenstrom, S. 308-324.

1. Der Bildbegriff im Wandel der Zeit



In: Medienkultur, Texte von 1974-1991

1.1 Bilderstatus (1991)
Über den Wandel der Bilder, der Lascauxmensch, der Florentiner bis heute.
Einleitung
- fixe bilder auf Höhlenwänden
- transportable Leinwände
- Bilder, die zum Betrachter kommen, die nicht haptisch anwesend sind, sondern ausgestrahlt werden
- Alle sehen die gleichen Bilder, ohne dabei die anderen zu sehen, die zur gleichen Zeit dasselbe sehen.
Die Bilderflut
- Apparate sind auch im Bauch des Betrachters: er hat den Blick des Apparats

- Gegensatz „Stille Bilder“ vs. „Bewegte Bilder“, SB als Schutz und Rettung vor den bewegten Bildern


- Lascaux: ca. 30000 v.Chr
- Subjektiver Standpunkt
- Sinn der ersten Bilder: Schritt zurück vom Objektiven zum Subjektiven, um Intersubjektive Situation zu schaffen, über das bild etwas vermitteln. Sakral, Sinnstiftend, Offenbarung seiner selbst, Orientierung. PRÄHISTORISCH
Szenen, nicht Ereignisse; Vorfälle, nicht Prozesse
- In Florenz: Der Maler arbeitet mit historisch überlieferten und entwickelten Codes Codes. Er codiert seine ErErlebnisse in farbige Flächen und bereichert dabei den Code. Ästhetisch und politisch wertvoll.
Dann stellt er das Bild öffentl. Zur Schau, wo es von Betrachtern kritisiert wird (Tauschwert und Eigenwert wird ermittelt) KRITIK = Integration in gespeicherte Information HISTORISCH ca. 3000 v Chr.)
- Nachindustrielle Gesellschaft: Bilder als Verhaltensmodelle verwalten der Gesellschaft durch Bilder, Transport von Werten und Verhaltensweisen (Verhaltensmodelle; Erlebnis- und Erkenntnismodelle), ähnliche Situation wie bei der Höhlenmalerei, nur dass die Gesellschaft wesentlich komplexer ist und viel mehr Menschen gleichzeitig umfasst. Hierarchie: Verwalter—Spezialisten = Funktionäre der Sendung (Herstellung und Transport; Wirkungsforschung). Berieselung von Bildern wird größer durch mehr „Freizeit“. PROGRAMMIERUNG, weil Kritik auf ein Minimum reduziert ist. Grund: Bildinflation. Berieselter ist Objekt, würde durch Beendigung der Bilderflut zum Subjekt und damit aus der Gesellschaft ausscheiden. Der gebündelte eindimensionale Bildertransport wird verdrängt werden von einem vernetzten austausch, in dem bilder hin- und hergeschickt werden können. POSTHISTORISCH
- FLUSSERS Hoffnung/Vision: Es wird dadurch möglich, die politische, wirtschaftliche und soziale „Macht“ technisch außer Kraft zu setzen: Bild wird dann zur körperlosen Oberfläche, die durch Zusammenarbeit vieler Teilnehmer ihre Bedeutung (Form und ihren Inhalt) bekommt. Allgemein zugänglich, transportierbares Multipel, politisch, erkenntnistheoretisch und ästhetisches Potential. Sakralcharakter?! Bedeutungsträger.
Die telematische Informationsgesellschaft
- Bilderflut wird an unerreichbarem Ort hergestellt, Ansicht der Empfänger wird gleichgeschalten
- 1. Verantwortungslos 2. Verdummung vermassung, da die Fernsehbilder als realer angesehen werden als unser andere Wahrnehmung 3. meisten Erfahrungen und Erlebnisse nur aus der Bilderwelt und damit existenzielle Abhängigkeit
- INTERNET: Das Umschalten der Bündel in Netze und das Reversibilisieren der Kabel heißen telematische Informationsgesellschaft
- Junge Menschen, die dialogisch Bilder erzeugen. „Diese Generation von Bildermachern und Bildverbrauchern hat das Entsetzen der Verantwortungslosigkeit, Vermassung, Verblödung und Entfremdung tatsächlich überwunden. Sie sind dabei, eine Gesellschaftsstruktur und damit auch Realitätsstruktur zu schaffen. Und die neuen, synthetischen Bilder, in denen abstraktes Denken ansichtig und hörbar wird und die im Verlauf des neuen kreativen Dialogs hergestellt werden, sind nicht nur ästhetisch, sondern auch ontologisch (wesentlich) und epistemologisch (erkenntnistheoretisch) weder mit guten alten noch mit den gegenwärtig uns umspülenden Bildern vergleichbar.
Transapparatische Bilder
- elitär, neue Generation, weil Bewusstsein der apparatischen Bilder
- Aufgabe: Zeigen, was unersetzbar ist an der menschlichen Imagination, unersetzlich und nicht simulierbar, Grenzen des Apparatischen
- Überlisten der Apparate

2. Technobilder





Filmerzeugung und Filmverbrauch (1979)
1. Filmerzeugung

FOTOGRAFIE FILM
Sandkornartig, fester Standpunkt Wellenartig, Fließen: travelling, scanning, close up
Ein Autor Viele Personen notwendig (Kamera, Schauspieler, Ton, Direktion (historisch)// Schnitt: „Filmproduzent“ die andere Seite: transzendent)
Schnitt= Gott, kennt Anfang und Ende; Techno-Imagination, der Geschichte im selben Moment, allmächtig, Herr über die Zeit, bricht Linearität der Filmaufnahme auf

Parmenides und Heraklit: Streit wird überflüssig durch die filmische Praxis, durch den Projektionsapparat durch den sowohl die fließenden, als auch stehende Bilder zu vermitteln sind. Folge: Verlust des Glaubens an das Werden, an den Fortschritt.
Techno- Imagination: Auflösung der Geschichte, des historischen Bewusstseins, aber: die meisten Filme sind schlecht, weil wir noch immer dem historischen Bewusstsein unterworfen sind.

2. Filmverbrauch
Kino: Ort konzentrierter Kontemplation (Werbung?)
Supermarkt und Kino: Basilika
Eintrittsgeld danach, bzw. davor. Kino programmiert für den Supermarkt, Supermarkt für das Kino.
Keine Revolution gegen den Projektionsapparat möglich, da sinnlos: Das Zentrum des Apparates ist unzugänglich (Original, Produzent).
Problem: Betrachter glauben (böse) an die Wahrheit des Bildes, obwohl sie es besser wissen. Fortschrittsglaube ohne Veränderung, ohne Verantwortung. Technobilder programmieren zur Leere. Sie vermitteln nicht zwischen Mensch und Welt, sondern benutzen die Welt, damit diese zwischen ihnen und den Menschen vermittle. Terroristen entführen Flugzeuge, um dabei gefilmt zu werden.
Technoimagination: Durchschauen der Programmierung und der technischen Funktionsweise der Technobilder, das Ende der Geschichte. Nur mit einer ausgebildeten Technoimagination könnten die Menschen die Apparate wieder unter ihre Herrschaft bekommen.


Für eine Phänomenologie des Fernsehens (1974)
Beschreibung
Götze- Verdrängung des Instrumentalcharakters, Mythologie,
Medium wird nicht seiner Bestimmung nach verwendet, sondern missbraucht
Rezeption: Missbrauch durch Rückfall in Analphabetismus, anstatt das begriffliche (alphabetisch-konzeptuelle) Denken auf die Ebene der Imagination zu erheben
Illusion von Freiheit. Politisch zielt die Botschaft auf eine Entpolitisierung. Eigentlich: Politisieren heißt Publizieren, Vorstoß vom privaten in den öffentlichen Raum. Marktplatz, Agora, Diskussionsraum. Heute: Vorstoß des Öffentlichen ins Private. Öffentlichkeit wird privatisiert. Viele Menschen sehen zur gleichen zeit das gleiche Bild, erhalten die gleiche Information, ohne dass ein Austausch zwischen ihnen oder dem Verfasser zustande kommt. Der Dialog fällt völlig weg.
Folge: a) Vereinsamung, Entpolitisierung des Empfängers
b) allgemeine Invasion des Privaten, Totalitarismus
Ë Gier nach immer neuem fiktionalen Erleben
Ë idealer, weil bodenloser Verbraucher
Ë F: eindimensional, kontemplativ, beschaulich, andächtig: neue Religionsform

Fernsehen als Fenster zum Blicken auf die Welt
Technik: Kathodenröhre hinter glas. Erweiterter Blick, vergleichen mit dem Fenster scheitert, weil: begrenzter Inhalt (phänomenolog.) Und andere Form (kategorisch)
F: groß, klein, Schnell, langsam, auch unzugängliche Phänomene (Zellveränderung) P
Verschiedene Standpunkte: Travelling, scanning, close-up K

+ Wahrnehmung als bewusstes Eingreifen in die Phänomene, transzendierte Wahrnehmung
Revolution in der Wahrnehmungsform durch den Code des Fernsehens.
= posthistorische Wahrnehmungsform
Code des Fernsehens:
Linearer Code, dessen Elemente zweidimensional sind = Das Repertoire des Codes sind Bilder und Töne (Deko: Imagination) und seine Struktur eine Linie (Deko: Konzeption)

Problem: sendet, aber empfängt nicht, Empfänger ist passiv, er wird von anderen manipuliert

Fernsehen als Fenster zum Sprechen mit anderen
Dialog unmöglich
Folge: Vorherrschaft des Diskurses, Vereinsamung des Empfängers
Imaginativer Code fehlt
Flussers Vision: Internet

QUBE (1979
Question your tube = stell deine Fernseher in Frage


Das Politische im Zeitalter der technischen Bilder (1990)
Geschichtsbegriff Flussers: von der zirkulären Zeit zur linearen Zeit, von der linearen zur posthistoire
- Foto ist stärker als Text: ich verwende den Text nicht, um das Foto zu verstehen, sondern nutze umgekehrt das Foto, um mir den Text einzubilden, und verliere so mein politisches Bewusstsein. (Faschismus)(S. 138)
- Heute: Ereignisse werden gemacht um übertragen zu werden: Flugzeugentführung, WTC
- Politik als Show. Inhalt unwesentlich: Anfang vom Ende der Geschichte: Sie ist nicht länger eine lineare Folge von Ereignissen, sondern ist zu einem Input der Bilderproduktion geworden.
- RUMÄNIEN: Fernsehen hat die Macht übernommen; Bildproduzenten verdrängen den Politiker
- Was ist wirklich geschehen? Falsche Frage, da beim Bild das Imaginäre das Reale ersetzt. Sind die Leichen von Temeswar imaginär oder real? Faktum ist, was im Bild ist
- Posthistorische Magie, Fernsehen ist ein Produkt des wissenschaftlichen Diskurses

Rumänien II: Die Macht des Bildes

Bilder machen Geschichte
Bilder lösen magisches Bewusstsein im Betrachter aus,
Schrift löst historisches, politisches, wissenschaftliches Bewusstsein, Abstand zum Erlebten